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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838.

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selbst bereiten müssen, denn auch die Bedienten
und Mägde schlichen sich allgemach aus Mangel
der Bezahlung weg, wäre diesem dürftigen und
zusammensinkenden Haushalte nicht eine Stütze in
der blonden Lisbeth erwachsen, welche, sobald sie
die Hände zu Dienstleistungen zu regen im Stan-
de war, dem alten Baron und dem Fräulein wie
die geringste Magd aufwartete, kochte, wusch, säu-
berte, dabei aber immer hold und freundlich aus-
sah, und wenn sie das Schwerste verrichtet hatte,
so that, als habe sie nichts gethan.

Die blonde Lisbeth war ein Findelkind. Ein
altes Weib hatte einst vor Jahren eine große
Schachtel, mit kleinen Löchern versehen, auf das
Schloß gebracht, sie einem Bedienten übergeben,
und ihm gesagt, darin sei ein Geschenk für den
Herrn, welches ein guter Freund schicke. Indem
nun der Bediente die Schachtel zu dem gnädigen
Herrn hineintrug, fing das Geschenk darin an, sich
zu regen, und ein feines Geschrei zu erheben.
Der Mensch hätte es bald vor Schreck zu Boden
fallen lassen, besann sich indessen doch, und setzte
die Schachtel vorsichtig auf einen Tisch in des gnä-
digen Herrn Zimmer. Der alte Baron öffnete

ſelbſt bereiten müſſen, denn auch die Bedienten
und Mägde ſchlichen ſich allgemach aus Mangel
der Bezahlung weg, wäre dieſem dürftigen und
zuſammenſinkenden Haushalte nicht eine Stütze in
der blonden Lisbeth erwachſen, welche, ſobald ſie
die Hände zu Dienſtleiſtungen zu regen im Stan-
de war, dem alten Baron und dem Fräulein wie
die geringſte Magd aufwartete, kochte, wuſch, ſäu-
berte, dabei aber immer hold und freundlich aus-
ſah, und wenn ſie das Schwerſte verrichtet hatte,
ſo that, als habe ſie nichts gethan.

Die blonde Lisbeth war ein Findelkind. Ein
altes Weib hatte einſt vor Jahren eine große
Schachtel, mit kleinen Löchern verſehen, auf das
Schloß gebracht, ſie einem Bedienten übergeben,
und ihm geſagt, darin ſei ein Geſchenk für den
Herrn, welches ein guter Freund ſchicke. Indem
nun der Bediente die Schachtel zu dem gnädigen
Herrn hineintrug, fing das Geſchenk darin an, ſich
zu regen, und ein feines Geſchrei zu erheben.
Der Menſch hätte es bald vor Schreck zu Boden
fallen laſſen, beſann ſich indeſſen doch, und ſetzte
die Schachtel vorſichtig auf einen Tiſch in des gnä-
digen Herrn Zimmer. Der alte Baron öffnete

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[130/0138] ſelbſt bereiten müſſen, denn auch die Bedienten und Mägde ſchlichen ſich allgemach aus Mangel der Bezahlung weg, wäre dieſem dürftigen und zuſammenſinkenden Haushalte nicht eine Stütze in der blonden Lisbeth erwachſen, welche, ſobald ſie die Hände zu Dienſtleiſtungen zu regen im Stan- de war, dem alten Baron und dem Fräulein wie die geringſte Magd aufwartete, kochte, wuſch, ſäu- berte, dabei aber immer hold und freundlich aus- ſah, und wenn ſie das Schwerſte verrichtet hatte, ſo that, als habe ſie nichts gethan. Die blonde Lisbeth war ein Findelkind. Ein altes Weib hatte einſt vor Jahren eine große Schachtel, mit kleinen Löchern verſehen, auf das Schloß gebracht, ſie einem Bedienten übergeben, und ihm geſagt, darin ſei ein Geſchenk für den Herrn, welches ein guter Freund ſchicke. Indem nun der Bediente die Schachtel zu dem gnädigen Herrn hineintrug, fing das Geſchenk darin an, ſich zu regen, und ein feines Geſchrei zu erheben. Der Menſch hätte es bald vor Schreck zu Boden fallen laſſen, beſann ſich indeſſen doch, und ſetzte die Schachtel vorſichtig auf einen Tiſch in des gnä- digen Herrn Zimmer. Der alte Baron öffnete

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/138>, abgerufen am 21.11.2024.