Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Iffland, August Wilhelm: Die Jäger. Berlin, 1785.

Bild:
<< vorherige Seite
nur etliche Groschen von jenem Vermögen verwandt
sind: so drücken sie schwer.
Amtmann. Lieber, heftiger Mann -- was kann
ich dabei thun? Der Schlendrian ist alt -- ich kann
ihn nicht heben -- man muß Geduld haben!
Obfstr. Wie zum Teufel! soll es ein ehrlicher Mann
mit seinem Gewissen machen? Warheit ist nicht War-
heit. Wer klagt, wird ausgelacht. Wem der Kopf
brennt über einen Schurkenstreich, ist ein Tollkopf.
Drinn hauen, soll man nicht. Was denn? Schwei-
gen, lügen, unbarmherzig, feig sein -- oder mit stehlen
und rauben, drüber und drunter.
Amtmann. Mein guter Mann -- das war der
Welt Lauf von Anbeginn, und wirds auch wohl blei-
ben bis ans Ende.
Obfstr. -- Herr -- ich glaube, Sie haben Recht.
Amtmann. O gewiß!
Obfstr. Wenn ich nicht gewiß glaubte, daß ich zu
wichtigerer Ursach auf der Welt bin, als mich zu plagen
und zu verwesen; daß einmal an einem andern Orte
gleich gemacht wird, was hier ungleich bleibt -- wenn
ich das nicht mit fröhlichem Muthe glaubte: so könnte
ich mit einem Schurken nicht drei Minuten allein sein,
nur etliche Groſchen von jenem Vermoͤgen verwandt
ſind: ſo druͤcken ſie ſchwer.
Amtmann. Lieber, heftiger Mann — was kann
ich dabei thun? Der Schlendrian iſt alt — ich kann
ihn nicht heben — man muß Geduld haben!
Obfſtr. Wie zum Teufel! ſoll es ein ehrlicher Mann
mit ſeinem Gewiſſen machen? Warheit iſt nicht War-
heit. Wer klagt, wird ausgelacht. Wem der Kopf
brennt uͤber einen Schurkenſtreich, iſt ein Tollkopf.
Drinn hauen, ſoll man nicht. Was denn? Schwei-
gen, luͤgen, unbarmherzig, feig ſein — oder mit ſtehlen
und rauben, druͤber und drunter.
Amtmann. Mein guter Mann — das war der
Welt Lauf von Anbeginn, und wirds auch wohl blei-
ben bis ans Ende.
Obfſtr. — Herr — ich glaube, Sie haben Recht.
Amtmann. O gewiß!
Obfſtr. Wenn ich nicht gewiß glaubte, daß ich zu
wichtigerer Urſach auf der Welt bin, als mich zu plagen
und zu verweſen; daß einmal an einem andern Orte
gleich gemacht wird, was hier ungleich bleibt — wenn
ich das nicht mit froͤhlichem Muthe glaubte: ſo koͤnnte
ich mit einem Schurken nicht drei Minuten allein ſein,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <sp who="#OBE">
            <p><pb facs="#f0126" n="120"/>
nur etliche Gro&#x017F;chen von jenem Vermo&#x0364;gen verwandt<lb/>
&#x017F;ind: &#x017F;o dru&#x0364;cken &#x017F;ie &#x017F;chwer.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#AMT">
            <speaker>Amtmann.</speaker>
            <p>Lieber, heftiger Mann &#x2014; was kann<lb/>
ich dabei thun? Der Schlendrian i&#x017F;t alt &#x2014; ich kann<lb/>
ihn nicht heben &#x2014; man muß Geduld haben!</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#OBE">
            <speaker>Obf&#x017F;tr.</speaker>
            <p>Wie zum Teufel! &#x017F;oll es ein ehrlicher Mann<lb/>
mit &#x017F;einem Gewi&#x017F;&#x017F;en machen? Warheit i&#x017F;t nicht War-<lb/>
heit. Wer klagt, wird ausgelacht. Wem der Kopf<lb/>
brennt u&#x0364;ber einen Schurken&#x017F;treich, i&#x017F;t ein Tollkopf.<lb/>
Drinn hauen, &#x017F;oll man nicht. Was <hi rendition="#g">denn</hi>? Schwei-<lb/>
gen, lu&#x0364;gen, unbarmherzig, feig &#x017F;ein &#x2014; oder mit &#x017F;tehlen<lb/>
und rauben, dru&#x0364;ber und drunter.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#AMT">
            <speaker>Amtmann.</speaker>
            <p>Mein guter Mann &#x2014; das war der<lb/>
Welt Lauf von Anbeginn, und wirds auch wohl blei-<lb/>
ben bis ans Ende.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#OBE">
            <speaker>Obf&#x017F;tr.</speaker>
            <p>&#x2014; Herr &#x2014; ich glaube, Sie haben Recht.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#AMT">
            <speaker>Amtmann.</speaker>
            <p>O gewiß!</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#OBE">
            <speaker>Obf&#x017F;tr.</speaker>
            <p>Wenn ich nicht gewiß glaubte, daß ich zu<lb/>
wichtigerer Ur&#x017F;ach auf der Welt bin, als mich zu plagen<lb/>
und zu verwe&#x017F;en; daß einmal an einem andern Orte<lb/>
gleich gemacht wird, was hier ungleich bleibt &#x2014; wenn<lb/>
ich das nicht mit fro&#x0364;hlichem Muthe glaubte: &#x017F;o ko&#x0364;nnte<lb/>
ich mit einem Schurken nicht drei Minuten allein &#x017F;ein,<lb/></p>
          </sp>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[120/0126] nur etliche Groſchen von jenem Vermoͤgen verwandt ſind: ſo druͤcken ſie ſchwer. Amtmann. Lieber, heftiger Mann — was kann ich dabei thun? Der Schlendrian iſt alt — ich kann ihn nicht heben — man muß Geduld haben! Obfſtr. Wie zum Teufel! ſoll es ein ehrlicher Mann mit ſeinem Gewiſſen machen? Warheit iſt nicht War- heit. Wer klagt, wird ausgelacht. Wem der Kopf brennt uͤber einen Schurkenſtreich, iſt ein Tollkopf. Drinn hauen, ſoll man nicht. Was denn? Schwei- gen, luͤgen, unbarmherzig, feig ſein — oder mit ſtehlen und rauben, druͤber und drunter. Amtmann. Mein guter Mann — das war der Welt Lauf von Anbeginn, und wirds auch wohl blei- ben bis ans Ende. Obfſtr. — Herr — ich glaube, Sie haben Recht. Amtmann. O gewiß! Obfſtr. Wenn ich nicht gewiß glaubte, daß ich zu wichtigerer Urſach auf der Welt bin, als mich zu plagen und zu verweſen; daß einmal an einem andern Orte gleich gemacht wird, was hier ungleich bleibt — wenn ich das nicht mit froͤhlichem Muthe glaubte: ſo koͤnnte ich mit einem Schurken nicht drei Minuten allein ſein,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/iffland_jaeger_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/iffland_jaeger_1785/126
Zitationshilfe: Iffland, August Wilhelm: Die Jäger. Berlin, 1785, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/iffland_jaeger_1785/126>, abgerufen am 04.12.2024.