Ideler, Karl Wilhelm: Der religiöse Wahnsinn, erläutert durch Krankengeschichten. Ein Beitrag zur Geschichte der religiösen Wirren der Gegenwart. Halle (Saale), 1847.getragen worden sei, woselbst der Deckel von dem Sarge ge¬ Hiermit war ein bestimmter Wendepunkt in ihrem Selbst¬ 8 *
getragen worden ſei, woſelbſt der Deckel von dem Sarge ge¬ Hiermit war ein beſtimmter Wendepunkt in ihrem Selbſt¬ 8 *
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0123" n="115"/> getragen worden ſei, woſelbſt der Deckel von dem Sarge ge¬<lb/> nommen wurde, um ſie auferſtehen zu laſſen. Außer dem<lb/> Sarge ſah ſie Nichts, nur eine innere Stimme ſagte ihr an,<lb/> in welcher Umgebung ſie ſich befaͤnde, aus welcher ſie wieder<lb/> von unſichtbaren Engeln auf die Erde zuruͤckgetragen wurde.</p><lb/> <p>Hiermit war ein beſtimmter Wendepunkt in ihrem Selbſt¬<lb/> bewußtſeyn eingetreten, da ſie ihre ſterbliche Natur abgelegt<lb/> zu haben, und als auferſtandener Meſſias, als wirklicher Sohn<lb/> Gottes auf die Erde wiedergekehrt zu ſein uͤberzeugt war, um<lb/> das Reich Gottes zu ſtiften und auszubreiten. Sie nahm kei¬<lb/> nen Anſtoß daran, daß ſie als Weib, als Mutter vieler Kin¬<lb/> der in die Perſon Chriſti, welcher ſeinerſeits zur oberſten Gott¬<lb/> heit geworden, eingetreten ſei, da Gott als Schoͤpfer aller<lb/> Dinge ſeinen Sohn aus ſich geboren habe, und ſie als Ge¬<lb/> baͤrerin in ſeine Fußtapfen eingetreten ſei. Denn ſie habe der Gna¬<lb/> de Gottes die ganze Welt im Gebete uͤberliefert, und ſie als<lb/> ihr Eigenthum von ihm zuruͤckempfangen. Durch ihr Leiden<lb/> ſei ihr meſſianiſcher Beruf fuͤr alle Menſchen außer Zweifel<lb/> geſetzt, ſie ſei daher die Felſenburg, auf welcher das Reich<lb/> Gottes gegruͤndet werden ſolle, gleichwie ſie auf Gott als eine<lb/> feſte Burg gebaut habe. Denn ſie habe ſich in Demuth er¬<lb/> niedrigt, um von Gott erhoͤht zu werden. Fortan handelte<lb/> ſie nun im Sinne jener Apotheoſe, welche ihr durch unmittel¬<lb/> bare Kundgebung des goͤttlichen Willens in ihrem Inneren<lb/> den von ihr zu betretenden Weg vorzeichnete. Zunaͤchſt er¬<lb/> waͤhlte ſie wieder den Uhrmacher zu dem Organ ihrer Bot¬<lb/> ſchaft an das Menſchengeſchlecht, welcher dieſelbe in einem gro¬<lb/> ßen Actenſtuͤck verzeichnen, und der Stadtvogtei uͤbergeben ſolle,<lb/> um von hier aus durch die ganze Welt verbreitet zu werden.<lb/> Sie erklaͤrte ſich fuͤr die von Gott eingeſetzte Beherrſcherin der<lb/> Erde, und als Landesmutter aller auf derſelben wohnenden<lb/> Geſchlechter, und um ihrem Machtgebot mehr Nachdruck zu<lb/> geben, verlangte ſie, daß ein Courier an den Kaiſer von<lb/> Rußland abgeſandt werde, welcher ſie als ſeine Mutter zur<lb/> Regentin ſeines Reichs einſetzen, und fuͤr ihre leiblichen Be¬<lb/> duͤrfniſſe Sorge tragen ſolle, weil ſie fuͤr ihn geſiegt, und ihn<lb/> mit ihrem Blute erkauft habe. Auch ſei derſelbe wirklich,<lb/> wie ſie verſichert, unter der Verkleidung eines Officiers vor<lb/> <fw place="bottom" type="sig">8 *<lb/></fw> </p> </div> </body> </text> </TEI> [115/0123]
getragen worden ſei, woſelbſt der Deckel von dem Sarge ge¬
nommen wurde, um ſie auferſtehen zu laſſen. Außer dem
Sarge ſah ſie Nichts, nur eine innere Stimme ſagte ihr an,
in welcher Umgebung ſie ſich befaͤnde, aus welcher ſie wieder
von unſichtbaren Engeln auf die Erde zuruͤckgetragen wurde.
Hiermit war ein beſtimmter Wendepunkt in ihrem Selbſt¬
bewußtſeyn eingetreten, da ſie ihre ſterbliche Natur abgelegt
zu haben, und als auferſtandener Meſſias, als wirklicher Sohn
Gottes auf die Erde wiedergekehrt zu ſein uͤberzeugt war, um
das Reich Gottes zu ſtiften und auszubreiten. Sie nahm kei¬
nen Anſtoß daran, daß ſie als Weib, als Mutter vieler Kin¬
der in die Perſon Chriſti, welcher ſeinerſeits zur oberſten Gott¬
heit geworden, eingetreten ſei, da Gott als Schoͤpfer aller
Dinge ſeinen Sohn aus ſich geboren habe, und ſie als Ge¬
baͤrerin in ſeine Fußtapfen eingetreten ſei. Denn ſie habe der Gna¬
de Gottes die ganze Welt im Gebete uͤberliefert, und ſie als
ihr Eigenthum von ihm zuruͤckempfangen. Durch ihr Leiden
ſei ihr meſſianiſcher Beruf fuͤr alle Menſchen außer Zweifel
geſetzt, ſie ſei daher die Felſenburg, auf welcher das Reich
Gottes gegruͤndet werden ſolle, gleichwie ſie auf Gott als eine
feſte Burg gebaut habe. Denn ſie habe ſich in Demuth er¬
niedrigt, um von Gott erhoͤht zu werden. Fortan handelte
ſie nun im Sinne jener Apotheoſe, welche ihr durch unmittel¬
bare Kundgebung des goͤttlichen Willens in ihrem Inneren
den von ihr zu betretenden Weg vorzeichnete. Zunaͤchſt er¬
waͤhlte ſie wieder den Uhrmacher zu dem Organ ihrer Bot¬
ſchaft an das Menſchengeſchlecht, welcher dieſelbe in einem gro¬
ßen Actenſtuͤck verzeichnen, und der Stadtvogtei uͤbergeben ſolle,
um von hier aus durch die ganze Welt verbreitet zu werden.
Sie erklaͤrte ſich fuͤr die von Gott eingeſetzte Beherrſcherin der
Erde, und als Landesmutter aller auf derſelben wohnenden
Geſchlechter, und um ihrem Machtgebot mehr Nachdruck zu
geben, verlangte ſie, daß ein Courier an den Kaiſer von
Rußland abgeſandt werde, welcher ſie als ſeine Mutter zur
Regentin ſeines Reichs einſetzen, und fuͤr ihre leiblichen Be¬
duͤrfniſſe Sorge tragen ſolle, weil ſie fuͤr ihn geſiegt, und ihn
mit ihrem Blute erkauft habe. Auch ſei derſelbe wirklich,
wie ſie verſichert, unter der Verkleidung eines Officiers vor
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