Ideler, Karl Wilhelm: Der religiöse Wahnsinn, erläutert durch Krankengeschichten. Ein Beitrag zur Geschichte der religiösen Wirren der Gegenwart. Halle (Saale), 1847.fürchterliche Teufelsgestalt, aus deren Munde und Augen Flam¬ Nach einigen Tagen wurde er in die Irrenabtheilung fuͤrchterliche Teufelsgeſtalt, aus deren Munde und Augen Flam¬ Nach einigen Tagen wurde er in die Irrenabtheilung <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0159" n="151"/> fuͤrchterliche Teufelsgeſtalt, aus deren Munde und Augen Flam¬<lb/> men hervorwirbelten, und deren Stirn mit Hoͤrnern beſetzt<lb/> war, ihm erſchien, und die Krallen nach ſeinem Kopfe aus¬<lb/> ſtreckte, um ihn an den Haaren zu packen und in die Hoͤlle<lb/> zu ſchleppen. H. glaubte von den Flammen erreicht zu wer¬<lb/> den, und empfand deshalb einen heftig brennenden Schmerz.<lb/> Bald wurde ſeine Quaal ſo unertraͤglich, das er an das Ufer<lb/> der Spree eilte, ſich die Kleider vom Leibe riß, und im Be¬<lb/> griff ſtand in den Fluß zu ſpringen, als er verhaftet, und in<lb/> das Polizeigefaͤngniß gebracht wurde. Von dem Aufenthalte<lb/> in demſelben iſt ihm nur ſo viel erinnerlich, daß er faſt un¬<lb/> unterbrochen von Teufelserſcheinungen gequaͤlt wurde, woruͤber<lb/> er in Jammern und Wehklagen ausbrach, welches Veranlaſ¬<lb/> ſung gab, daß ſeine Mitgefangenen, wohl groͤßtentheils ein<lb/> roher Haufe, ihn verſpotteten. Dies, ſo wie ihre Menge, welche<lb/> ihm in ſeiner verzweifelnden Stimmung als drohend und un¬<lb/> heilverkuͤndend vorkommen mußte, weckte in ihm die Vorſtel¬<lb/> lung, daß er verfolgt und fuͤr ſeine Suͤnden beſtraft werde.<lb/> Beſonders arg ſetzten ihm die Teufel, welche ihn oft in gan¬<lb/> zen Schaaren unter derſelben fuͤrchterlichen Geſtalt erſchienen,<lb/> des Nachts zu, ſo daß er dann vor Angſt laut ſchrie.</p><lb/> <p>Nach einigen Tagen wurde er in die Irrenabtheilung<lb/> verſetzt, woſelbſt ſein Zuſtand ſich im Weſentlichen auf dieſelbe<lb/> Weiſe darſtellte. In Folge des Branntweintrinkens und ſei¬<lb/> ner ſinnloſen Angſt zeigte er jenen Ausdruck von Stupiditaͤt,<lb/> welche das Zeichen eines Stockens der geſammten Geiſtesthaͤ¬<lb/> tigkeit iſt, wo entweder eine voͤllige Nacht uͤber das Bewußt¬<lb/> ſein ſich ausbreitet, oder nur einzelne Traumbilder vor dem<lb/> geiſtigen Auge weilen, an denen der Menſch weder uͤber ſich,<lb/> noch uͤber die Welt zur Beſinnung kommen kann. Erwaͤgt<lb/> man, daß bei wahnſinnigen Branntweintrinkern die Thaͤtigkeit<lb/> des Gehirns und Nervenſyſtems durch die zerſtoͤrend narkotiſche<lb/> Wirkung des Alkohols in einer wahren Aufloͤſung begriffen iſt,<lb/> welche unfehlbar den Tod nach ſich zieht, wenn nicht dem ein¬<lb/> reißenden Verderben Einhalt geſchieht; ſo duͤrfte das Bild<lb/> nicht zu kuͤhn ſein, welches ihren Zuſtand mit einem faulen¬<lb/> den Sumpfe vergleicht, aus welchem in der Nacht einzelne<lb/> Irrlichter aufblitzen, zum Zeichen, daß in ihnen eine Fuͤlle<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [151/0159]
fuͤrchterliche Teufelsgeſtalt, aus deren Munde und Augen Flam¬
men hervorwirbelten, und deren Stirn mit Hoͤrnern beſetzt
war, ihm erſchien, und die Krallen nach ſeinem Kopfe aus¬
ſtreckte, um ihn an den Haaren zu packen und in die Hoͤlle
zu ſchleppen. H. glaubte von den Flammen erreicht zu wer¬
den, und empfand deshalb einen heftig brennenden Schmerz.
Bald wurde ſeine Quaal ſo unertraͤglich, das er an das Ufer
der Spree eilte, ſich die Kleider vom Leibe riß, und im Be¬
griff ſtand in den Fluß zu ſpringen, als er verhaftet, und in
das Polizeigefaͤngniß gebracht wurde. Von dem Aufenthalte
in demſelben iſt ihm nur ſo viel erinnerlich, daß er faſt un¬
unterbrochen von Teufelserſcheinungen gequaͤlt wurde, woruͤber
er in Jammern und Wehklagen ausbrach, welches Veranlaſ¬
ſung gab, daß ſeine Mitgefangenen, wohl groͤßtentheils ein
roher Haufe, ihn verſpotteten. Dies, ſo wie ihre Menge, welche
ihm in ſeiner verzweifelnden Stimmung als drohend und un¬
heilverkuͤndend vorkommen mußte, weckte in ihm die Vorſtel¬
lung, daß er verfolgt und fuͤr ſeine Suͤnden beſtraft werde.
Beſonders arg ſetzten ihm die Teufel, welche ihn oft in gan¬
zen Schaaren unter derſelben fuͤrchterlichen Geſtalt erſchienen,
des Nachts zu, ſo daß er dann vor Angſt laut ſchrie.
Nach einigen Tagen wurde er in die Irrenabtheilung
verſetzt, woſelbſt ſein Zuſtand ſich im Weſentlichen auf dieſelbe
Weiſe darſtellte. In Folge des Branntweintrinkens und ſei¬
ner ſinnloſen Angſt zeigte er jenen Ausdruck von Stupiditaͤt,
welche das Zeichen eines Stockens der geſammten Geiſtesthaͤ¬
tigkeit iſt, wo entweder eine voͤllige Nacht uͤber das Bewußt¬
ſein ſich ausbreitet, oder nur einzelne Traumbilder vor dem
geiſtigen Auge weilen, an denen der Menſch weder uͤber ſich,
noch uͤber die Welt zur Beſinnung kommen kann. Erwaͤgt
man, daß bei wahnſinnigen Branntweintrinkern die Thaͤtigkeit
des Gehirns und Nervenſyſtems durch die zerſtoͤrend narkotiſche
Wirkung des Alkohols in einer wahren Aufloͤſung begriffen iſt,
welche unfehlbar den Tod nach ſich zieht, wenn nicht dem ein¬
reißenden Verderben Einhalt geſchieht; ſo duͤrfte das Bild
nicht zu kuͤhn ſein, welches ihren Zuſtand mit einem faulen¬
den Sumpfe vergleicht, aus welchem in der Nacht einzelne
Irrlichter aufblitzen, zum Zeichen, daß in ihnen eine Fuͤlle
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