genblick! denn alsobald stand das Mädchen, Gluth im Antlitz, auf, warf den Strohhut über das Haupt und war mit drei raschen Schritten hinter den Büschen verschwunden.
Er kam nun auch aus den Klippen hervor und streckte den blutigen Arm nach den Büschen aus. War der Geist der Blume lebendig gewor- den? Er sah diese wieder an, sie wollte ihm nicht mehr so schön bedünken, wie wenige Augenblicke zuvor. Eine Amaryllis, sagte er kalt, ich erkenne sie jetzt, ich habe sie im Gewächshause. Sollte er dem Mädchen nachfolgen? Er wollte es, eine geheime Scheu fesselte aber seinen Fuß. Er faßte an seine Stirne; geträumt hatte er nicht, das wußte er, und das Ereigniß, rief er endlich mit einer Art von Anstrengung, ist auch so abson- derlich nicht, daß es geträumt werden müßte! Ein hübsches Mädchen, die des Weges daherkommt und sich auch an einer hübschen Blume erfreut, das ist das Ganze!
Er strich zwischen unbekannten Bergen, Thälern Geländen umher, so lange ihn die Füße tragen wollten. Endlich mußte er an den Rückweg den- ken. Spät, im Dunkeln, und nur mit Hülfe eines
genblick! denn alſobald ſtand das Mädchen, Gluth im Antlitz, auf, warf den Strohhut über das Haupt und war mit drei raſchen Schritten hinter den Büſchen verſchwunden.
Er kam nun auch aus den Klippen hervor und ſtreckte den blutigen Arm nach den Büſchen aus. War der Geiſt der Blume lebendig gewor- den? Er ſah dieſe wieder an, ſie wollte ihm nicht mehr ſo ſchön bedünken, wie wenige Augenblicke zuvor. Eine Amaryllis, ſagte er kalt, ich erkenne ſie jetzt, ich habe ſie im Gewächshauſe. Sollte er dem Mädchen nachfolgen? Er wollte es, eine geheime Scheu feſſelte aber ſeinen Fuß. Er faßte an ſeine Stirne; geträumt hatte er nicht, das wußte er, und das Ereigniß, rief er endlich mit einer Art von Anſtrengung, iſt auch ſo abſon- derlich nicht, daß es geträumt werden müßte! Ein hübſches Mädchen, die des Weges daherkommt und ſich auch an einer hübſchen Blume erfreut, das iſt das Ganze!
Er ſtrich zwiſchen unbekannten Bergen, Thälern Geländen umher, ſo lange ihn die Füße tragen wollten. Endlich mußte er an den Rückweg den- ken. Spät, im Dunkeln, und nur mit Hülfe eines
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genblick! denn alſobald ſtand das Mädchen, Gluth
im Antlitz, auf, warf den Strohhut über das
Haupt und war mit drei raſchen Schritten hinter
den Büſchen verſchwunden.
Er kam nun auch aus den Klippen hervor
und ſtreckte den blutigen Arm nach den Büſchen
aus. War der Geiſt der Blume lebendig gewor-
den? Er ſah dieſe wieder an, ſie wollte ihm nicht
mehr ſo ſchön bedünken, wie wenige Augenblicke
zuvor. Eine Amaryllis, ſagte er kalt, ich erkenne
ſie jetzt, ich habe ſie im Gewächshauſe. Sollte
er dem Mädchen nachfolgen? Er wollte es, eine
geheime Scheu feſſelte aber ſeinen Fuß. Er
faßte an ſeine Stirne; geträumt hatte er nicht,
das wußte er, und das Ereigniß, rief er endlich
mit einer Art von Anſtrengung, iſt auch ſo abſon-
derlich nicht, daß es geträumt werden müßte!
Ein hübſches Mädchen, die des Weges daherkommt
und ſich auch an einer hübſchen Blume erfreut, das
iſt das Ganze!
Er ſtrich zwiſchen unbekannten Bergen, Thälern
Geländen umher, ſo lange ihn die Füße tragen
wollten. Endlich mußte er an den Rückweg den-
ken. Spät, im Dunkeln, und nur mit Hülfe eines
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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 414. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/422>, abgerufen am 22.11.2024.
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