Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ichenhaeuser, Eliza: Frauenziele. Berlin, 1913.

Bild:
<< vorherige Seite

setzen und die Sittlichkeit des Geschlechtslebens
nicht nach seiner äußeren Form, sondern nach
seinem seelischen Gehalt beurteilt wissen wollten.
Kein anderer sittlicher Maßstab als der der Lebens-
steigerung sollte maßgebend sein.

Es ist nicht zu leugnen, daß die Beweggründe
zur Schließung einer freien Ehe voraussichtlich
moralischere sein wurden, als die bei der legitimen,
weil die Möglichkeit der Bereicherung durch Mit-
giftjägerei auf der einen, und Versorgungs-
wünsche auf der anderen Seite wegfallen würden.
Auch das Verhältnis von Mann und Frau könnte
gewinnen, weil die Frau nicht in die Unter-
ordnung, die das Gesetz der Ehefrau vorschreibt,
versänke, sondern ihre ganze juristische, öko-
nomische und soziale Freiheit behalten würde.

Den größten Gewinn aber versprechen sich die
Neu-Ethiker von ihren Forderungen, daß durch
ihre Erfüllung jeder Frau Liebesglück zuteil
werden könne und daß der Mann durch frühe
Schließung eines freien Liebesbündnisses der käuf-
lichen Liebe entraten und dadurch an Leib und
Seele gefunden würde.

So bestechend diese Beweisführung auch auf den
ersten Blick erscheint, so wenig hält sie einer
näheren Prüfung stand.

Die Ehe ist in erster Reihe eine Jnstitution zur
Sicherung des Nachwuchses. Was soll nun bei

setzen und die Sittlichkeit des Geschlechtslebens
nicht nach seiner äußeren Form, sondern nach
seinem seelischen Gehalt beurteilt wissen wollten.
Kein anderer sittlicher Maßstab als der der Lebens-
steigerung sollte maßgebend sein.

Es ist nicht zu leugnen, daß die Beweggründe
zur Schließung einer freien Ehe voraussichtlich
moralischere sein wurden, als die bei der legitimen,
weil die Möglichkeit der Bereicherung durch Mit-
giftjägerei auf der einen, und Versorgungs-
wünsche auf der anderen Seite wegfallen würden.
Auch das Verhältnis von Mann und Frau könnte
gewinnen, weil die Frau nicht in die Unter-
ordnung, die das Gesetz der Ehefrau vorschreibt,
versänke, sondern ihre ganze juristische, öko-
nomische und soziale Freiheit behalten würde.

Den größten Gewinn aber versprechen sich die
Neu-Ethiker von ihren Forderungen, daß durch
ihre Erfüllung jeder Frau Liebesglück zuteil
werden könne und daß der Mann durch frühe
Schließung eines freien Liebesbündnisses der käuf-
lichen Liebe entraten und dadurch an Leib und
Seele gefunden würde.

So bestechend diese Beweisführung auch auf den
ersten Blick erscheint, so wenig hält sie einer
näheren Prüfung stand.

Die Ehe ist in erster Reihe eine Jnstitution zur
Sicherung des Nachwuchses. Was soll nun bei

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0267" n="263"/>
setzen und die Sittlichkeit des Geschlechtslebens<lb/>
nicht nach seiner äußeren Form, sondern nach<lb/>
seinem seelischen Gehalt beurteilt wissen wollten.<lb/>
Kein anderer sittlicher Maßstab als der der Lebens-<lb/>
steigerung sollte maßgebend sein.</p><lb/>
          <p>Es ist nicht zu leugnen, daß die Beweggründe<lb/>
zur Schließung einer freien Ehe voraussichtlich<lb/>
moralischere sein wurden, als die bei der legitimen,<lb/>
weil die Möglichkeit der Bereicherung durch Mit-<lb/>
giftjägerei auf der einen, und Versorgungs-<lb/>
wünsche auf der anderen Seite wegfallen würden.<lb/>
Auch das Verhältnis von Mann und Frau könnte<lb/>
gewinnen, weil die Frau nicht in die Unter-<lb/>
ordnung, die das Gesetz der Ehefrau vorschreibt,<lb/>
versänke, sondern ihre ganze juristische, öko-<lb/>
nomische und soziale Freiheit behalten würde.</p><lb/>
          <p>Den größten Gewinn aber versprechen sich die<lb/>
Neu-Ethiker von ihren Forderungen, daß durch<lb/>
ihre Erfüllung jeder Frau Liebesglück zuteil<lb/>
werden könne und daß der Mann durch frühe<lb/>
Schließung eines freien Liebesbündnisses der käuf-<lb/>
lichen Liebe entraten und dadurch an Leib und<lb/>
Seele gefunden würde.</p><lb/>
          <p>So bestechend diese Beweisführung auch auf den<lb/>
ersten Blick erscheint, so wenig hält sie einer<lb/>
näheren Prüfung stand.</p><lb/>
          <p>Die Ehe ist in erster Reihe eine Jnstitution zur<lb/>
Sicherung des Nachwuchses. Was soll nun bei<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[263/0267] setzen und die Sittlichkeit des Geschlechtslebens nicht nach seiner äußeren Form, sondern nach seinem seelischen Gehalt beurteilt wissen wollten. Kein anderer sittlicher Maßstab als der der Lebens- steigerung sollte maßgebend sein. Es ist nicht zu leugnen, daß die Beweggründe zur Schließung einer freien Ehe voraussichtlich moralischere sein wurden, als die bei der legitimen, weil die Möglichkeit der Bereicherung durch Mit- giftjägerei auf der einen, und Versorgungs- wünsche auf der anderen Seite wegfallen würden. Auch das Verhältnis von Mann und Frau könnte gewinnen, weil die Frau nicht in die Unter- ordnung, die das Gesetz der Ehefrau vorschreibt, versänke, sondern ihre ganze juristische, öko- nomische und soziale Freiheit behalten würde. Den größten Gewinn aber versprechen sich die Neu-Ethiker von ihren Forderungen, daß durch ihre Erfüllung jeder Frau Liebesglück zuteil werden könne und daß der Mann durch frühe Schließung eines freien Liebesbündnisses der käuf- lichen Liebe entraten und dadurch an Leib und Seele gefunden würde. So bestechend diese Beweisführung auch auf den ersten Blick erscheint, so wenig hält sie einer näheren Prüfung stand. Die Ehe ist in erster Reihe eine Jnstitution zur Sicherung des Nachwuchses. Was soll nun bei

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2020-12-07T10:34:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt, Juliane Nau: Bearbeitung der digitalen Edition. (2020-12-07T10:34:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: gekennzeichnet; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ichenhaeuser_frauenziele_1913
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ichenhaeuser_frauenziele_1913/267
Zitationshilfe: Ichenhaeuser, Eliza: Frauenziele. Berlin, 1913, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ichenhaeuser_frauenziele_1913/267>, abgerufen am 10.05.2024.