Ideler, Karl Wilhelm: Der religiöse Wahnsinn, erläutert durch Krankengeschichten. Ein Beitrag zur Geschichte der religiösen Wirren der Gegenwart. Halle (Saale), 1847.nung auf einige hundert Thaler sich belaufen sollte, zu erlan¬ Es ist nicht mehr auszumitteln, welche von beiden nach¬ nung auf einige hundert Thaler ſich belaufen ſollte, zu erlan¬ Es iſt nicht mehr auszumitteln, welche von beiden nach¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0122" n="114"/> nung auf einige hundert Thaler ſich belaufen ſollte, zu erlan¬<lb/> gen. Mit rauhen Worten abgewieſen, ließ ſie ſich doch nicht<lb/> in ihrer Hoffnung irre machen, vertraute feſt auf die Verhei¬<lb/> ßung Gottes, daß jener ihr Ehemann werden ſolle, um ſie<lb/> fuͤr die vielen, vom erſten Manne erduldeten Leiden ſchadlos<lb/> zu halten, und ſie zu den liebenden Bruͤdern und Schweſtern<lb/> zuruͤckzufuͤhren. Je mehr Kraͤnkungen ſie hieruͤber erdulden<lb/> mußte, um ſo eifriger betete ſie fuͤr ihren Auserwaͤhlten.</p><lb/> <p>Es iſt nicht mehr auszumitteln, welche von beiden nach¬<lb/> folgenden Viſionen, in denen ihr religioͤſer Wahn zur hoͤchſten<lb/> Entwickelung kam, ihr zuerſt zu Theil wurde. Einſt lag ſie<lb/> in ihrer Wohnung mit Fußgeſchwuͤren behaftet im Bette, als<lb/> das Gefuͤhl ihrer ſchweren Leiden ſich ihr in einem Schreckbil¬<lb/> de von Flammen, in denen ſie die Hoͤlle zu ſehen glaubte,<lb/> reflectirte; der ganze Himmel, ſo weit ſie ihn aus dem Fen¬<lb/> ſter ſehen konnte, ſtellte eine unermeßliche Feuersbrunſt dar,<lb/> in welcher ſie eine wirbelnde Erſcheinung ohne beſtimmte Ge¬<lb/> ſtalt, von ihr eine ſchwebende Seele genannt, wahrzunehmen<lb/> glaubte. Nicht nur empfand ſie dabei einen brennenden<lb/> Schmerz in den Geſchwuͤren, ſondern ſie fuͤhlte auch zugleich<lb/> die ewige Hoͤllenpein, durch welche Gott ihr ankuͤndigte, ſie<lb/> ſolle die Menſchen zur Buße und Beſſerung auffordern, da¬<lb/> mit ſie nicht auf immer in den Feuerpfuhl geriethen. Da<lb/> jene Viſion etwa ¼ Stunde dauerte, ſo machte ſie einen ſo<lb/> tiefen Eindruck auf die F., daß ſie nicht ſaͤumen zu duͤrfen<lb/> glaubte, den ihr vom Himmel gegebenen Auftrag zu erfuͤllen,<lb/> wodurch ſie ſich eine neue Verhoͤhnung vom Uhrmacher zuzog,<lb/> durch welchen ſie ihre Verkuͤndigung an die uͤbrigen Menſchen<lb/> gelangen laſſen wollte. Sie nennt dieſe Erſcheinung ihre<lb/> zweite Hoͤllenfahrt, indem ſie ihre durch das Herzensbuch ver¬<lb/> anlaßte Angſt als die erſte bezeichnet. Etwa um dieſelbe Zeit<lb/> glaubte ſie aber auch eine Himmelfahrt angetreten zu haben,<lb/> nachdem ſie im Schooße ihrer Mutter gelegen hatte. Sie ſah<lb/> dieſelbe nicht, empfand aber ein ungemein behagliches Gefuͤhl,<lb/> als ob ſie in Sammt und Seide gebettet waͤre, und eine in¬<lb/> nere Stimme ſagte ihr, wo ſie ſich befaͤnde. Da ſie zugleich<lb/> koͤrperlich ſehr leidend war, ſo kam es ihr vor, als ob ſie<lb/> geſtorben, und in einem Sarge von Engeln in den Himmel<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [114/0122]
nung auf einige hundert Thaler ſich belaufen ſollte, zu erlan¬
gen. Mit rauhen Worten abgewieſen, ließ ſie ſich doch nicht
in ihrer Hoffnung irre machen, vertraute feſt auf die Verhei¬
ßung Gottes, daß jener ihr Ehemann werden ſolle, um ſie
fuͤr die vielen, vom erſten Manne erduldeten Leiden ſchadlos
zu halten, und ſie zu den liebenden Bruͤdern und Schweſtern
zuruͤckzufuͤhren. Je mehr Kraͤnkungen ſie hieruͤber erdulden
mußte, um ſo eifriger betete ſie fuͤr ihren Auserwaͤhlten.
Es iſt nicht mehr auszumitteln, welche von beiden nach¬
folgenden Viſionen, in denen ihr religioͤſer Wahn zur hoͤchſten
Entwickelung kam, ihr zuerſt zu Theil wurde. Einſt lag ſie
in ihrer Wohnung mit Fußgeſchwuͤren behaftet im Bette, als
das Gefuͤhl ihrer ſchweren Leiden ſich ihr in einem Schreckbil¬
de von Flammen, in denen ſie die Hoͤlle zu ſehen glaubte,
reflectirte; der ganze Himmel, ſo weit ſie ihn aus dem Fen¬
ſter ſehen konnte, ſtellte eine unermeßliche Feuersbrunſt dar,
in welcher ſie eine wirbelnde Erſcheinung ohne beſtimmte Ge¬
ſtalt, von ihr eine ſchwebende Seele genannt, wahrzunehmen
glaubte. Nicht nur empfand ſie dabei einen brennenden
Schmerz in den Geſchwuͤren, ſondern ſie fuͤhlte auch zugleich
die ewige Hoͤllenpein, durch welche Gott ihr ankuͤndigte, ſie
ſolle die Menſchen zur Buße und Beſſerung auffordern, da¬
mit ſie nicht auf immer in den Feuerpfuhl geriethen. Da
jene Viſion etwa ¼ Stunde dauerte, ſo machte ſie einen ſo
tiefen Eindruck auf die F., daß ſie nicht ſaͤumen zu duͤrfen
glaubte, den ihr vom Himmel gegebenen Auftrag zu erfuͤllen,
wodurch ſie ſich eine neue Verhoͤhnung vom Uhrmacher zuzog,
durch welchen ſie ihre Verkuͤndigung an die uͤbrigen Menſchen
gelangen laſſen wollte. Sie nennt dieſe Erſcheinung ihre
zweite Hoͤllenfahrt, indem ſie ihre durch das Herzensbuch ver¬
anlaßte Angſt als die erſte bezeichnet. Etwa um dieſelbe Zeit
glaubte ſie aber auch eine Himmelfahrt angetreten zu haben,
nachdem ſie im Schooße ihrer Mutter gelegen hatte. Sie ſah
dieſelbe nicht, empfand aber ein ungemein behagliches Gefuͤhl,
als ob ſie in Sammt und Seide gebettet waͤre, und eine in¬
nere Stimme ſagte ihr, wo ſie ſich befaͤnde. Da ſie zugleich
koͤrperlich ſehr leidend war, ſo kam es ihr vor, als ob ſie
geſtorben, und in einem Sarge von Engeln in den Himmel
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