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Ichenhaeuser, Eliza: Die politische Gleichberechtigung der Frau. Berlin, 1898.

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Eliza Ichenhaeuser.

Bryce*) hingegen giebt einer anderen, vom späteren
Wyominger Gouverneur Hoyt vertretenen Ansicht Raum.
Derselbe berichtet: "Ein grossherziger Gesetzgeber von
Wyoming ging und sprach mit anderen Mitgliedern der
Legislatur. Sie lächelten. Aber er fand einen Juristen,
der ihm half, einen kurzen Gesetzentwurf zu formuliren,
den er einbrachte. Derselbe wurde in Erwägung gezogen
und diskutirt. Die Leute lächelten alle. Man erwartete
nicht, dass dergleichen angenommen werden würde, aber
der Urheber des Gesetzentwurfes war schlau und er ver-
legte sich auf folgendes Mittel, um die Majorität zu
erreichen. Er wandte sich an die Demokraten und sagte:
Wir haben einen republikanischen Gouverneur und eine
demokratische Versammlung. Wenn wir uns zusammen-
thäten, damit die Versammlung das Gesetz annähme
und, wenn der Gouverneur sein Veto einlegte, so würden
wir, Sie verstehen mich, uns eine gute Position verschafft
haben; wir würden unseren Liberalismus bewiesen und
doch nichts dabei verloren haben. Aber verrathen Sie
nichts davon. Die Demokraten versprachen es. Er ging
darauf zu den Republikanern und sagte ihnen, dass die
Demokraten bereit seien, für seinen Vorschlag zu stimmen,
und dass sie, wenn sie nicht ihren politischen Einfluss
verlieren wollten, besser thäten, auch dafür zu stimmen;
zwar glaube er auch dann nicht, dass das Gesetz durch-
gehen werde, aber ihr Votum würde bemerkt werden
und das Spiel der anderen Partei durchkreuzen. So

*) The American Commonwealth, London and New-York 1891.
Eliza Ichenhaeuser.

Bryce*) hingegen giebt einer anderen, vom späteren
Wyominger Gouverneur Hoyt vertretenen Ansicht Raum.
Derselbe berichtet: »Ein grossherziger Gesetzgeber von
Wyoming ging und sprach mit anderen Mitgliedern der
Legislatur. Sie lächelten. Aber er fand einen Juristen,
der ihm half, einen kurzen Gesetzentwurf zu formuliren,
den er einbrachte. Derselbe wurde in Erwägung gezogen
und diskutirt. Die Leute lächelten alle. Man erwartete
nicht, dass dergleichen angenommen werden würde, aber
der Urheber des Gesetzentwurfes war schlau und er ver-
legte sich auf folgendes Mittel, um die Majorität zu
erreichen. Er wandte sich an die Demokraten und sagte:
Wir haben einen republikanischen Gouverneur und eine
demokratische Versammlung. Wenn wir uns zusammen-
thäten, damit die Versammlung das Gesetz annähme
und, wenn der Gouverneur sein Veto einlegte, so würden
wir, Sie verstehen mich, uns eine gute Position verschafft
haben; wir würden unseren Liberalismus bewiesen und
doch nichts dabei verloren haben. Aber verrathen Sie
nichts davon. Die Demokraten versprachen es. Er ging
darauf zu den Republikanern und sagte ihnen, dass die
Demokraten bereit seien, für seinen Vorschlag zu stimmen,
und dass sie, wenn sie nicht ihren politischen Einfluss
verlieren wollten, besser thäten, auch dafür zu stimmen;
zwar glaube er auch dann nicht, dass das Gesetz durch-
gehen werde, aber ihr Votum würde bemerkt werden
und das Spiel der anderen Partei durchkreuzen. So

*) The American Commonwealth, London and New-York 1891.
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[58/0071] Eliza Ichenhaeuser. Bryce *) hingegen giebt einer anderen, vom späteren Wyominger Gouverneur Hoyt vertretenen Ansicht Raum. Derselbe berichtet: »Ein grossherziger Gesetzgeber von Wyoming ging und sprach mit anderen Mitgliedern der Legislatur. Sie lächelten. Aber er fand einen Juristen, der ihm half, einen kurzen Gesetzentwurf zu formuliren, den er einbrachte. Derselbe wurde in Erwägung gezogen und diskutirt. Die Leute lächelten alle. Man erwartete nicht, dass dergleichen angenommen werden würde, aber der Urheber des Gesetzentwurfes war schlau und er ver- legte sich auf folgendes Mittel, um die Majorität zu erreichen. Er wandte sich an die Demokraten und sagte: Wir haben einen republikanischen Gouverneur und eine demokratische Versammlung. Wenn wir uns zusammen- thäten, damit die Versammlung das Gesetz annähme und, wenn der Gouverneur sein Veto einlegte, so würden wir, Sie verstehen mich, uns eine gute Position verschafft haben; wir würden unseren Liberalismus bewiesen und doch nichts dabei verloren haben. Aber verrathen Sie nichts davon. Die Demokraten versprachen es. Er ging darauf zu den Republikanern und sagte ihnen, dass die Demokraten bereit seien, für seinen Vorschlag zu stimmen, und dass sie, wenn sie nicht ihren politischen Einfluss verlieren wollten, besser thäten, auch dafür zu stimmen; zwar glaube er auch dann nicht, dass das Gesetz durch- gehen werde, aber ihr Votum würde bemerkt werden und das Spiel der anderen Partei durchkreuzen. So   *) The American Commonwealth, London and New-York 1891.

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Zitationshilfe: Ichenhaeuser, Eliza: Die politische Gleichberechtigung der Frau. Berlin, 1898, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ichenhaeuser_gleichberechtigung_1898/71>, abgerufen am 24.11.2024.