Ideler, Karl Wilhelm: Der religiöse Wahnsinn, erläutert durch Krankengeschichten. Ein Beitrag zur Geschichte der religiösen Wirren der Gegenwart. Halle (Saale), 1847.tenen fieberhaften Spannung des Gemüths oft ein Plan zur Inzwischen dauerte die innere Gährung in ihm fort, tenen fieberhaften Spannung des Gemuͤths oft ein Plan zur Inzwiſchen dauerte die innere Gaͤhrung in ihm fort, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0220" n="212"/> tenen fieberhaften Spannung des Gemuͤths oft ein Plan zur<lb/> Weltverbeſſerung ausgebruͤtet, zu deſſen Ausfuͤhrung der Phan¬<lb/> taſt beſtimmt zu ſein glaubt, weshalb er die Forderung gel¬<lb/> tend macht, an die Spitze des ganzen Menſchengeſchlechts als<lb/> deſſen Orakel oder Beherrſcher zu treten. Unſer S. wurde um<lb/> ſo mehr zu dieſem erhabenen Selbſtgefuͤhle verlockt, da ihm<lb/> waͤhrend eines Wachtdienſtes, den er als freiwilliger Jaͤger zu<lb/> leiſten hatte, zur Nachtzeit der Himmel ſich aufthat, und die<lb/> Hand eines Unſichtbaren eine brennende Fackel zu ihm herab¬<lb/> reichte. Deutlicher als durch dieſe Offenbarung konnte ihm<lb/> ſein glanzvoller Beruf nicht angekuͤndigt werden. Wie ſich nun<lb/> das Bewußtſein deſſelben immer lebendiger bei ihm heraus¬<lb/> geſtaltete, moͤchte ſich um ſo weniger im Einzelnen nachweiſen<lb/> laſſen, je unfaͤhiger er war, eine praͤciſe Geſchichte ſeiner ge¬<lb/> heimen Lucubrationen zu entwerfen. Auch war ſein beſchauli¬<lb/> ches Leben noch viel zu ſehr mit irdiſchen Intereſſen vermengt,<lb/> denn er gruͤndete einige Jahre ſpaͤter in einer Provinzialſtadt<lb/> eine Handlung, welche er in einen bluͤhenden Stand ſetzte;<lb/> uͤberdies verheirathete er ſich, trennte ſich aber nach kinderloſer<lb/> Ehe wieder von ſeiner Gattin, welche bei ihrem ſchwaͤrmeriſchen<lb/> Lebensgefaͤhrten wahrſcheinlich keine Befriedigung gefunden hatte.</p><lb/> <p>Inzwiſchen dauerte die innere Gaͤhrung in ihm fort,<lb/> welche, da ſie nicht durch andere und maͤchtigere Intereſſen er¬<lb/> ſtickt wurde, zu irgend einem Ausbruche kommen mußte. Meh¬<lb/> rere Jahre hindurch fand dieſelbe ihren Ausfluß nur durch die<lb/> Feder; er bezeichnet ſelbſt einen fruͤhzeitigen, aber verungluͤck¬<lb/> ten ſchriftſtelleriſchen Verſuch, dem im Jahre 1826 ein ande¬<lb/> rer unter dem Titel: Staat, Kirche und Philoſophie, folgen<lb/> ſollte, aber, wie er ſich ausdruͤckt, durch Mißverſtaͤndniſſe von<lb/> Seiten der Cenſurbehoͤrde confiscirt wurde. Ohne ſich hierdurch<lb/> irre machen zu laſſen, gab er im Jahre 1830 eine Schrift un¬<lb/> ter dem Titel: das Reich Gottes auf Erden, heraus. Schon<lb/> die Inhaltsanzeige ergiebt, daß auf 210 Seiten faſt alle Probleme<lb/> zur Sprache gebracht werden, mit denen ſich die Denker von<lb/> jeher beſchaͤftigt haben. Im erſten Theile iſt naͤmlich von der<lb/> Politik, von dem Staate nach ſeinen organiſchen und intel¬<lb/> lectuellen Kraͤften und von der Kirche die Rede. Den zwei¬<lb/> ten Theil leiten Betrachtungen uͤber Recht und Philoſophie<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [212/0220]
tenen fieberhaften Spannung des Gemuͤths oft ein Plan zur
Weltverbeſſerung ausgebruͤtet, zu deſſen Ausfuͤhrung der Phan¬
taſt beſtimmt zu ſein glaubt, weshalb er die Forderung gel¬
tend macht, an die Spitze des ganzen Menſchengeſchlechts als
deſſen Orakel oder Beherrſcher zu treten. Unſer S. wurde um
ſo mehr zu dieſem erhabenen Selbſtgefuͤhle verlockt, da ihm
waͤhrend eines Wachtdienſtes, den er als freiwilliger Jaͤger zu
leiſten hatte, zur Nachtzeit der Himmel ſich aufthat, und die
Hand eines Unſichtbaren eine brennende Fackel zu ihm herab¬
reichte. Deutlicher als durch dieſe Offenbarung konnte ihm
ſein glanzvoller Beruf nicht angekuͤndigt werden. Wie ſich nun
das Bewußtſein deſſelben immer lebendiger bei ihm heraus¬
geſtaltete, moͤchte ſich um ſo weniger im Einzelnen nachweiſen
laſſen, je unfaͤhiger er war, eine praͤciſe Geſchichte ſeiner ge¬
heimen Lucubrationen zu entwerfen. Auch war ſein beſchauli¬
ches Leben noch viel zu ſehr mit irdiſchen Intereſſen vermengt,
denn er gruͤndete einige Jahre ſpaͤter in einer Provinzialſtadt
eine Handlung, welche er in einen bluͤhenden Stand ſetzte;
uͤberdies verheirathete er ſich, trennte ſich aber nach kinderloſer
Ehe wieder von ſeiner Gattin, welche bei ihrem ſchwaͤrmeriſchen
Lebensgefaͤhrten wahrſcheinlich keine Befriedigung gefunden hatte.
Inzwiſchen dauerte die innere Gaͤhrung in ihm fort,
welche, da ſie nicht durch andere und maͤchtigere Intereſſen er¬
ſtickt wurde, zu irgend einem Ausbruche kommen mußte. Meh¬
rere Jahre hindurch fand dieſelbe ihren Ausfluß nur durch die
Feder; er bezeichnet ſelbſt einen fruͤhzeitigen, aber verungluͤck¬
ten ſchriftſtelleriſchen Verſuch, dem im Jahre 1826 ein ande¬
rer unter dem Titel: Staat, Kirche und Philoſophie, folgen
ſollte, aber, wie er ſich ausdruͤckt, durch Mißverſtaͤndniſſe von
Seiten der Cenſurbehoͤrde confiscirt wurde. Ohne ſich hierdurch
irre machen zu laſſen, gab er im Jahre 1830 eine Schrift un¬
ter dem Titel: das Reich Gottes auf Erden, heraus. Schon
die Inhaltsanzeige ergiebt, daß auf 210 Seiten faſt alle Probleme
zur Sprache gebracht werden, mit denen ſich die Denker von
jeher beſchaͤftigt haben. Im erſten Theile iſt naͤmlich von der
Politik, von dem Staate nach ſeinen organiſchen und intel¬
lectuellen Kraͤften und von der Kirche die Rede. Den zwei¬
ten Theil leiten Betrachtungen uͤber Recht und Philoſophie
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