Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838.

Bild:
<< vorherige Seite

Bezug zu dem Hauptmann, dessen ganzes Gesicht
sich erheiterte. Er drückte dem Neffen seines alten
Cameraden die Hand und ließ sich nun in seinen
Kriegeserinnerungen bis zur Schlacht von Leipzig
ungemessen gehen. Dort aber bekamen sie einen Halt
und stockten, so zu sagen, hinter einem Schlagbaume,
über den sie nicht hinwegsprangen. Am Schlusse seiner
Erzählungen sagte er: Es ist um einen großen Mann
eine eigene Sache, und die Menschheit schaufelt sein
Bild aus dem Schutte hervor, mag das Unglück
diesen noch so hoch über ihm aufgethürmt haben.
Was haben alle die Siege, die zweimal nach
Paris führten, den Siegern in Betreff des Nach-
ruhmes geholfen? Nichts. Es sind Thatsachen
geblieben, die alle Welt kalt anhört und weiter
erzählt, aber der Kaiser, der Kaiser bleibt die ein-
zige Gestalt jener Tage. Er hat die Menschen
gequält, und dennoch vergöttern sie ihn, ei, ein
wenig Qual ist dem Menschengeschlechte nützer als
allzuschlaffes Wohlleben! Wahrlich, wahrlich, ich
sage Euch: An den gußeisernen Monumenten mit
den spitzigen Kirchendächern werden die Invaliden
wachen und die Gegitter den reisenden Englän-
dern aufschließen, aber nur an der Vendomesäule

Bezug zu dem Hauptmann, deſſen ganzes Geſicht
ſich erheiterte. Er drückte dem Neffen ſeines alten
Cameraden die Hand und ließ ſich nun in ſeinen
Kriegeserinnerungen bis zur Schlacht von Leipzig
ungemeſſen gehen. Dort aber bekamen ſie einen Halt
und ſtockten, ſo zu ſagen, hinter einem Schlagbaume,
über den ſie nicht hinwegſprangen. Am Schluſſe ſeiner
Erzählungen ſagte er: Es iſt um einen großen Mann
eine eigene Sache, und die Menſchheit ſchaufelt ſein
Bild aus dem Schutte hervor, mag das Unglück
dieſen noch ſo hoch über ihm aufgethürmt haben.
Was haben alle die Siege, die zweimal nach
Paris führten, den Siegern in Betreff des Nach-
ruhmes geholfen? Nichts. Es ſind Thatſachen
geblieben, die alle Welt kalt anhört und weiter
erzählt, aber der Kaiſer, der Kaiſer bleibt die ein-
zige Geſtalt jener Tage. Er hat die Menſchen
gequält, und dennoch vergöttern ſie ihn, ei, ein
wenig Qual iſt dem Menſchengeſchlechte nützer als
allzuſchlaffes Wohlleben! Wahrlich, wahrlich, ich
ſage Euch: An den gußeiſernen Monumenten mit
den ſpitzigen Kirchendächern werden die Invaliden
wachen und die Gegitter den reiſenden Englän-
dern aufſchließen, aber nur an der Vendomeſäule

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0428" n="420"/>
Bezug zu dem Hauptmann, de&#x017F;&#x017F;en ganzes Ge&#x017F;icht<lb/>
&#x017F;ich erheiterte. Er drückte dem Neffen &#x017F;eines alten<lb/>
Cameraden die Hand und ließ &#x017F;ich nun in &#x017F;einen<lb/>
Kriegeserinnerungen bis zur Schlacht von Leipzig<lb/>
ungeme&#x017F;&#x017F;en gehen. Dort aber bekamen &#x017F;ie einen Halt<lb/>
und &#x017F;tockten, &#x017F;o zu &#x017F;agen, hinter einem Schlagbaume,<lb/>
über den &#x017F;ie nicht hinweg&#x017F;prangen. Am Schlu&#x017F;&#x017F;e &#x017F;einer<lb/>
Erzählungen &#x017F;agte er: Es i&#x017F;t um einen großen Mann<lb/>
eine eigene Sache, und die Men&#x017F;chheit &#x017F;chaufelt &#x017F;ein<lb/>
Bild aus dem Schutte hervor, mag das Unglück<lb/>
die&#x017F;en noch &#x017F;o hoch über ihm aufgethürmt haben.<lb/>
Was haben alle die Siege, die zweimal nach<lb/>
Paris führten, den Siegern in Betreff des Nach-<lb/>
ruhmes geholfen? Nichts. Es &#x017F;ind That&#x017F;achen<lb/>
geblieben, die alle Welt kalt anhört und weiter<lb/>
erzählt, aber der Kai&#x017F;er, der Kai&#x017F;er bleibt die ein-<lb/>
zige Ge&#x017F;talt jener Tage. Er hat die Men&#x017F;chen<lb/>
gequält, und dennoch vergöttern &#x017F;ie ihn, ei, ein<lb/>
wenig Qual i&#x017F;t dem Men&#x017F;chenge&#x017F;chlechte nützer als<lb/>
allzu&#x017F;chlaffes Wohlleben! Wahrlich, wahrlich, ich<lb/>
&#x017F;age Euch: An den gußei&#x017F;ernen Monumenten mit<lb/>
den &#x017F;pitzigen Kirchendächern werden die Invaliden<lb/>
wachen und die Gegitter den rei&#x017F;enden Englän-<lb/>
dern auf&#x017F;chließen, aber nur an der Vendome&#x017F;äule<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[420/0428] Bezug zu dem Hauptmann, deſſen ganzes Geſicht ſich erheiterte. Er drückte dem Neffen ſeines alten Cameraden die Hand und ließ ſich nun in ſeinen Kriegeserinnerungen bis zur Schlacht von Leipzig ungemeſſen gehen. Dort aber bekamen ſie einen Halt und ſtockten, ſo zu ſagen, hinter einem Schlagbaume, über den ſie nicht hinwegſprangen. Am Schluſſe ſeiner Erzählungen ſagte er: Es iſt um einen großen Mann eine eigene Sache, und die Menſchheit ſchaufelt ſein Bild aus dem Schutte hervor, mag das Unglück dieſen noch ſo hoch über ihm aufgethürmt haben. Was haben alle die Siege, die zweimal nach Paris führten, den Siegern in Betreff des Nach- ruhmes geholfen? Nichts. Es ſind Thatſachen geblieben, die alle Welt kalt anhört und weiter erzählt, aber der Kaiſer, der Kaiſer bleibt die ein- zige Geſtalt jener Tage. Er hat die Menſchen gequält, und dennoch vergöttern ſie ihn, ei, ein wenig Qual iſt dem Menſchengeſchlechte nützer als allzuſchlaffes Wohlleben! Wahrlich, wahrlich, ich ſage Euch: An den gußeiſernen Monumenten mit den ſpitzigen Kirchendächern werden die Invaliden wachen und die Gegitter den reiſenden Englän- dern aufſchließen, aber nur an der Vendomeſäule

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/428
Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 420. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/428>, abgerufen am 01.06.2024.