Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838.

Bild:
<< vorherige Seite

Ei Gott! rief der Sammler, als es ihm näher
zu Gesichte kam, das ist ja eine prächtige große
Amphora! Woher stammt denn die?

Ich habe, versetzte der Hofschulze gleichgültig,
den alten Topf vor acht Tagen in meiner Kies-
grube gefunden, als Grand ausgestochen wurde.
Es stand noch mehr des Zeuges umher, was aber
die Leute mit den Grabscheiten zerschlagen haben.
Der Topf allein ist erhalten worden. Ich wollte
doch, daß Sie ihn sähen, da Sie einmal hier sind.

Mit feuchten Blicken betrachtete der Sammler
das große, wohlerhaltene Gefäß. Endlich stammelte
er: Ist darüber kein Handel zu machen?

Nein, versetzte der alte Bauer kalt, ich will den
Topf mir selber aufheben. Er gab dem Knechte
einen Wink, dieser wollte die Amphora in das Haus
zurücktragen, wurde aber daran von dem Sammler
gehindert, welcher, die Augen nicht von dem Gefäße
wendend, den Eigenthümer mit den mannigfaltig-
sten und beweglichsten Wendungen anging, ihm den
ersehnten Weinkrug abzustehen. Es war indessen
Alles vergebens; der Hofschulze verblieb den ein-
dringlichsten Bittworten gegenüber in unerschütter-
licher Seelenruhe und machte auf diese Weise den

Ei Gott! rief der Sammler, als es ihm näher
zu Geſichte kam, das iſt ja eine prächtige große
Amphora! Woher ſtammt denn die?

Ich habe, verſetzte der Hofſchulze gleichgültig,
den alten Topf vor acht Tagen in meiner Kies-
grube gefunden, als Grand ausgeſtochen wurde.
Es ſtand noch mehr des Zeuges umher, was aber
die Leute mit den Grabſcheiten zerſchlagen haben.
Der Topf allein iſt erhalten worden. Ich wollte
doch, daß Sie ihn ſähen, da Sie einmal hier ſind.

Mit feuchten Blicken betrachtete der Sammler
das große, wohlerhaltene Gefäß. Endlich ſtammelte
er: Iſt darüber kein Handel zu machen?

Nein, verſetzte der alte Bauer kalt, ich will den
Topf mir ſelber aufheben. Er gab dem Knechte
einen Wink, dieſer wollte die Amphora in das Haus
zurücktragen, wurde aber daran von dem Sammler
gehindert, welcher, die Augen nicht von dem Gefäße
wendend, den Eigenthümer mit den mannigfaltig-
ſten und beweglichſten Wendungen anging, ihm den
erſehnten Weinkrug abzuſtehen. Es war indeſſen
Alles vergebens; der Hofſchulze verblieb den ein-
dringlichſten Bittworten gegenüber in unerſchütter-
licher Seelenruhe und machte auf dieſe Weiſe den

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0292" n="284"/>
          <p>Ei Gott! rief der Sammler, als es ihm näher<lb/>
zu Ge&#x017F;ichte kam, das i&#x017F;t ja eine prächtige große<lb/>
Amphora! Woher &#x017F;tammt denn die?</p><lb/>
          <p>Ich habe, ver&#x017F;etzte der Hof&#x017F;chulze gleichgültig,<lb/>
den alten Topf vor acht Tagen in meiner Kies-<lb/>
grube gefunden, als Grand ausge&#x017F;tochen wurde.<lb/>
Es &#x017F;tand noch mehr des Zeuges umher, was aber<lb/>
die Leute mit den Grab&#x017F;cheiten zer&#x017F;chlagen haben.<lb/>
Der Topf allein i&#x017F;t erhalten worden. Ich wollte<lb/>
doch, daß Sie ihn &#x017F;ähen, da Sie einmal hier &#x017F;ind.</p><lb/>
          <p>Mit feuchten Blicken betrachtete der Sammler<lb/>
das große, wohlerhaltene Gefäß. Endlich &#x017F;tammelte<lb/>
er: I&#x017F;t darüber kein Handel zu machen?</p><lb/>
          <p>Nein, ver&#x017F;etzte der alte Bauer kalt, ich will den<lb/>
Topf mir &#x017F;elber aufheben. Er gab dem Knechte<lb/>
einen Wink, die&#x017F;er wollte die Amphora in das Haus<lb/>
zurücktragen, wurde aber daran von dem Sammler<lb/>
gehindert, welcher, die Augen nicht von dem Gefäße<lb/>
wendend, den Eigenthümer mit den mannigfaltig-<lb/>
&#x017F;ten und beweglich&#x017F;ten Wendungen anging, ihm den<lb/>
er&#x017F;ehnten Weinkrug abzu&#x017F;tehen. Es war inde&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Alles vergebens; der Hof&#x017F;chulze verblieb den ein-<lb/>
dringlich&#x017F;ten Bittworten gegenüber in uner&#x017F;chütter-<lb/>
licher Seelenruhe und machte auf die&#x017F;e Wei&#x017F;e den<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[284/0292] Ei Gott! rief der Sammler, als es ihm näher zu Geſichte kam, das iſt ja eine prächtige große Amphora! Woher ſtammt denn die? Ich habe, verſetzte der Hofſchulze gleichgültig, den alten Topf vor acht Tagen in meiner Kies- grube gefunden, als Grand ausgeſtochen wurde. Es ſtand noch mehr des Zeuges umher, was aber die Leute mit den Grabſcheiten zerſchlagen haben. Der Topf allein iſt erhalten worden. Ich wollte doch, daß Sie ihn ſähen, da Sie einmal hier ſind. Mit feuchten Blicken betrachtete der Sammler das große, wohlerhaltene Gefäß. Endlich ſtammelte er: Iſt darüber kein Handel zu machen? Nein, verſetzte der alte Bauer kalt, ich will den Topf mir ſelber aufheben. Er gab dem Knechte einen Wink, dieſer wollte die Amphora in das Haus zurücktragen, wurde aber daran von dem Sammler gehindert, welcher, die Augen nicht von dem Gefäße wendend, den Eigenthümer mit den mannigfaltig- ſten und beweglichſten Wendungen anging, ihm den erſehnten Weinkrug abzuſtehen. Es war indeſſen Alles vergebens; der Hofſchulze verblieb den ein- dringlichſten Bittworten gegenüber in unerſchütter- licher Seelenruhe und machte auf dieſe Weiſe den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/292
Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/292>, abgerufen am 23.11.2024.