Weise. Als die kleine Emerentia größer wurde, hörte sie ihre Mutter fast von nichts Andrem er- zählen, als von den Damen der Linien Schnuck- Muckelig und Schnuck-Puckelig, welche die Geliebten der Fürsten von Hechelkram gewesen waren. Die Mutter zeigte auch dem Kinde diese Damen unter den Familienbildnissen; lauter schöne Frauenzimmer mit hohen Frisuren, gelben, grünen oder rothen Adriennen, großen Blumensträußen und entblößten Schultern! Da sie nun immerfort von den Ge- liebten hörte, und die Frauenzimmerbildnisse ihr gar zu wohl gefielen, so setzte sie sich in den Kopf, daß sie ebenfalls zu einem solchen Berufe ausersehen sei, ein Gedanke, der noch mehr be- festigt wurde, als der Fürst Xaverius Nicodemus der Zweiundzwanzigste von Hechelkram das Schloß besuchte. Er nahm die damals dreizehnjährige Emerentia auf den Schooß, liebkoste ihr zärtlich, und fragte sie: Willst du mein Bräutchen wer- den? Sie bedachte sich nicht lange, sondern ver- setzte rasch: Ja, wie alle die Damen, die da hangen. Der Fürst hob die Kleine vom Schooße und sagte lächelnd zu ihrer Mutter: Ah, la petite Ingenue!
Weiſe. Als die kleine Emerentia größer wurde, hörte ſie ihre Mutter faſt von nichts Andrem er- zählen, als von den Damen der Linien Schnuck- Muckelig und Schnuck-Puckelig, welche die Geliebten der Fürſten von Hechelkram geweſen waren. Die Mutter zeigte auch dem Kinde dieſe Damen unter den Familienbildniſſen; lauter ſchöne Frauenzimmer mit hohen Friſuren, gelben, grünen oder rothen Adriennen, großen Blumenſträußen und entblößten Schultern! Da ſie nun immerfort von den Ge- liebten hörte, und die Frauenzimmerbildniſſe ihr gar zu wohl gefielen, ſo ſetzte ſie ſich in den Kopf, daß ſie ebenfalls zu einem ſolchen Berufe auserſehen ſei, ein Gedanke, der noch mehr be- feſtigt wurde, als der Fürſt Xaverius Nicodemus der Zweiundzwanzigſte von Hechelkram das Schloß beſuchte. Er nahm die damals dreizehnjährige Emerentia auf den Schooß, liebkoſte ihr zärtlich, und fragte ſie: Willſt du mein Bräutchen wer- den? Sie bedachte ſich nicht lange, ſondern ver- ſetzte raſch: Ja, wie alle die Damen, die da hangen. Der Fürſt hob die Kleine vom Schooße und ſagte lächelnd zu ihrer Mutter: Ah, la petite Ingenue!
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Weiſe. Als die kleine Emerentia größer wurde,
hörte ſie ihre Mutter faſt von nichts Andrem er-
zählen, als von den Damen der Linien Schnuck-
Muckelig und Schnuck-Puckelig, welche die Geliebten
der Fürſten von Hechelkram geweſen waren. Die
Mutter zeigte auch dem Kinde dieſe Damen unter
den Familienbildniſſen; lauter ſchöne Frauenzimmer
mit hohen Friſuren, gelben, grünen oder rothen
Adriennen, großen Blumenſträußen und entblößten
Schultern! Da ſie nun immerfort von den Ge-
liebten hörte, und die Frauenzimmerbildniſſe ihr
gar zu wohl gefielen, ſo ſetzte ſie ſich in den
Kopf, daß ſie ebenfalls zu einem ſolchen Berufe
auserſehen ſei, ein Gedanke, der noch mehr be-
feſtigt wurde, als der Fürſt Xaverius Nicodemus
der Zweiundzwanzigſte von Hechelkram das Schloß
beſuchte. Er nahm die damals dreizehnjährige
Emerentia auf den Schooß, liebkoſte ihr zärtlich,
und fragte ſie: Willſt du mein Bräutchen wer-
den? Sie bedachte ſich nicht lange, ſondern ver-
ſetzte raſch: Ja, wie alle die Damen, die da
hangen. Der Fürſt hob die Kleine vom Schooße
und ſagte lächelnd zu ihrer Mutter: Ah, la petite
Ingenue!
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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/117>, abgerufen am 18.12.2024.
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