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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838.

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Freunden vor Angst nicht mehr zu bleiben weiß,
wenn die Stunde schlägt, da er hat nach Hause
kommen sollen, oder daß er sich von Allem zurück-
halten muß, was ihm das Herze fröhlich macht,
so giebt sie auch Aergerniß, denn der Apostel Pau-
lus schreibt nicht minder, das Weib solle den Mann
fürchten. Die Furcht aber besteht mit solchem Ver-
halten nicht, vielmehr treibet sie dahin, daß dem
Manne sein freier Wille gelassen werde, denn der
Ehestand soll den Mann erbauen, nicht aber ihn
daniederreißen, weil abermals der nämliche Apostel
Paulus an die Corinther schreibt: Der Mann ist
nicht vom Weibe, sondern das Weib ist vom Manne.

Ich habe hier jezuweilen bei guter Witterung
große Gesellschaft von Stadtleuten, die für Plaisir
den Tag im Freien zubringen, und gegen Abend
wieder heimfahren. Da sehe ich nun mitunter,
daß die Neugeheiratheten, die etwa erst im zweiten
Jahre Mann und Frau sind, denn späterhin hört
dieses Wesen gemeiniglich auf, mit einander ein
Anblicken und Anblinzeln, Löffeln und Schlecken
treiben, als seien sie mutterseelenallein und Nie-
mand außer ihnen um sie und neben ihnen. Darin
stecken nun wieder drei Aergernisse.


Immermann's Münchhausen. 1. Th. 24

Freunden vor Angſt nicht mehr zu bleiben weiß,
wenn die Stunde ſchlägt, da er hat nach Hauſe
kommen ſollen, oder daß er ſich von Allem zurück-
halten muß, was ihm das Herze fröhlich macht,
ſo giebt ſie auch Aergerniß, denn der Apoſtel Pau-
lus ſchreibt nicht minder, das Weib ſolle den Mann
fürchten. Die Furcht aber beſteht mit ſolchem Ver-
halten nicht, vielmehr treibet ſie dahin, daß dem
Manne ſein freier Wille gelaſſen werde, denn der
Eheſtand ſoll den Mann erbauen, nicht aber ihn
daniederreißen, weil abermals der nämliche Apoſtel
Paulus an die Corinther ſchreibt: Der Mann iſt
nicht vom Weibe, ſondern das Weib iſt vom Manne.

Ich habe hier jezuweilen bei guter Witterung
große Geſellſchaft von Stadtleuten, die für Plaiſir
den Tag im Freien zubringen, und gegen Abend
wieder heimfahren. Da ſehe ich nun mitunter,
daß die Neugeheiratheten, die etwa erſt im zweiten
Jahre Mann und Frau ſind, denn ſpäterhin hört
dieſes Weſen gemeiniglich auf, mit einander ein
Anblicken und Anblinzeln, Löffeln und Schlecken
treiben, als ſeien ſie mutterſeelenallein und Nie-
mand außer ihnen um ſie und neben ihnen. Darin
ſtecken nun wieder drei Aergerniſſe.


Immermann’s Münchhauſen. 1. Th. 24
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[369/0377] Freunden vor Angſt nicht mehr zu bleiben weiß, wenn die Stunde ſchlägt, da er hat nach Hauſe kommen ſollen, oder daß er ſich von Allem zurück- halten muß, was ihm das Herze fröhlich macht, ſo giebt ſie auch Aergerniß, denn der Apoſtel Pau- lus ſchreibt nicht minder, das Weib ſolle den Mann fürchten. Die Furcht aber beſteht mit ſolchem Ver- halten nicht, vielmehr treibet ſie dahin, daß dem Manne ſein freier Wille gelaſſen werde, denn der Eheſtand ſoll den Mann erbauen, nicht aber ihn daniederreißen, weil abermals der nämliche Apoſtel Paulus an die Corinther ſchreibt: Der Mann iſt nicht vom Weibe, ſondern das Weib iſt vom Manne. Ich habe hier jezuweilen bei guter Witterung große Geſellſchaft von Stadtleuten, die für Plaiſir den Tag im Freien zubringen, und gegen Abend wieder heimfahren. Da ſehe ich nun mitunter, daß die Neugeheiratheten, die etwa erſt im zweiten Jahre Mann und Frau ſind, denn ſpäterhin hört dieſes Weſen gemeiniglich auf, mit einander ein Anblicken und Anblinzeln, Löffeln und Schlecken treiben, als ſeien ſie mutterſeelenallein und Nie- mand außer ihnen um ſie und neben ihnen. Darin ſtecken nun wieder drei Aergerniſſe. Immermann’s Münchhauſen. 1. Th. 24

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/377>, abgerufen am 22.11.2024.