Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Iffland, August Wilhelm: Die Jäger. Berlin, 1785.

Bild:
<< vorherige Seite
-- ist die allgemeine Empfindung. Der Richter ist
Mensch -- Diese Stimmung theilt sich ihm mit, läßt
Handlungen beschliessen, gegen welche das spätere Mit-
leid kraftlos ist! -- In diesem Fall waren Sie, als
Sie den Bericht gegen den Unglücklichen machten. --
Hier wo Sie stehen -- an diesem Tische, wo Sie vor
wenig Minuten von der liebenswürdigen Familie um-
geben waren -- hier müssen gewisse Erinnerungen eine
sanftere Stimmung bewirken. -- -- Hier -- hier lesen
Sie Ihren Bericht noch einmal, und sagt Ihr Herz
Ihnen hier nichts ---- so schicken Sie ihn fort und
beten für die Unglücklichen um Trost!
Amtmann. Sie irren sich, mein Herr, Sie irren
sich. Dies empfindsam ausgesonnene Stückchen darf
den Richter nicht beugen.
Pastor. Sein Sie immer rauh und hart -- mich
beleidiget nichts -- es gilt ein Menschenleben!
Amtmann. Habe ich nicht genug gethan, da ich
verstatte, daß er hieher kömmt?
Pastor. Viel -- darum erwarte ich Alles.
Amtmann. Schreien nicht alle Beweise laut ge-
gen ihn?
Pastor. Die Beweise sind Geschrei; eben darum
sind sie mir verdächtig.
— iſt die allgemeine Empfindung. Der Richter iſt
Menſch — Dieſe Stimmung theilt ſich ihm mit, laͤßt
Handlungen beſchlieſſen, gegen welche das ſpaͤtere Mit-
leid kraftlos iſt! — In dieſem Fall waren Sie, als
Sie den Bericht gegen den Ungluͤcklichen machten. —
Hier wo Sie ſtehen — an dieſem Tiſche, wo Sie vor
wenig Minuten von der liebenswuͤrdigen Familie um-
geben waren — hier muͤſſen gewiſſe Erinnerungen eine
ſanftere Stimmung bewirken. — — Hier — hier leſen
Sie Ihren Bericht noch einmal, und ſagt Ihr Herz
Ihnen hier nichts —— ſo ſchicken Sie ihn fort und
beten fuͤr die Ungluͤcklichen um Troſt!
Amtmann. Sie irren ſich, mein Herr, Sie irren
ſich. Dies empfindſam ausgeſonnene Stuͤckchen darf
den Richter nicht beugen.
Paſtor. Sein Sie immer rauh und hart — mich
beleidiget nichts — es gilt ein Menſchenleben!
Amtmann. Habe ich nicht genug gethan, da ich
verſtatte, daß er hieher koͤmmt?
Paſtor. Viel — darum erwarte ich Alles.
Amtmann. Schreien nicht alle Beweiſe laut ge-
gen ihn?
Paſtor. Die Beweiſe ſind Geſchrei; eben darum
ſind ſie mir verdaͤchtig.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <sp who="#PAS">
            <p><pb facs="#f0176" n="170"/>
&#x2014; i&#x017F;t die allgemeine Empfindung. Der Richter i&#x017F;t<lb/>
Men&#x017F;ch &#x2014; Die&#x017F;e Stimmung theilt &#x017F;ich ihm mit, la&#x0364;ßt<lb/>
Handlungen be&#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en, gegen welche das &#x017F;pa&#x0364;tere Mit-<lb/>
leid kraftlos i&#x017F;t! &#x2014; In die&#x017F;em Fall waren Sie, als<lb/>
Sie den Bericht gegen den Unglu&#x0364;cklichen machten. &#x2014;<lb/>
Hier wo Sie &#x017F;tehen &#x2014; an die&#x017F;em Ti&#x017F;che, wo Sie vor<lb/>
wenig Minuten von der liebenswu&#x0364;rdigen Familie um-<lb/>
geben waren &#x2014; hier mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en gewi&#x017F;&#x017F;e Erinnerungen eine<lb/>
&#x017F;anftere Stimmung bewirken. &#x2014; &#x2014; Hier &#x2014; hier le&#x017F;en<lb/>
Sie Ihren Bericht noch einmal, und &#x017F;agt Ihr Herz<lb/>
Ihnen hier nichts &#x2014;&#x2014; &#x017F;o &#x017F;chicken Sie ihn fort und<lb/>
beten fu&#x0364;r die Unglu&#x0364;cklichen um Tro&#x017F;t!</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#AMT">
            <speaker>Amtmann.</speaker>
            <p>Sie irren &#x017F;ich, mein Herr, Sie irren<lb/>
&#x017F;ich. Dies empfind&#x017F;am ausge&#x017F;onnene Stu&#x0364;ckchen darf<lb/>
den Richter nicht beugen.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#PAS">
            <speaker>Pa&#x017F;tor.</speaker>
            <p>Sein Sie immer rauh und hart &#x2014; mich<lb/>
beleidiget nichts &#x2014; es gilt ein Men&#x017F;chenleben!</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#AMT">
            <speaker>Amtmann.</speaker>
            <p>Habe ich nicht genug gethan, da ich<lb/>
ver&#x017F;tatte, daß er hieher ko&#x0364;mmt?</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#PAS">
            <speaker>Pa&#x017F;tor.</speaker>
            <p>Viel &#x2014; darum erwarte ich Alles.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#AMT">
            <speaker>Amtmann.</speaker>
            <p>Schreien nicht alle Bewei&#x017F;e laut ge-<lb/>
gen ihn?</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#PAS">
            <speaker>Pa&#x017F;tor.</speaker>
            <p>Die Bewei&#x017F;e &#x017F;ind <hi rendition="#g">Ge&#x017F;chrei</hi>; eben darum<lb/>
&#x017F;ind &#x017F;ie mir verda&#x0364;chtig.</p>
          </sp><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[170/0176] — iſt die allgemeine Empfindung. Der Richter iſt Menſch — Dieſe Stimmung theilt ſich ihm mit, laͤßt Handlungen beſchlieſſen, gegen welche das ſpaͤtere Mit- leid kraftlos iſt! — In dieſem Fall waren Sie, als Sie den Bericht gegen den Ungluͤcklichen machten. — Hier wo Sie ſtehen — an dieſem Tiſche, wo Sie vor wenig Minuten von der liebenswuͤrdigen Familie um- geben waren — hier muͤſſen gewiſſe Erinnerungen eine ſanftere Stimmung bewirken. — — Hier — hier leſen Sie Ihren Bericht noch einmal, und ſagt Ihr Herz Ihnen hier nichts —— ſo ſchicken Sie ihn fort und beten fuͤr die Ungluͤcklichen um Troſt! Amtmann. Sie irren ſich, mein Herr, Sie irren ſich. Dies empfindſam ausgeſonnene Stuͤckchen darf den Richter nicht beugen. Paſtor. Sein Sie immer rauh und hart — mich beleidiget nichts — es gilt ein Menſchenleben! Amtmann. Habe ich nicht genug gethan, da ich verſtatte, daß er hieher koͤmmt? Paſtor. Viel — darum erwarte ich Alles. Amtmann. Schreien nicht alle Beweiſe laut ge- gen ihn? Paſtor. Die Beweiſe ſind Geſchrei; eben darum ſind ſie mir verdaͤchtig.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/iffland_jaeger_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/iffland_jaeger_1785/176
Zitationshilfe: Iffland, August Wilhelm: Die Jäger. Berlin, 1785, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/iffland_jaeger_1785/176>, abgerufen am 04.12.2024.