Hypothese über Eure zweifarbigen Augen und Euer Ergrünen zum Besten gäbet. Unmöglich können Euch diese Naturwunder entgangen seyn; nun seid Ihr aber ein Mann, der über Alles nachdenkt, also habt Ihr gewiß auch darüber eine Hypothese fertig.
Keine Hypothese habe ich darüber fertig, sondern ich weiß, wie es damit sicherlich zusammenhängt, versetzte Münchhausen und zog die Augenbraunen in die Höhe, daß das blaue und das braune Auge noch gewaltiger hervortrat, als gewöhnlich. -- Was die Zwiefarbigkeit meiner Sehorgane betrifft, so leiten sich diese aus Geheimnissen meiner Erzeu- gung ab -- werden Sie nicht roth, meine Gnädige, ich berühre diesen Punkt nicht weiter -- die leider über ganze Regionen meines Daseyns einen schwar- zen Schatten werfen. Wie oft habe ich den Tage- löhner beneidet, der im sauren Schweiße seines Antlitzes, bei dem harten Stücke Schwarzbrod, welches seine Kinnladen zermalmen, doch den süßen Trost nimmer entbehrt: Du bist, wie jeder andre Mensch entstanden, und fährest dahin, wo deine Väter ruhn. Aber ich ... oh! -- -- Doch den Schleier über diese Abgründe! Sie sind tief und schrecklich, armer Münchhausen!
Hypotheſe über Eure zweifarbigen Augen und Euer Ergrünen zum Beſten gäbet. Unmöglich können Euch dieſe Naturwunder entgangen ſeyn; nun ſeid Ihr aber ein Mann, der über Alles nachdenkt, alſo habt Ihr gewiß auch darüber eine Hypotheſe fertig.
Keine Hypotheſe habe ich darüber fertig, ſondern ich weiß, wie es damit ſicherlich zuſammenhängt, verſetzte Münchhauſen und zog die Augenbraunen in die Höhe, daß das blaue und das braune Auge noch gewaltiger hervortrat, als gewöhnlich. — Was die Zwiefarbigkeit meiner Sehorgane betrifft, ſo leiten ſich dieſe aus Geheimniſſen meiner Erzeu- gung ab — werden Sie nicht roth, meine Gnädige, ich berühre dieſen Punkt nicht weiter — die leider über ganze Regionen meines Daſeyns einen ſchwar- zen Schatten werfen. Wie oft habe ich den Tage- löhner beneidet, der im ſauren Schweiße ſeines Antlitzes, bei dem harten Stücke Schwarzbrod, welches ſeine Kinnladen zermalmen, doch den ſüßen Troſt nimmer entbehrt: Du biſt, wie jeder andre Menſch entſtanden, und fähreſt dahin, wo deine Väter ruhn. Aber ich … oh! — — Doch den Schleier über dieſe Abgründe! Sie ſind tief und ſchrecklich, armer Münchhauſen!
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0225"n="217"/>
Hypotheſe über Eure zweifarbigen Augen und Euer<lb/>
Ergrünen zum Beſten gäbet. Unmöglich können<lb/>
Euch dieſe Naturwunder entgangen ſeyn; nun ſeid<lb/>
Ihr aber ein Mann, der über Alles nachdenkt, alſo<lb/>
habt Ihr gewiß auch darüber eine Hypotheſe fertig.</p><lb/><p>Keine Hypotheſe habe ich darüber fertig, ſondern<lb/>
ich weiß, wie es damit ſicherlich zuſammenhängt,<lb/>
verſetzte Münchhauſen und zog die Augenbraunen<lb/>
in die Höhe, daß das blaue und das braune Auge<lb/>
noch gewaltiger hervortrat, als gewöhnlich. —<lb/>
Was die Zwiefarbigkeit meiner Sehorgane betrifft,<lb/>ſo leiten ſich dieſe aus Geheimniſſen meiner Erzeu-<lb/>
gung ab — werden Sie nicht roth, meine Gnädige,<lb/>
ich berühre dieſen Punkt nicht weiter — die leider<lb/>
über ganze Regionen meines Daſeyns einen ſchwar-<lb/>
zen Schatten werfen. Wie oft habe ich den Tage-<lb/>
löhner beneidet, der im ſauren Schweiße ſeines<lb/>
Antlitzes, bei dem harten Stücke Schwarzbrod,<lb/>
welches ſeine Kinnladen zermalmen, doch den ſüßen<lb/>
Troſt nimmer entbehrt: Du biſt, wie jeder andre<lb/>
Menſch entſtanden, und fähreſt dahin, wo deine<lb/>
Väter ruhn. Aber ich … oh! —— Doch den<lb/>
Schleier über dieſe Abgründe! Sie ſind tief und<lb/>ſchrecklich, armer Münchhauſen!</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[217/0225]
Hypotheſe über Eure zweifarbigen Augen und Euer
Ergrünen zum Beſten gäbet. Unmöglich können
Euch dieſe Naturwunder entgangen ſeyn; nun ſeid
Ihr aber ein Mann, der über Alles nachdenkt, alſo
habt Ihr gewiß auch darüber eine Hypotheſe fertig.
Keine Hypotheſe habe ich darüber fertig, ſondern
ich weiß, wie es damit ſicherlich zuſammenhängt,
verſetzte Münchhauſen und zog die Augenbraunen
in die Höhe, daß das blaue und das braune Auge
noch gewaltiger hervortrat, als gewöhnlich. —
Was die Zwiefarbigkeit meiner Sehorgane betrifft,
ſo leiten ſich dieſe aus Geheimniſſen meiner Erzeu-
gung ab — werden Sie nicht roth, meine Gnädige,
ich berühre dieſen Punkt nicht weiter — die leider
über ganze Regionen meines Daſeyns einen ſchwar-
zen Schatten werfen. Wie oft habe ich den Tage-
löhner beneidet, der im ſauren Schweiße ſeines
Antlitzes, bei dem harten Stücke Schwarzbrod,
welches ſeine Kinnladen zermalmen, doch den ſüßen
Troſt nimmer entbehrt: Du biſt, wie jeder andre
Menſch entſtanden, und fähreſt dahin, wo deine
Väter ruhn. Aber ich … oh! — — Doch den
Schleier über dieſe Abgründe! Sie ſind tief und
ſchrecklich, armer Münchhauſen!
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/225>, abgerufen am 30.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.