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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838.

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Nachdem sie den treuen Verehrer vielfältig durch
Grillen und Zweideutigkeiten gekränkt hatte, setzte
sie ihrem Benehmen durch offenbare Untreue die
Krone auf. Der Himmel strafte sie aber doppelt
dafür; er ließ sie ihr Herz an einen Unwürdigen
hängen und bald hernach in eine schwere Krankheit
verfallen, von welcher sie nicht wieder erstand.
Auf dem Todtenbette trat die Reue ihren wankel-
müthigen Busen an, sie schickte nach dem Verlassenen,
es erfolgte eine Aussöhnung, und sie setzte ihn zum
Erben ihres Nachlasses ein. Unter diesem befand
sich eine Menge goldener, silberner, emaillirter,
seidner Kleinigkeiten, die das lebhafte Ding zusam-
mengekauft, erbettelt, erstoppelt hatte, da ihr
Auge, wie das der Elstern, an allen glänzenden
Dingen hing, und ihre Hand besitzen mußte, was
ihrem Auge gefiel. Der Hinterbliebene stellte nun
daraus ein kleines Cabinet sehr ordentlich zusam-
men, aber bald wollte ihm das Vorhandene nicht
mehr genügen, die Medaillen, die Figürchen, die
gemalten Portefeuilles und Mappen forderten
Gesellschaft, und er gab sie ihnen durch Münzen,
Metallsachen, Siegelkapseln, schöngeschriebene Per-
gamenturkunden. Dergleichen greift aber immer

Nachdem ſie den treuen Verehrer vielfältig durch
Grillen und Zweideutigkeiten gekränkt hatte, ſetzte
ſie ihrem Benehmen durch offenbare Untreue die
Krone auf. Der Himmel ſtrafte ſie aber doppelt
dafür; er ließ ſie ihr Herz an einen Unwürdigen
hängen und bald hernach in eine ſchwere Krankheit
verfallen, von welcher ſie nicht wieder erſtand.
Auf dem Todtenbette trat die Reue ihren wankel-
müthigen Buſen an, ſie ſchickte nach dem Verlaſſenen,
es erfolgte eine Ausſöhnung, und ſie ſetzte ihn zum
Erben ihres Nachlaſſes ein. Unter dieſem befand
ſich eine Menge goldener, ſilberner, emaillirter,
ſeidner Kleinigkeiten, die das lebhafte Ding zuſam-
mengekauft, erbettelt, erſtoppelt hatte, da ihr
Auge, wie das der Elſtern, an allen glänzenden
Dingen hing, und ihre Hand beſitzen mußte, was
ihrem Auge gefiel. Der Hinterbliebene ſtellte nun
daraus ein kleines Cabinet ſehr ordentlich zuſam-
men, aber bald wollte ihm das Vorhandene nicht
mehr genügen, die Medaillen, die Figürchen, die
gemalten Portefeuilles und Mappen forderten
Geſellſchaft, und er gab ſie ihnen durch Münzen,
Metallſachen, Siegelkapſeln, ſchöngeſchriebene Per-
gamenturkunden. Dergleichen greift aber immer

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[443/0451] Nachdem ſie den treuen Verehrer vielfältig durch Grillen und Zweideutigkeiten gekränkt hatte, ſetzte ſie ihrem Benehmen durch offenbare Untreue die Krone auf. Der Himmel ſtrafte ſie aber doppelt dafür; er ließ ſie ihr Herz an einen Unwürdigen hängen und bald hernach in eine ſchwere Krankheit verfallen, von welcher ſie nicht wieder erſtand. Auf dem Todtenbette trat die Reue ihren wankel- müthigen Buſen an, ſie ſchickte nach dem Verlaſſenen, es erfolgte eine Ausſöhnung, und ſie ſetzte ihn zum Erben ihres Nachlaſſes ein. Unter dieſem befand ſich eine Menge goldener, ſilberner, emaillirter, ſeidner Kleinigkeiten, die das lebhafte Ding zuſam- mengekauft, erbettelt, erſtoppelt hatte, da ihr Auge, wie das der Elſtern, an allen glänzenden Dingen hing, und ihre Hand beſitzen mußte, was ihrem Auge gefiel. Der Hinterbliebene ſtellte nun daraus ein kleines Cabinet ſehr ordentlich zuſam- men, aber bald wollte ihm das Vorhandene nicht mehr genügen, die Medaillen, die Figürchen, die gemalten Portefeuilles und Mappen forderten Geſellſchaft, und er gab ſie ihnen durch Münzen, Metallſachen, Siegelkapſeln, ſchöngeſchriebene Per- gamenturkunden. Dergleichen greift aber immer

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 443. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/451>, abgerufen am 17.05.2024.