des leichten Wagens zu bedienen. Höchst ver- stimmt rief er dem Bedienten zu: So laß anspan- nen! drückte die Mutter sanft nach der Thüre zu und bat sie um Gotteswillen, sich doch nur wieder niederzulegen, da sie ja in ihrem leichten Gewande von der Morgenkälte schwer krank werden könne, und sprang dann, als er sie auf dem Wege nach dem Schlafcabinet glaubte, rasch die Haupttreppe hinunter, um nur zu Roß und an diesem vermale- deiten Tage vom Hofe zu kommen.
Aber meine Mutter, einmal argwöhnisch gemacht, schlüpfte eine kleine Seitentreppe hinab, die eben- falls auf den Hof führte, um sich zu versichern, ob auch der Wagen genommen werde. Indem sie nun unten anlangte, sah sie, daß mein Vater schon zu Pferde saß, und mit dem Thiere, welches er in seinem Verdrusse heftig behandelt und dadurch unru- hig gemacht hatte, kaum zurecht kommen konnte. Mit einem lauten Geschrei flog sie durch die Thüre auf den Hof; das Pferd, von der plötzlich erschei- nenden weißen Gestalt bis zur Wuth gesteigert, drehte sich wie toll auf den Hinterfüßen um, gerieth auf eine schlüpfrig-abschüssige Stelle, rutschte aus und stürzte. Nun lag mein Vater wirklich mit
des leichten Wagens zu bedienen. Höchſt ver- ſtimmt rief er dem Bedienten zu: So laß anſpan- nen! drückte die Mutter ſanft nach der Thüre zu und bat ſie um Gotteswillen, ſich doch nur wieder niederzulegen, da ſie ja in ihrem leichten Gewande von der Morgenkälte ſchwer krank werden könne, und ſprang dann, als er ſie auf dem Wege nach dem Schlafcabinet glaubte, raſch die Haupttreppe hinunter, um nur zu Roß und an dieſem vermale- deiten Tage vom Hofe zu kommen.
Aber meine Mutter, einmal argwöhniſch gemacht, ſchlüpfte eine kleine Seitentreppe hinab, die eben- falls auf den Hof führte, um ſich zu verſichern, ob auch der Wagen genommen werde. Indem ſie nun unten anlangte, ſah ſie, daß mein Vater ſchon zu Pferde ſaß, und mit dem Thiere, welches er in ſeinem Verdruſſe heftig behandelt und dadurch unru- hig gemacht hatte, kaum zurecht kommen konnte. Mit einem lauten Geſchrei flog ſie durch die Thüre auf den Hof; das Pferd, von der plötzlich erſchei- nenden weißen Geſtalt bis zur Wuth geſteigert, drehte ſich wie toll auf den Hinterfüßen um, gerieth auf eine ſchlüpfrig-abſchüſſige Stelle, rutſchte aus und ſtürzte. Nun lag mein Vater wirklich mit
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0370"n="362"/>
des leichten Wagens zu bedienen. Höchſt ver-<lb/>ſtimmt rief er dem Bedienten zu: So laß anſpan-<lb/>
nen! drückte die Mutter ſanft nach der Thüre zu<lb/>
und bat ſie um Gotteswillen, ſich doch nur wieder<lb/>
niederzulegen, da ſie ja in ihrem leichten Gewande<lb/>
von der Morgenkälte ſchwer krank werden könne,<lb/>
und ſprang dann, als er ſie auf dem Wege nach<lb/>
dem Schlafcabinet glaubte, raſch die Haupttreppe<lb/>
hinunter, um nur zu Roß und an dieſem vermale-<lb/>
deiten Tage vom Hofe zu kommen.</p><lb/><p>Aber meine Mutter, einmal argwöhniſch gemacht,<lb/>ſchlüpfte eine kleine Seitentreppe hinab, die eben-<lb/>
falls auf den Hof führte, um ſich zu verſichern, ob<lb/>
auch der Wagen genommen werde. Indem ſie nun<lb/>
unten anlangte, ſah ſie, daß mein Vater ſchon zu<lb/>
Pferde ſaß, und mit dem Thiere, welches er in<lb/>ſeinem Verdruſſe heftig behandelt und dadurch unru-<lb/>
hig gemacht hatte, kaum zurecht kommen konnte.<lb/>
Mit einem lauten Geſchrei flog ſie durch die Thüre<lb/>
auf den Hof; das Pferd, von der plötzlich erſchei-<lb/>
nenden weißen Geſtalt bis zur Wuth geſteigert,<lb/>
drehte ſich wie toll auf den Hinterfüßen um, gerieth<lb/>
auf eine ſchlüpfrig-abſchüſſige Stelle, rutſchte aus<lb/>
und ſtürzte. Nun lag mein Vater wirklich mit<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[362/0370]
des leichten Wagens zu bedienen. Höchſt ver-
ſtimmt rief er dem Bedienten zu: So laß anſpan-
nen! drückte die Mutter ſanft nach der Thüre zu
und bat ſie um Gotteswillen, ſich doch nur wieder
niederzulegen, da ſie ja in ihrem leichten Gewande
von der Morgenkälte ſchwer krank werden könne,
und ſprang dann, als er ſie auf dem Wege nach
dem Schlafcabinet glaubte, raſch die Haupttreppe
hinunter, um nur zu Roß und an dieſem vermale-
deiten Tage vom Hofe zu kommen.
Aber meine Mutter, einmal argwöhniſch gemacht,
ſchlüpfte eine kleine Seitentreppe hinab, die eben-
falls auf den Hof führte, um ſich zu verſichern, ob
auch der Wagen genommen werde. Indem ſie nun
unten anlangte, ſah ſie, daß mein Vater ſchon zu
Pferde ſaß, und mit dem Thiere, welches er in
ſeinem Verdruſſe heftig behandelt und dadurch unru-
hig gemacht hatte, kaum zurecht kommen konnte.
Mit einem lauten Geſchrei flog ſie durch die Thüre
auf den Hof; das Pferd, von der plötzlich erſchei-
nenden weißen Geſtalt bis zur Wuth geſteigert,
drehte ſich wie toll auf den Hinterfüßen um, gerieth
auf eine ſchlüpfrig-abſchüſſige Stelle, rutſchte aus
und ſtürzte. Nun lag mein Vater wirklich mit
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 362. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/370>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.