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Ideler, Karl Wilhelm: Der religiöse Wahnsinn, erläutert durch Krankengeschichten. Ein Beitrag zur Geschichte der religiösen Wirren der Gegenwart. Halle (Saale), 1847.

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helden hervorgelockt, durch den Kampf gestärkt, und durch
Ueberwindung ermuthigt. Auf dualistischem Standpunkte sah
Z. daher das Böse in der Welt als nothwendig an, indem
erst durch das Böse das Gute zur energischen Thätigkeit an¬
gespornt werde. Ja er hielt das Böse für eine Anordnung
Gottes, und kam zuletzt zu der Vorstellung, daß der Teufel
der maskirte Gott sei, und daß die Weltgeschichte ein gro߬
artiges Maskenspiel Gottes und seiner himmlischen Heerschaa¬
ren mit den Menschen darstelle. Es werde aber bald eine
Zeit kommen, in der die Masken abfielen. Der lichte, helle
Sonnenglanz Gottes müßte dem schwachen, blöden Auge des
Sterblichen zu übermächtig sein, so daß selbst das Helle ihm
zum Dunkeln und Schrecklichen werden könne. Da die Bi¬
bel sich mit diesen Ansichten nicht in Uebereinstimmung brin¬
gen ließ, so meinte Z., daß dieselbe voll Ironie sei, die der
Geist der Wahrheit, den Schriftstellern unbewußt, in die
Worte gelegt habe, damit man erst durch mühsames Forschen,
und durch muthige, keine Autorität fürchtende Entschlossenheit
in den verborgenen, fein angedeuteten Schriftsinn dringen solle.
Wie Christus der ins sündige Fleisch erniedrigte Gottessohn
sei, so wäre auch sein Wort, und sonach die Schrift die ins
Fleisch der Sünde und Lüge verstellte Wahrheit, die man erst
hinter dem Vorhange suchen müsse. Durch diese und ähnliche
Grübeleien wurde er im blinden Vertrauen zu seinem Geiste
bestärkt, daß er glaubte, gar nicht mehr sündigen zu können,
sondern absolut frei zu sein. Die formale Freiheit, in wel¬
cher der Mensch noch zwischen 2 entgegengesetzten Handlungs¬
weisen wählend schwanke, hielt er für eine Knechtschaft des
Geistes, welcher ohne Ueberlegung und Besonnenheit mit
Blitzesschnelle das Gute und Rechte treffen müsse.

Eine in dem von ihm bewohnten Hause ausgebrochene
Feuersbrunst versetzte ihn in heftigen Schreck; da er aber über¬
all Zeichen zu erkennen glaubte, welche von dem Weltgeiste
ihm zur Bestätigung seiner Gedanken und als Vorbote eines
nahen Umschwunges aller sichtbaren Verhältnisse gegeben wä¬
ren, so hielt er auch dies Feuer für das Vorspiel des zukünf¬
tigen Weltbrandes. Sein Zimmer und sein Bette war von
dem Löschen des Feuers ganz durchnäßt worden; anfangs hielt

helden hervorgelockt, durch den Kampf geſtaͤrkt, und durch
Ueberwindung ermuthigt. Auf dualiſtiſchem Standpunkte ſah
Z. daher das Boͤſe in der Welt als nothwendig an, indem
erſt durch das Boͤſe das Gute zur energiſchen Thaͤtigkeit an¬
geſpornt werde. Ja er hielt das Boͤſe fuͤr eine Anordnung
Gottes, und kam zuletzt zu der Vorſtellung, daß der Teufel
der maskirte Gott ſei, und daß die Weltgeſchichte ein gro߬
artiges Maskenſpiel Gottes und ſeiner himmliſchen Heerſchaa¬
ren mit den Menſchen darſtelle. Es werde aber bald eine
Zeit kommen, in der die Masken abfielen. Der lichte, helle
Sonnenglanz Gottes muͤßte dem ſchwachen, bloͤden Auge des
Sterblichen zu uͤbermaͤchtig ſein, ſo daß ſelbſt das Helle ihm
zum Dunkeln und Schrecklichen werden koͤnne. Da die Bi¬
bel ſich mit dieſen Anſichten nicht in Uebereinſtimmung brin¬
gen ließ, ſo meinte Z., daß dieſelbe voll Ironie ſei, die der
Geiſt der Wahrheit, den Schriftſtellern unbewußt, in die
Worte gelegt habe, damit man erſt durch muͤhſames Forſchen,
und durch muthige, keine Autoritaͤt fuͤrchtende Entſchloſſenheit
in den verborgenen, fein angedeuteten Schriftſinn dringen ſolle.
Wie Chriſtus der ins ſuͤndige Fleiſch erniedrigte Gottesſohn
ſei, ſo waͤre auch ſein Wort, und ſonach die Schrift die ins
Fleiſch der Suͤnde und Luͤge verſtellte Wahrheit, die man erſt
hinter dem Vorhange ſuchen muͤſſe. Durch dieſe und aͤhnliche
Gruͤbeleien wurde er im blinden Vertrauen zu ſeinem Geiſte
beſtaͤrkt, daß er glaubte, gar nicht mehr ſuͤndigen zu koͤnnen,
ſondern abſolut frei zu ſein. Die formale Freiheit, in wel¬
cher der Menſch noch zwiſchen 2 entgegengeſetzten Handlungs¬
weiſen waͤhlend ſchwanke, hielt er fuͤr eine Knechtſchaft des
Geiſtes, welcher ohne Ueberlegung und Beſonnenheit mit
Blitzesſchnelle das Gute und Rechte treffen muͤſſe.

