Nach all diesen und ähnlichen Enthüllungen mußte es allen Einsichtigen klar werden, daß Pro- stitution und Bordelle ein Faustschlag ins Gesicht der Kultur bedeuten, daß beide unbedingt, mit aller Macht bekämpft werden müssen. Verständnisvolle Ärzte, Juristen und Sozialpolitiker wurden wert- volle Bundesgenossen der Frauen in ihrem Kampfe gegen das Laster und gegen die sexuelle Ver- sklavung eines großen Teiles ihres Geschlechts.
Trotz alledem und alledem enthält weder der Vorentwurf noch der Gegenentwurf zum neuen deutschen Strafgesetzbuch die zu einer befriedigen- den Regelung des Problems unumgänglich er- forderliche Aufhebung der Reglementierung und erst recht der Kasernierung der Prostitution. Den Mädchenhändlern wird ihr Handwerk etwas er- schwert, indem nicht allein wie bisher die Ver- leitung einer weiblichen Person zur Aus- wanderung in der Absicht, sie der Unzucht zuzu- führen, unter Strafe gestellt wird, sondern auch die Vorspiegelung eines Dienst- oder Arbeitsverhält- nisses in der gleichen Absicht. Aber auch das ge- nügt noch nicht, hier wäre eine viel strengere Be- strafung am Platze und die Verhaftung auf den bloßen Verdacht hin. Auch wäre es, wie Camilla Jellineck sehr treffend bemerkt, um alle Hinter- türen zu versperren, ganz gut, wenn ausdrücklich gesagt würde, daß, "wer ein Bordell hält" schwer
Nach all diesen und ähnlichen Enthüllungen mußte es allen Einsichtigen klar werden, daß Pro- stitution und Bordelle ein Faustschlag ins Gesicht der Kultur bedeuten, daß beide unbedingt, mit aller Macht bekämpft werden müssen. Verständnisvolle Ärzte, Juristen und Sozialpolitiker wurden wert- volle Bundesgenossen der Frauen in ihrem Kampfe gegen das Laster und gegen die sexuelle Ver- sklavung eines großen Teiles ihres Geschlechts.
Trotz alledem und alledem enthält weder der Vorentwurf noch der Gegenentwurf zum neuen deutschen Strafgesetzbuch die zu einer befriedigen- den Regelung des Problems unumgänglich er- forderliche Aufhebung der Reglementierung und erst recht der Kasernierung der Prostitution. Den Mädchenhändlern wird ihr Handwerk etwas er- schwert, indem nicht allein wie bisher die Ver- leitung einer weiblichen Person zur Aus- wanderung in der Absicht, sie der Unzucht zuzu- führen, unter Strafe gestellt wird, sondern auch die Vorspiegelung eines Dienst- oder Arbeitsverhält- nisses in der gleichen Absicht. Aber auch das ge- nügt noch nicht, hier wäre eine viel strengere Be- strafung am Platze und die Verhaftung auf den bloßen Verdacht hin. Auch wäre es, wie Camilla Jellineck sehr treffend bemerkt, um alle Hinter- türen zu versperren, ganz gut, wenn ausdrücklich gesagt würde, daß, „wer ein Bordell hält“ schwer
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0280"n="276"/><p>Nach all diesen und ähnlichen Enthüllungen<lb/>
mußte es allen Einsichtigen klar werden, daß Pro-<lb/>
stitution und Bordelle ein Faustschlag ins Gesicht<lb/>
der Kultur bedeuten, daß beide unbedingt, mit aller<lb/>
Macht bekämpft werden müssen. Verständnisvolle<lb/>
Ärzte, Juristen und Sozialpolitiker wurden wert-<lb/>
volle Bundesgenossen der Frauen in ihrem Kampfe<lb/>
gegen das Laster und gegen die sexuelle Ver-<lb/>
sklavung eines großen Teiles ihres Geschlechts.</p><lb/><p>Trotz alledem und alledem enthält weder der<lb/>
Vorentwurf noch der Gegenentwurf zum neuen<lb/>
