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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838.

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Weise. Als die kleine Emerentia größer wurde,
hörte sie ihre Mutter fast von nichts Andrem er-
zählen, als von den Damen der Linien Schnuck-
Muckelig und Schnuck-Puckelig, welche die Geliebten
der Fürsten von Hechelkram gewesen waren. Die
Mutter zeigte auch dem Kinde diese Damen unter
den Familienbildnissen; lauter schöne Frauenzimmer
mit hohen Frisuren, gelben, grünen oder rothen
Adriennen, großen Blumensträußen und entblößten
Schultern! Da sie nun immerfort von den Ge-
liebten hörte, und die Frauenzimmerbildnisse ihr
gar zu wohl gefielen, so setzte sie sich in den
Kopf, daß sie ebenfalls zu einem solchen Berufe
ausersehen sei, ein Gedanke, der noch mehr be-
festigt wurde, als der Fürst Xaverius Nicodemus
der Zweiundzwanzigste von Hechelkram das Schloß
besuchte. Er nahm die damals dreizehnjährige
Emerentia auf den Schooß, liebkoste ihr zärtlich,
und fragte sie: Willst du mein Bräutchen wer-
den? Sie bedachte sich nicht lange, sondern ver-
setzte rasch: Ja, wie alle die Damen, die da
hangen. Der Fürst hob die Kleine vom Schooße
und sagte lächelnd zu ihrer Mutter: Ah, la petite
Ingenue!


Weiſe. Als die kleine Emerentia größer wurde,
hörte ſie ihre Mutter faſt von nichts Andrem er-
zählen, als von den Damen der Linien Schnuck-
Muckelig und Schnuck-Puckelig, welche die Geliebten
der Fürſten von Hechelkram geweſen waren. Die
Mutter zeigte auch dem Kinde dieſe Damen unter
den Familienbildniſſen; lauter ſchöne Frauenzimmer
mit hohen Friſuren, gelben, grünen oder rothen
Adriennen, großen Blumenſträußen und entblößten
Schultern! Da ſie nun immerfort von den Ge-
liebten hörte, und die Frauenzimmerbildniſſe ihr
gar zu wohl gefielen, ſo ſetzte ſie ſich in den
Kopf, daß ſie ebenfalls zu einem ſolchen Berufe
auserſehen ſei, ein Gedanke, der noch mehr be-
feſtigt wurde, als der Fürſt Xaverius Nicodemus
der Zweiundzwanzigſte von Hechelkram das Schloß
beſuchte. Er nahm die damals dreizehnjährige
Emerentia auf den Schooß, liebkoſte ihr zärtlich,
und fragte ſie: Willſt du mein Bräutchen wer-
den? Sie bedachte ſich nicht lange, ſondern ver-
ſetzte raſch: Ja, wie alle die Damen, die da
hangen. Der Fürſt hob die Kleine vom Schooße
und ſagte lächelnd zu ihrer Mutter: Ah, la petite
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[109/0117] Weiſe. Als die kleine Emerentia größer wurde, hörte ſie ihre Mutter faſt von nichts Andrem er- zählen, als von den Damen der Linien Schnuck- Muckelig und Schnuck-Puckelig, welche die Geliebten der Fürſten von Hechelkram geweſen waren. Die Mutter zeigte auch dem Kinde dieſe Damen unter den Familienbildniſſen; lauter ſchöne Frauenzimmer mit hohen Friſuren, gelben, grünen oder rothen Adriennen, großen Blumenſträußen und entblößten Schultern! Da ſie nun immerfort von den Ge- liebten hörte, und die Frauenzimmerbildniſſe ihr gar zu wohl gefielen, ſo ſetzte ſie ſich in den Kopf, daß ſie ebenfalls zu einem ſolchen Berufe auserſehen ſei, ein Gedanke, der noch mehr be- feſtigt wurde, als der Fürſt Xaverius Nicodemus der Zweiundzwanzigſte von Hechelkram das Schloß beſuchte. Er nahm die damals dreizehnjährige Emerentia auf den Schooß, liebkoſte ihr zärtlich, und fragte ſie: Willſt du mein Bräutchen wer- den? Sie bedachte ſich nicht lange, ſondern ver- ſetzte raſch: Ja, wie alle die Damen, die da hangen. Der Fürſt hob die Kleine vom Schooße und ſagte lächelnd zu ihrer Mutter: Ah, la petite Ingenue!

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/117>, abgerufen am 18.12.2024.