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Immermann, Karl: Der Carneval und die Somnambüle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 139–273. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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wieder an den Winterconcerten Theil nehmen werden? In demselben Augenblicke hob die Flötenuhr an der Wand aus und spielte das Lied:

Es kann ja nicht immer so bleiben Hier unter dem wechselnden Mond.

Diese geringfügigen Umstände brachen, wie es wohl zu geschehen pflegt, die Herzen, welche unter schwereren Dingen sich aufrecht gehalten hatten. Lautweinend stürzten die Unglücklichen einander in die Arme, schluchzend rief Gustav: Laß uns zusammenbleiben! Sie weinte, als wollte sie sich in Thränen auflösen, und sagte dann leise, was Sidonie ihm gesagt hatte: Hätte ich dich früher gesehen! Sie lag wie ein armes Kind, an seine Brust geschmiegt, nie war sie so innig gewesen. Ja! du bleibst bei mir! rief er, von falscher Hoffnung getäuscht.

Sie richtete sich auf, trocknete ihre Augen und sprach gefaßt: Betrüge dich nicht! Ich will darin wenigstens verständiger sein, als die Meisten meines Geschlechts, daß ich nichts Zerstörtes mit eitler Mühe zu erhalten strebe. Wenn ich zurückdenke an das, was ich erfahren habe, so ergreift mich ein Ekel vor mir selbst. So sich betrügen zu können! Ein .... Pfui! der Mensch ist ein elendes Geschöpf! Siehst du wohl? Es geht nicht, und die Flötenuhr behält Recht. Soll ich mich ewig in meinem eignen Hause schämen müssen? Könnte das dich glücklich machen? Könnte eine Frau es ertragen? -- So treiben die Todten die Lebendigen

wieder an den Winterconcerten Theil nehmen werden? In demselben Augenblicke hob die Flötenuhr an der Wand aus und spielte das Lied:

Es kann ja nicht immer so bleiben Hier unter dem wechselnden Mond.

Diese geringfügigen Umstände brachen, wie es wohl zu geschehen pflegt, die Herzen, welche unter schwereren Dingen sich aufrecht gehalten hatten. Lautweinend stürzten die Unglücklichen einander in die Arme, schluchzend rief Gustav: Laß uns zusammenbleiben! Sie weinte, als wollte sie sich in Thränen auflösen, und sagte dann leise, was Sidonie ihm gesagt hatte: Hätte ich dich früher gesehen! Sie lag wie ein armes Kind, an seine Brust geschmiegt, nie war sie so innig gewesen. Ja! du bleibst bei mir! rief er, von falscher Hoffnung getäuscht.

Sie richtete sich auf, trocknete ihre Augen und sprach gefaßt: Betrüge dich nicht! Ich will darin wenigstens verständiger sein, als die Meisten meines Geschlechts, daß ich nichts Zerstörtes mit eitler Mühe zu erhalten strebe. Wenn ich zurückdenke an das, was ich erfahren habe, so ergreift mich ein Ekel vor mir selbst. So sich betrügen zu können! Ein .... Pfui! der Mensch ist ein elendes Geschöpf! Siehst du wohl? Es geht nicht, und die Flötenuhr behält Recht. Soll ich mich ewig in meinem eignen Hause schämen müssen? Könnte das dich glücklich machen? Könnte eine Frau es ertragen? — So treiben die Todten die Lebendigen

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[0135] wieder an den Winterconcerten Theil nehmen werden? In demselben Augenblicke hob die Flötenuhr an der Wand aus und spielte das Lied: Es kann ja nicht immer so bleiben Hier unter dem wechselnden Mond. Diese geringfügigen Umstände brachen, wie es wohl zu geschehen pflegt, die Herzen, welche unter schwereren Dingen sich aufrecht gehalten hatten. Lautweinend stürzten die Unglücklichen einander in die Arme, schluchzend rief Gustav: Laß uns zusammenbleiben! Sie weinte, als wollte sie sich in Thränen auflösen, und sagte dann leise, was Sidonie ihm gesagt hatte: Hätte ich dich früher gesehen! Sie lag wie ein armes Kind, an seine Brust geschmiegt, nie war sie so innig gewesen. Ja! du bleibst bei mir! rief er, von falscher Hoffnung getäuscht. Sie richtete sich auf, trocknete ihre Augen und sprach gefaßt: Betrüge dich nicht! Ich will darin wenigstens verständiger sein, als die Meisten meines Geschlechts, daß ich nichts Zerstörtes mit eitler Mühe zu erhalten strebe. Wenn ich zurückdenke an das, was ich erfahren habe, so ergreift mich ein Ekel vor mir selbst. So sich betrügen zu können! Ein .... Pfui! der Mensch ist ein elendes Geschöpf! Siehst du wohl? Es geht nicht, und die Flötenuhr behält Recht. Soll ich mich ewig in meinem eignen Hause schämen müssen? Könnte das dich glücklich machen? Könnte eine Frau es ertragen? — So treiben die Todten die Lebendigen

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T12:19:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Der Carneval und die Somnambüle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 139–273. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_carneval_1910/135>, abgerufen am 21.11.2024.