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Ichenhaeuser, Eliza: Frauenziele. Berlin, 1913.

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Erbsystem "Dower" und
"Curtesy" noch fortbesteht,
demzufolge die Ehefrau nur ein Drittel des ehe-
männlichen Vermögens, der Ehemann hingegen
das ganze Vermögen seiner Frau erbt. Das Gleiche
gilt im aufgeklärten England, wo der Mann über-
haupt nicht gezwungen ist, von seinem Besitz etwas
an Frau und Kinder zu vererben, und in Neu-Süd-
Wales, das weibliche Wähler hat, ist es ebenfalls
zulässig, daß ein Mann Frau und Kinder aus
seinem Testament ausschließt und sie vollständig
mittellos zurückläßt.

Auch in manch anderer Beziehung sind England
und Australien in bezug auf die für die Frau be-
stimmten Gesetze auf einem ebenso niedrigen Ni-
veau wie die romanischen Länder, wo die Galan-
terie bekanntlich in der Praxis im umgekehrten
Verhältnis zur Theorie steht. So auch in bezug
auf die Scheidungsgesetze. Während in Groß-
britannien und Australien, mit Ausnahme von
Neu-Süd-Wales und Neuseeland, der Ehemann von
seiner Frau auf Grund ihrer Untreue allein ge-
schieden werden kann, kann die Ehefrau, bis in die
neueste Zeit hinein, von ihrem Ehemann auf das
Delikt der Untreue allein hin nicht geschieden wer-
den, sie muß ihm neben der Untreue auch noch
Grausamkeit oder böswilliges Verlassen nach-
weisen können.

Es scheint überhaupt, als ob es da, wo das Ver-

Erbsystem „Dower“ und
„Curtesy“ noch fortbesteht,
demzufolge die Ehefrau nur ein Drittel des ehe-
männlichen Vermögens, der Ehemann hingegen
das ganze Vermögen seiner Frau erbt. Das Gleiche
gilt im aufgeklärten England, wo der Mann über-
haupt nicht gezwungen ist, von seinem Besitz etwas
an Frau und Kinder zu vererben, und in Neu-Süd-
Wales, das weibliche Wähler hat, ist es ebenfalls
zulässig, daß ein Mann Frau und Kinder aus
seinem Testament ausschließt und sie vollständig
mittellos zurückläßt.

Auch in manch anderer Beziehung sind England
und Australien in bezug auf die für die Frau be-
stimmten Gesetze auf einem ebenso niedrigen Ni-
veau wie die romanischen Länder, wo die Galan-
terie bekanntlich in der Praxis im umgekehrten
Verhältnis zur Theorie steht. So auch in bezug
auf die Scheidungsgesetze. Während in Groß-
britannien und Australien, mit Ausnahme von
Neu-Süd-Wales und Neuseeland, der Ehemann von
seiner Frau auf Grund ihrer Untreue allein ge-
schieden werden kann, kann die Ehefrau, bis in die
neueste Zeit hinein, von ihrem Ehemann auf das
Delikt der Untreue allein hin nicht geschieden wer-
den, sie muß ihm neben der Untreue auch noch
Grausamkeit oder böswilliges Verlassen nach-
weisen können.

Es scheint überhaupt, als ob es da, wo das Ver-

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[283/0287] Erbsystem „Dower“ und „Curtesy“ noch fortbesteht, demzufolge die Ehefrau nur ein Drittel des ehe- männlichen Vermögens, der Ehemann hingegen das ganze Vermögen seiner Frau erbt. Das Gleiche gilt im aufgeklärten England, wo der Mann über- haupt nicht gezwungen ist, von seinem Besitz etwas an Frau und Kinder zu vererben, und in Neu-Süd- Wales, das weibliche Wähler hat, ist es ebenfalls zulässig, daß ein Mann Frau und Kinder aus seinem Testament ausschließt und sie vollständig mittellos zurückläßt. Auch in manch anderer Beziehung sind England und Australien in bezug auf die für die Frau be- stimmten Gesetze auf einem ebenso niedrigen Ni- veau wie die romanischen Länder, wo die Galan- terie bekanntlich in der Praxis im umgekehrten Verhältnis zur Theorie steht. So auch in bezug auf die Scheidungsgesetze. Während in Groß- britannien und Australien, mit Ausnahme von Neu-Süd-Wales und Neuseeland, der Ehemann von seiner Frau auf Grund ihrer Untreue allein ge- schieden werden kann, kann die Ehefrau, bis in die neueste Zeit hinein, von ihrem Ehemann auf das Delikt der Untreue allein hin nicht geschieden wer- den, sie muß ihm neben der Untreue auch noch Grausamkeit oder böswilliges Verlassen nach- weisen können. Es scheint überhaupt, als ob es da, wo das Ver-

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Zitationshilfe: Ichenhaeuser, Eliza: Frauenziele. Berlin, 1913, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ichenhaeuser_frauenziele_1913/287>, abgerufen am 24.11.2024.