Eine in dem von ihm bewohnten Hauſe ausgebrochene
Feuersbrunſt verſetzte ihn in heftigen Schreck; da er aber uͤber¬
all Zeichen zu erkennen glaubte, welche von dem Weltgeiſte
ihm zur Beſtaͤtigung ſeiner Gedanken und als Vorbote eines
nahen Umſchwunges aller ſichtbaren Verhaͤltniſſe gegeben waͤ¬
ren, ſo hielt er auch dies Feuer fuͤr das Vorſpiel des zukuͤnf¬
tigen Weltbrandes. Sein Zimmer und ſein Bette war von
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[207/0215] helden hervorgelockt, durch den Kampf geſtaͤrkt, und durch Ueberwindung ermuthigt. Auf dualiſtiſchem Standpunkte ſah Z. daher das Boͤſe in der Welt als nothwendig an, indem erſt durch das Boͤſe das Gute zur energiſchen Thaͤtigkeit an¬ geſpornt werde. Ja er hielt das Boͤſe fuͤr eine Anordnung Gottes, und kam zuletzt zu der Vorſtellung, daß der Teufel der maskirte Gott ſei, und daß die Weltgeſchichte ein gro߬ artiges Maskenſpiel Gottes und ſeiner himmliſchen Heerſchaa¬ ren mit den Menſchen darſtelle. Es werde aber bald eine Zeit kommen, in der die Masken abfielen. Der lichte, helle Sonnenglanz Gottes muͤßte dem ſchwachen, bloͤden Auge des Sterblichen zu uͤbermaͤchtig ſein, ſo daß ſelbſt das Helle ihm zum Dunkeln und Schrecklichen werden koͤnne. Da die Bi¬ bel ſich mit dieſen Anſichten nicht in Uebereinſtimmung brin¬ gen ließ, ſo meinte Z., daß dieſelbe voll Ironie ſei, die der Geiſt der Wahrheit, den Schriftſtellern unbewußt, in die Worte gelegt habe, damit man erſt durch muͤhſames Forſchen, und durch muthige, keine Autoritaͤt fuͤrchtende Entſchloſſenheit in den verborgenen, fein angedeuteten Schriftſinn dringen ſolle. Wie Chriſtus der ins ſuͤndige Fleiſch erniedrigte Gottesſohn ſei, ſo waͤre auch ſein Wort, und ſonach die Schrift die ins Fleiſch der Suͤnde und Luͤge verſtellte Wahrheit, die man erſt hinter dem Vorhange ſuchen muͤſſe. Durch dieſe und aͤhnliche Gruͤbeleien wurde er im blinden Vertrauen zu ſeinem Geiſte beſtaͤrkt, daß er glaubte, gar nicht mehr ſuͤndigen zu koͤnnen, ſondern abſolut frei zu ſein. Die formale Freiheit, in wel¬ cher der Menſch noch zwiſchen 2 entgegengeſetzten Handlungs¬ weiſen waͤhlend ſchwanke, hielt er fuͤr eine Knechtſchaft des Geiſtes, welcher ohne Ueberlegung und Beſonnenheit mit Blitzesſchnelle das Gute und Rechte treffen muͤſſe. Eine in dem von ihm bewohnten Hauſe ausgebrochene Feuersbrunſt verſetzte ihn in heftigen Schreck; da er aber uͤber¬ all Zeichen zu erkennen glaubte, welche von dem Weltgeiſte ihm zur Beſtaͤtigung ſeiner Gedanken und als Vorbote eines nahen Umſchwunges aller ſichtbaren Verhaͤltniſſe gegeben waͤ¬ ren, ſo hielt er auch dies Feuer fuͤr das Vorſpiel des zukuͤnf¬ tigen Weltbrandes. Sein Zimmer und ſein Bette war von dem Loͤſchen des Feuers ganz durchnaͤßt worden; anfangs hielt

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Zitationshilfe: Ideler, Karl Wilhelm: Der religiöse Wahnsinn, erläutert durch Krankengeschichten. Ein Beitrag zur Geschichte der religiösen Wirren der Gegenwart. Halle (Saale), 1847, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ideler_wahnsinn_1847/215>, abgerufen am 24.11.2024.