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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838.

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ihren luftigen Schlössern, nahm aus den Betten
der Schloßbewohner die noch einigermaßen ent-
behrlichen Stücke, stellte verschiedene Holzfragmente
mittelst Säge, Hammer und Nägel zu einer Art
von Sponde zusammen, und wußte selbst noch
einen erträglichen Tisch und Stuhl für den Frei-
herrn aufzutreiben.

Nach vollbrachtem Werke ging er hinunter und
fand den alten Baron um zehn Jahre verjüngt.
Münchhausen hatte ihm die Wirthschaft der Infu-
sionsthiere mit so reizenden Farben geschildert,
daß sein Zuhörer in Entzückung gerathen war, er
hatte ihm ganze Idyllen, Epen und Tragödien
vorgetragen, die sich in jedem Wassertropfen seiner
Versicherung nach ereigneten. Als der Schulmei-
ster nun einige Augenblicke mit Münchhausen allein
gelassen wurde, gab ihm dieser auf Verlangen
sein Wort, daß er unfern von Buxtehude in einem
Bauerndorfe die deutlichsten Spuren spartanischer
Sitte und Abkunft angetroffen habe, indem die
Leute dort nichts von den Wissenschaften hielten und
von Schmutz starrten. Der Schulmeister ging höchst
befriedigt von dannen, um seine schwarze Suppe
zu verzehren, und überließ Emerentien den Freiherrn.


ihren luftigen Schlöſſern, nahm aus den Betten
der Schloßbewohner die noch einigermaßen ent-
behrlichen Stücke, ſtellte verſchiedene Holzfragmente
mittelſt Säge, Hammer und Nägel zu einer Art
von Sponde zuſammen, und wußte ſelbſt noch
einen erträglichen Tiſch und Stuhl für den Frei-
herrn aufzutreiben.

Nach vollbrachtem Werke ging er hinunter und
fand den alten Baron um zehn Jahre verjüngt.
Münchhauſen hatte ihm die Wirthſchaft der Infu-
ſionsthiere mit ſo reizenden Farben geſchildert,
daß ſein Zuhörer in Entzückung gerathen war, er
hatte ihm ganze Idyllen, Epen und Tragödien
vorgetragen, die ſich in jedem Waſſertropfen ſeiner
Verſicherung nach ereigneten. Als der Schulmei-
ſter nun einige Augenblicke mit Münchhauſen allein
gelaſſen wurde, gab ihm dieſer auf Verlangen
ſein Wort, daß er unfern von Buxtehude in einem
Bauerndorfe die deutlichſten Spuren ſpartaniſcher
Sitte und Abkunft angetroffen habe, indem die
Leute dort nichts von den Wiſſenſchaften hielten und
von Schmutz ſtarrten. Der Schulmeiſter ging höchſt
befriedigt von dannen, um ſeine ſchwarze Suppe
zu verzehren, und überließ Emerentien den Freiherrn.


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[186/0194] ihren luftigen Schlöſſern, nahm aus den Betten der Schloßbewohner die noch einigermaßen ent- behrlichen Stücke, ſtellte verſchiedene Holzfragmente mittelſt Säge, Hammer und Nägel zu einer Art von Sponde zuſammen, und wußte ſelbſt noch einen erträglichen Tiſch und Stuhl für den Frei- herrn aufzutreiben. Nach vollbrachtem Werke ging er hinunter und fand den alten Baron um zehn Jahre verjüngt. Münchhauſen hatte ihm die Wirthſchaft der Infu- ſionsthiere mit ſo reizenden Farben geſchildert, daß ſein Zuhörer in Entzückung gerathen war, er hatte ihm ganze Idyllen, Epen und Tragödien vorgetragen, die ſich in jedem Waſſertropfen ſeiner Verſicherung nach ereigneten. Als der Schulmei- ſter nun einige Augenblicke mit Münchhauſen allein gelaſſen wurde, gab ihm dieſer auf Verlangen ſein Wort, daß er unfern von Buxtehude in einem Bauerndorfe die deutlichſten Spuren ſpartaniſcher Sitte und Abkunft angetroffen habe, indem die Leute dort nichts von den Wiſſenſchaften hielten und von Schmutz ſtarrten. Der Schulmeiſter ging höchſt befriedigt von dannen, um ſeine ſchwarze Suppe zu verzehren, und überließ Emerentien den Freiherrn.

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/194>, abgerufen am 18.05.2024.