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Immermann, Karl: Der Carneval und die Somnambüle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 139–273. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Ich habe in der folgenden Nacht wenig geschlafen. Aus unruhigem Morgenschlummer durch das Tageslicht emporgeschreckt, glaubte ich geträumt zu haben, und als ich auf meinen Füßen stand, und als ich mich der Wirklichkeit dessen, was ich erlebt hatte, erinnerte, lös'te sich mir die Wirklichkeit in einen Traum auf. Ein Lohnkutscher meldete sich, der mich nach Frankfurt fahren wollte; ich hieß ihn seines Weges gehn, ich wollte, ich mußte heute noch in Ems bleiben; ich mußte mich ihr nahen, sie sehen, sprechen, meine Einbildungskraft war von nichts erfüllt, als von ihrem Bilde. Sollte ich mich ihr anmelden lassen? Dann lehnte sie vielleicht meinen Besuch ab. Mein Verlangen war zu heftig, ich wagte es auf ihren Unwillen hin, die Form zu verletzen. Nachdem ich die Gallakleider, die eigentlich bis Frankfurt hatten im Mantelsack bleiben sollen, hervorgeholt und vor dem Spiegel eine Toilette gemacht hatte, die, ich muß gestehen, sorgfältiger ausfiel, als gewöhnlich, schritt ich beklommen über den Gang zu ihrer Thüre. Ich horchte: Niemand sprach, sie war allein. Ich klopfte: Herein! rief die mir von gestern bekannte melodische Stimme.

Die Schöne saß morgenhaft-leichtgekleidet im Sopha. Sie erschrak, und meine Verlegenheit wurde durch ihren Anblick nicht geringer. Wie kommt es, mein Herr -- sagte sie erröthend, das Weitere erstarb ihr im Munde. Sie hatte sich erhoben, wir standen einander schweigend gegenüber. Endlich gelang es mir, mich zu fassen und

Ich habe in der folgenden Nacht wenig geschlafen. Aus unruhigem Morgenschlummer durch das Tageslicht emporgeschreckt, glaubte ich geträumt zu haben, und als ich auf meinen Füßen stand, und als ich mich der Wirklichkeit dessen, was ich erlebt hatte, erinnerte, lös'te sich mir die Wirklichkeit in einen Traum auf. Ein Lohnkutscher meldete sich, der mich nach Frankfurt fahren wollte; ich hieß ihn seines Weges gehn, ich wollte, ich mußte heute noch in Ems bleiben; ich mußte mich ihr nahen, sie sehen, sprechen, meine Einbildungskraft war von nichts erfüllt, als von ihrem Bilde. Sollte ich mich ihr anmelden lassen? Dann lehnte sie vielleicht meinen Besuch ab. Mein Verlangen war zu heftig, ich wagte es auf ihren Unwillen hin, die Form zu verletzen. Nachdem ich die Gallakleider, die eigentlich bis Frankfurt hatten im Mantelsack bleiben sollen, hervorgeholt und vor dem Spiegel eine Toilette gemacht hatte, die, ich muß gestehen, sorgfältiger ausfiel, als gewöhnlich, schritt ich beklommen über den Gang zu ihrer Thüre. Ich horchte: Niemand sprach, sie war allein. Ich klopfte: Herein! rief die mir von gestern bekannte melodische Stimme.

Die Schöne saß morgenhaft-leichtgekleidet im Sopha. Sie erschrak, und meine Verlegenheit wurde durch ihren Anblick nicht geringer. Wie kommt es, mein Herr — sagte sie erröthend, das Weitere erstarb ihr im Munde. Sie hatte sich erhoben, wir standen einander schweigend gegenüber. Endlich gelang es mir, mich zu fassen und

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T12:19:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T12:19:09Z)

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Der Carneval und die Somnambüle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 139–273. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_carneval_1910/30>, abgerufen am 21.11.2024.