Sperling in der Hand, als ein Reiher auf dem Dache. -- Die erste Magd empfing den Spruch: Hast du Vieh, so warte sein, und trägt dir's Nutzen, so behalte es; und zur Zweiten sagte er: Es ist nichts so fein gesponnen, es kommt endlich an die Sonnen.
Nachdem Jeder auf solche Weise bedacht worden war, gingen Alle zu ihren Arbeiten, der Eine gleich- gültig, der Andere betroffen aussehend. Die zweite Magd war von ihrem Spruche blutroth geworden. Der Jäger, welcher allgemach den ortsüblichen Dialect verstehen lernte, hatte diesem Unterrichte mit Erstaunen zugehört und fragte nach dessen Beendigung, was er bezwecke?
Daß sie darüber nachdenken, sagte der Hof- schulze. Wenn sie heute Abend hier wieder zusam- menkommen, so sagen sie mir, was sie sich bei den Sprüchen gedacht haben. Die meiste Arbeit auf dem Lande ist der Art, daß die Leute nebenbei noch allerhand Gedanken haben können, und da fallen ihnen denn alle die schlechten Sachen ein, die hernachmals in Liederlichkeit, Lug und Trug aus- brechen. Bei'm Pferdefüttern denken sie, wie sie Hafer auf die Seite bringen können, und wenn
Sperling in der Hand, als ein Reiher auf dem Dache. — Die erſte Magd empfing den Spruch: Haſt du Vieh, ſo warte ſein, und trägt dir’s Nutzen, ſo behalte es; und zur Zweiten ſagte er: Es iſt nichts ſo fein geſponnen, es kommt endlich an die Sonnen.
Nachdem Jeder auf ſolche Weiſe bedacht worden war, gingen Alle zu ihren Arbeiten, der Eine gleich- gültig, der Andere betroffen ausſehend. Die zweite Magd war von ihrem Spruche blutroth geworden. Der Jäger, welcher allgemach den ortsüblichen Dialect verſtehen lernte, hatte dieſem Unterrichte mit Erſtaunen zugehört und fragte nach deſſen Beendigung, was er bezwecke?
Daß ſie darüber nachdenken, ſagte der Hof- ſchulze. Wenn ſie heute Abend hier wieder zuſam- menkommen, ſo ſagen ſie mir, was ſie ſich bei den Sprüchen gedacht haben. Die meiſte Arbeit auf dem Lande iſt der Art, daß die Leute nebenbei noch allerhand Gedanken haben können, und da fallen ihnen denn alle die ſchlechten Sachen ein, die hernachmals in Liederlichkeit, Lug und Trug aus- brechen. Bei’m Pferdefüttern denken ſie, wie ſie Hafer auf die Seite bringen können, und wenn
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Sperling in der Hand, als ein Reiher auf dem
Dache. — Die erſte Magd empfing den Spruch:
Haſt du Vieh, ſo warte ſein, und trägt dir’s Nutzen,
ſo behalte es; und zur Zweiten ſagte er: Es iſt
nichts ſo fein geſponnen, es kommt endlich an die
Sonnen.
Nachdem Jeder auf ſolche Weiſe bedacht worden
war, gingen Alle zu ihren Arbeiten, der Eine gleich-
gültig, der Andere betroffen ausſehend. Die zweite
Magd war von ihrem Spruche blutroth geworden.
Der Jäger, welcher allgemach den ortsüblichen
Dialect verſtehen lernte, hatte dieſem Unterrichte
mit Erſtaunen zugehört und fragte nach deſſen
Beendigung, was er bezwecke?
Daß ſie darüber nachdenken, ſagte der Hof-
ſchulze. Wenn ſie heute Abend hier wieder zuſam-
menkommen, ſo ſagen ſie mir, was ſie ſich bei den
Sprüchen gedacht haben. Die meiſte Arbeit auf
dem Lande iſt der Art, daß die Leute nebenbei
noch allerhand Gedanken haben können, und da
fallen ihnen denn alle die ſchlechten Sachen ein,
die hernachmals in Liederlichkeit, Lug und Trug aus-
brechen. Bei’m Pferdefüttern denken ſie, wie ſie
Hafer auf die Seite bringen können, und wenn
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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/314>, abgerufen am 22.11.2024.
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