deutschen Strafgesetzbuch die zu einer befriedigen-<lb/>
den Regelung des Problems unumgänglich er-<lb/>
forderliche Aufhebung der Reglementierung und<lb/>
erst recht der Kasernierung der Prostitution. Den<lb/>
Mädchenhändlern wird ihr Handwerk etwas er-<lb/>
schwert, indem nicht allein wie bisher die Ver-<lb/>
leitung einer weiblichen Person zur Aus-<lb/>
wanderung in der Absicht, sie der Unzucht zuzu-<lb/>
führen, unter Strafe gestellt wird, sondern auch die<lb/>
Vorspiegelung eines Dienst- oder Arbeitsverhält-<lb/>
nisses in der gleichen Absicht. Aber auch das ge-<lb/>
nügt noch nicht, hier wäre eine viel strengere Be-<lb/>
strafung am Platze und die Verhaftung auf den<lb/>
bloßen Verdacht hin. Auch wäre es, wie Camilla<lb/>
Jellineck sehr treffend bemerkt, um alle Hinter-<lb/>
türen zu versperren, ganz gut, wenn ausdrücklich<lb/>
gesagt würde, daß, „wer ein Bordell hält“ schwer<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[276/0280]
Nach all diesen und ähnlichen Enthüllungen
mußte es allen Einsichtigen klar werden, daß Pro-
stitution und Bordelle ein Faustschlag ins Gesicht
der Kultur bedeuten, daß beide unbedingt, mit aller
Macht bekämpft werden müssen. Verständnisvolle
Ärzte, Juristen und Sozialpolitiker wurden wert-
volle Bundesgenossen der Frauen in ihrem Kampfe
gegen das Laster und gegen die sexuelle Ver-
sklavung eines großen Teiles ihres Geschlechts.
Trotz alledem und alledem enthält weder der
Vorentwurf noch der Gegenentwurf zum neuen
deutschen Strafgesetzbuch die zu einer befriedigen-
den Regelung des Problems unumgänglich er-
forderliche Aufhebung der Reglementierung und
erst recht der Kasernierung der Prostitution. Den
Mädchenhändlern wird ihr Handwerk etwas er-
schwert, indem nicht allein wie bisher die Ver-
leitung einer weiblichen Person zur Aus-
wanderung in der Absicht, sie der Unzucht zuzu-
führen, unter Strafe gestellt wird, sondern auch die
Vorspiegelung eines Dienst- oder Arbeitsverhält-
nisses in der gleichen Absicht. Aber auch das ge-
nügt noch nicht, hier wäre eine viel strengere Be-
strafung am Platze und die Verhaftung auf den
bloßen Verdacht hin. Auch wäre es, wie Camilla
Jellineck sehr treffend bemerkt, um alle Hinter-
türen zu versperren, ganz gut, wenn ausdrücklich
gesagt würde, daß, „wer ein Bordell hält“ schwer
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription.
(2020-12-07T10:34:09Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt, Juliane Nau: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2020-12-07T10:34:09Z)
Weitere Informationen:
Bogensignaturen: gekennzeichnet;
Druckfehler: gekennzeichnet;
fremdsprachliches Material: keine Angabe;
Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe;
Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage;
I/J in Fraktur: wie Vorlage;
i/j in Fraktur: keine Angabe;
Kolumnentitel: keine Angabe;
Kustoden: keine Angabe;
langes s (ſ): als s transkribiert;
Normalisierungen: keine Angabe;
rundes r (ꝛ): keine Angabe;
Seitenumbrüche markiert: ja;
Silbentrennung: wie Vorlage;
u/v bzw. U/V: keine Angabe;
Vokale mit übergest. e: keine Angabe;
Vollständigkeit: vollständig erfasst;
Zeichensetzung: wie Vorlage;
Zeilenumbrüche markiert: ja;
Ichenhaeuser, Eliza: Frauenziele. Berlin, 1913, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ichenhaeuser_frauenziele_1913/280>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.