Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838.

Bild:
<< vorherige Seite

dagegen nicht entschließen, ihm ihren wahren
Namen zu entdecken. Der Geliebte war arglos
und schwatzhaft; das merkte sie nach kurzer Bekannt-
schaft. Wie leicht war es möglich, daß er das Geheim-
niß ausplauderte, daß es über die Alpen zu den sechs
feurigen Landjunkern drang, daß diese ihr Wort
lös'ten, und nachgesprengt kamen, und dann --
ade, du stilles Himmelsglück in Nizza! Für Ruccio-
puccio blieb Emerentia daher die Freiin von Schnur-
renburg-Mixpickel, und hieß Marcebille, weil ihr die-
ser Taufname besonders süß und romantisch klang.

Es waren nun für beide Liebende die herr-
lichen Tage angebrochen, in welchen die Leute ein-
ander beständig beim Kopfe haben, Lippen auf
Lippen pressen, in welchen, wenn die Geliebte
nieset, der Liebende Aeolsharfen und Engelsgesang
zu vernehmen meint, und wenn der Geliebte ein
Gähnen verbirgt, die Liebende einen neuen himm-
lischen Ausdruck in seinen theuren Zügen entdeckt,
in welchen, lustwandeln sie mit einander, Sonne,
Mond und Sterne beschworen werden, auf ihr
Glück herabzuschauen, wenn sie sonst nichts zu
sprechen wissen. Rucciopuccio und Emerentia
machten alle diese Krisen der Liebe gründlich

dagegen nicht entſchließen, ihm ihren wahren
Namen zu entdecken. Der Geliebte war arglos
und ſchwatzhaft; das merkte ſie nach kurzer Bekannt-
ſchaft. Wie leicht war es möglich, daß er das Geheim-
niß ausplauderte, daß es über die Alpen zu den ſechs
feurigen Landjunkern drang, daß dieſe ihr Wort
löſ’ten, und nachgeſprengt kamen, und dann —
ade, du ſtilles Himmelsglück in Nizza! Für Ruccio-
puccio blieb Emerentia daher die Freiin von Schnur-
renburg-Mixpickel, und hieß Marcebille, weil ihr die-
ſer Taufname beſonders ſüß und romantiſch klang.

Es waren nun für beide Liebende die herr-
lichen Tage angebrochen, in welchen die Leute ein-
ander beſtändig beim Kopfe haben, Lippen auf
Lippen preſſen, in welchen, wenn die Geliebte
nieſet, der Liebende Aeolsharfen und Engelsgeſang
zu vernehmen meint, und wenn der Geliebte ein
Gähnen verbirgt, die Liebende einen neuen himm-
liſchen Ausdruck in ſeinen theuren Zügen entdeckt,
in welchen, luſtwandeln ſie mit einander, Sonne,
Mond und Sterne beſchworen werden, auf ihr
Glück herabzuſchauen, wenn ſie ſonſt nichts zu
ſprechen wiſſen. Rucciopuccio und Emerentia
machten alle dieſe Kriſen der Liebe gründlich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0127" n="119"/>
dagegen nicht ent&#x017F;chließen, ihm ihren wahren<lb/>
Namen zu entdecken. Der Geliebte war arglos<lb/>
und &#x017F;chwatzhaft; das merkte &#x017F;ie nach kurzer Bekannt-<lb/>
&#x017F;chaft. Wie leicht war es möglich, daß er das Geheim-<lb/>
niß ausplauderte, daß es über die Alpen zu den &#x017F;echs<lb/>
feurigen Landjunkern drang, daß die&#x017F;e ihr Wort<lb/>&#x017F;&#x2019;ten, und nachge&#x017F;prengt kamen, und dann &#x2014;<lb/>
ade, du &#x017F;tilles Himmelsglück in Nizza! Für Ruccio-<lb/>
puccio blieb Emerentia daher die Freiin von Schnur-<lb/>
renburg-Mixpickel, und hieß Marcebille, weil ihr die-<lb/>
&#x017F;er Taufname be&#x017F;onders &#x017F;üß und romanti&#x017F;ch klang.</p><lb/>
          <p>Es waren nun für beide Liebende die herr-<lb/>
lichen Tage angebrochen, in welchen die Leute ein-<lb/>
ander be&#x017F;tändig beim Kopfe haben, Lippen auf<lb/>
Lippen pre&#x017F;&#x017F;en, in welchen, wenn die Geliebte<lb/>
nie&#x017F;et, der Liebende Aeolsharfen und Engelsge&#x017F;ang<lb/>
zu vernehmen meint, und wenn der Geliebte ein<lb/>
Gähnen verbirgt, die Liebende einen neuen himm-<lb/>
li&#x017F;chen Ausdruck in &#x017F;einen theuren Zügen entdeckt,<lb/>
in welchen, lu&#x017F;twandeln &#x017F;ie mit einander, Sonne,<lb/>
Mond und Sterne be&#x017F;chworen werden, auf ihr<lb/>
Glück herabzu&#x017F;chauen, wenn &#x017F;ie &#x017F;on&#x017F;t nichts zu<lb/>
&#x017F;prechen wi&#x017F;&#x017F;en. Rucciopuccio und Emerentia<lb/>
machten alle die&#x017F;e Kri&#x017F;en der Liebe gründlich<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[119/0127] dagegen nicht entſchließen, ihm ihren wahren Namen zu entdecken. Der Geliebte war arglos und ſchwatzhaft; das merkte ſie nach kurzer Bekannt- ſchaft. Wie leicht war es möglich, daß er das Geheim- niß ausplauderte, daß es über die Alpen zu den ſechs feurigen Landjunkern drang, daß dieſe ihr Wort löſ’ten, und nachgeſprengt kamen, und dann — ade, du ſtilles Himmelsglück in Nizza! Für Ruccio- puccio blieb Emerentia daher die Freiin von Schnur- renburg-Mixpickel, und hieß Marcebille, weil ihr die- ſer Taufname beſonders ſüß und romantiſch klang. Es waren nun für beide Liebende die herr- lichen Tage angebrochen, in welchen die Leute ein- ander beſtändig beim Kopfe haben, Lippen auf Lippen preſſen, in welchen, wenn die Geliebte nieſet, der Liebende Aeolsharfen und Engelsgeſang zu vernehmen meint, und wenn der Geliebte ein Gähnen verbirgt, die Liebende einen neuen himm- liſchen Ausdruck in ſeinen theuren Zügen entdeckt, in welchen, luſtwandeln ſie mit einander, Sonne, Mond und Sterne beſchworen werden, auf ihr Glück herabzuſchauen, wenn ſie ſonſt nichts zu ſprechen wiſſen. Rucciopuccio und Emerentia machten alle dieſe Kriſen der Liebe gründlich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/127
Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/127>, abgerufen am 21.11.2024.