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Ichenhaeuser, Eliza: Frauenziele. Berlin, 1913.

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indem der Mensch emporkommt, wachsen Besonnen-
heit und Selbstbeherrschung, die Sorge für die
wirtschaftliche Zukunft und die eigene Bequemlich-
keit. Damit entsteht das Streben, einer allzu-
großen Vermehrung vorzubeugen."

Es ist das gesteigerte Verantwortlichkeits-
gefühl den Kindern gegenüber, das darin zum
Ausdruck kommt, daß die Eltern ihnen den Le-
bensweg aussichtsreicher und besser gestalten
wollen, als sie es selbst hatten, und daß sie das nur
einer beschränkten Kinderzahl gegenüber durch- führen können.

Dem ausgezeichneten Wiener Soziologen
Rudolf Goldscheid1) war es vorbehalten, die all-
gemeine Aufmerksamkeit darauf hinzulenken, daß
auch die Reproduktion ein soziales Anpassungs-
phänomen darstellt, daß wir unsere kulturellen Er-
rungenschaften bisher mit einem zu hohen Men-
schenverbrauch erzielten, daß nur bei tiefstehenden
Arten die Quantität des Nachwuchses die Basis der
Existenz bilde, hochstehende Arten dagegen sich stets
vor allem durch die Qualität des Jndividuums er-
halten. Er bezeichnet es als eine Schwäche, als
eine leichtfertige Menschenvergeudung, wenn aus
der Überproduktion erst die Qualität entsteht.
Nicht die Erhaltung der Art, sondern die Art der
Erhaltung ist von größter Wichtigkeit. Nicht die

1) "Höherentwicklung und Menschenökonomie". Leipzig 1911.

indem der Mensch emporkommt, wachsen Besonnen-
heit und Selbstbeherrschung, die Sorge für die
wirtschaftliche Zukunft und die eigene Bequemlich-
keit. Damit entsteht das Streben, einer allzu-
großen Vermehrung vorzubeugen.“

Es ist das gesteigerte Verantwortlichkeits-
gefühl den Kindern gegenüber, das darin zum
Ausdruck kommt, daß die Eltern ihnen den Le-
bensweg aussichtsreicher und besser gestalten
wollen, als sie es selbst hatten, und daß sie das nur
einer beschränkten Kinderzahl gegenüber durch- führen können.

Dem ausgezeichneten Wiener Soziologen
Rudolf Goldscheid1) war es vorbehalten, die all-
gemeine Aufmerksamkeit darauf hinzulenken, daß
auch die Reproduktion ein soziales Anpassungs-
phänomen darstellt, daß wir unsere kulturellen Er-
rungenschaften bisher mit einem zu hohen Men-
schenverbrauch erzielten, daß nur bei tiefstehenden
Arten die Quantität des Nachwuchses die Basis der
Existenz bilde, hochstehende Arten dagegen sich stets
vor allem durch die Qualität des Jndividuums er-
halten. Er bezeichnet es als eine Schwäche, als
eine leichtfertige Menschenvergeudung, wenn aus
der Überproduktion erst die Qualität entsteht.
Nicht die Erhaltung der Art, sondern die Art der
Erhaltung ist von größter Wichtigkeit. Nicht die

1) „Höherentwicklung und Menschenökonomie“. Leipzig 1911.
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[186/0190] indem der Mensch emporkommt, wachsen Besonnen- heit und Selbstbeherrschung, die Sorge für die wirtschaftliche Zukunft und die eigene Bequemlich- keit. Damit entsteht das Streben, einer allzu- großen Vermehrung vorzubeugen.“ Es ist das gesteigerte Verantwortlichkeits- gefühl den Kindern gegenüber, das darin zum Ausdruck kommt, daß die Eltern ihnen den Le- bensweg aussichtsreicher und besser gestalten wollen, als sie es selbst hatten, und daß sie das nur einer beschränkten Kinderzahl gegenüber durch- führen können. Dem ausgezeichneten Wiener Soziologen Rudolf Goldscheid 1) war es vorbehalten, die all- gemeine Aufmerksamkeit darauf hinzulenken, daß auch die Reproduktion ein soziales Anpassungs- phänomen darstellt, daß wir unsere kulturellen Er- rungenschaften bisher mit einem zu hohen Men- schenverbrauch erzielten, daß nur bei tiefstehenden Arten die Quantität des Nachwuchses die Basis der Existenz bilde, hochstehende Arten dagegen sich stets vor allem durch die Qualität des Jndividuums er- halten. Er bezeichnet es als eine Schwäche, als eine leichtfertige Menschenvergeudung, wenn aus der Überproduktion erst die Qualität entsteht. Nicht die Erhaltung der Art, sondern die Art der Erhaltung ist von größter Wichtigkeit. Nicht die 1) „Höherentwicklung und Menschenökonomie“. Leipzig 1911.

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Zitationshilfe: Ichenhaeuser, Eliza: Frauenziele. Berlin, 1913, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ichenhaeuser_frauenziele_1913/190>, abgerufen am 28.04.2024.