Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838.

Bild:
<< vorherige Seite

stellte und mir durch diese Unwahrheit die Amphora
zueignete, macht mir oft die ganze Sammlung
keine rechte Freude mehr. Denn bei Alterthümern
beruht Alles auf der Wahrheit, und wer für ein
fremdes gelogen hat, der kann auch leicht den
Glauben an seine eigenen verlieren. Es geht mir
schon hin und wieder so; ich sehe die Donnerkeile
zweifelnd an, ich habe bereits geträumt, meine so
schönen Bracteaten seien nachgemachte Scharteken.
Das Ende vom Liede wird wohl seyn, daß ich die
Amphora zurückgebe und mir mein falsches Attest
wieder aushändigen lasse, wenn ich gleich nicht
weiß, wie ich den Verlust des prächtigen Gefäßes
werde überstehen können.

Der Jäger mußte ungeachtet des kummervollen
Gesichtes, welches der alte Mann machte, lächeln,
und sagte: Mit Ihrer Gewissenhaftigkeit wäre nie
ein Musäum zu Stande gebracht worden. -- Aber
sagen Sie mir, was für eine Bewandniß hat es
eigentlich mit dem Schwerte, auf welches der Hof-
schulze einen so außerordentlichen Werth legt?

Hierauf gab der Sammler dem Jäger folgende
wundersame Auskunft. Daß hier auf unserer rothen
Erde der geweihte Boden der Freigerichte, welche

ſtellte und mir durch dieſe Unwahrheit die Amphora
zueignete, macht mir oft die ganze Sammlung
keine rechte Freude mehr. Denn bei Alterthümern
beruht Alles auf der Wahrheit, und wer für ein
fremdes gelogen hat, der kann auch leicht den
Glauben an ſeine eigenen verlieren. Es geht mir
ſchon hin und wieder ſo; ich ſehe die Donnerkeile
zweifelnd an, ich habe bereits geträumt, meine ſo
ſchönen Bracteaten ſeien nachgemachte Scharteken.
Das Ende vom Liede wird wohl ſeyn, daß ich die
Amphora zurückgebe und mir mein falſches Atteſt
wieder aushändigen laſſe, wenn ich gleich nicht
weiß, wie ich den Verluſt des prächtigen Gefäßes
werde überſtehen können.

Der Jäger mußte ungeachtet des kummervollen
Geſichtes, welches der alte Mann machte, lächeln,
und ſagte: Mit Ihrer Gewiſſenhaftigkeit wäre nie
ein Muſäum zu Stande gebracht worden. — Aber
ſagen Sie mir, was für eine Bewandniß hat es
eigentlich mit dem Schwerte, auf welches der Hof-
ſchulze einen ſo außerordentlichen Werth legt?

Hierauf gab der Sammler dem Jäger folgende
wunderſame Auskunft. Daß hier auf unſerer rothen
Erde der geweihte Boden der Freigerichte, welche

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0453" n="445"/>
&#x017F;tellte und mir durch die&#x017F;e Unwahrheit die Amphora<lb/>
zueignete, macht mir oft die ganze Sammlung<lb/>
keine rechte Freude mehr. Denn bei Alterthümern<lb/>
beruht Alles auf der Wahrheit, und wer für ein<lb/>
fremdes gelogen hat, der kann auch leicht den<lb/>
Glauben an &#x017F;eine eigenen verlieren. Es geht mir<lb/>
&#x017F;chon hin und wieder &#x017F;o; ich &#x017F;ehe die Donnerkeile<lb/>
zweifelnd an, ich habe bereits geträumt, meine &#x017F;o<lb/>
&#x017F;chönen Bracteaten &#x017F;eien nachgemachte Scharteken.<lb/>
Das Ende vom Liede wird wohl &#x017F;eyn, daß ich die<lb/>
Amphora zurückgebe und mir mein fal&#x017F;ches Atte&#x017F;t<lb/>
wieder aushändigen la&#x017F;&#x017F;e, wenn ich gleich nicht<lb/>
weiß, wie ich den Verlu&#x017F;t des prächtigen Gefäßes<lb/>
werde über&#x017F;tehen können.</p><lb/>
          <p>Der Jäger mußte ungeachtet des kummervollen<lb/>
Ge&#x017F;ichtes, welches der alte Mann machte, lächeln,<lb/>
und &#x017F;agte: Mit Ihrer Gewi&#x017F;&#x017F;enhaftigkeit wäre nie<lb/>
ein Mu&#x017F;äum zu Stande gebracht worden. &#x2014; Aber<lb/>
&#x017F;agen Sie mir, was für eine Bewandniß hat es<lb/>
eigentlich mit dem Schwerte, auf welches der Hof-<lb/>
&#x017F;chulze einen &#x017F;o außerordentlichen Werth legt?</p><lb/>
          <p>Hierauf gab der Sammler dem Jäger folgende<lb/>
wunder&#x017F;ame Auskunft. Daß hier auf un&#x017F;erer rothen<lb/>
Erde der geweihte Boden der Freigerichte, welche<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[445/0453] ſtellte und mir durch dieſe Unwahrheit die Amphora zueignete, macht mir oft die ganze Sammlung keine rechte Freude mehr. Denn bei Alterthümern beruht Alles auf der Wahrheit, und wer für ein fremdes gelogen hat, der kann auch leicht den Glauben an ſeine eigenen verlieren. Es geht mir ſchon hin und wieder ſo; ich ſehe die Donnerkeile zweifelnd an, ich habe bereits geträumt, meine ſo ſchönen Bracteaten ſeien nachgemachte Scharteken. Das Ende vom Liede wird wohl ſeyn, daß ich die Amphora zurückgebe und mir mein falſches Atteſt wieder aushändigen laſſe, wenn ich gleich nicht weiß, wie ich den Verluſt des prächtigen Gefäßes werde überſtehen können. Der Jäger mußte ungeachtet des kummervollen Geſichtes, welches der alte Mann machte, lächeln, und ſagte: Mit Ihrer Gewiſſenhaftigkeit wäre nie ein Muſäum zu Stande gebracht worden. — Aber ſagen Sie mir, was für eine Bewandniß hat es eigentlich mit dem Schwerte, auf welches der Hof- ſchulze einen ſo außerordentlichen Werth legt? Hierauf gab der Sammler dem Jäger folgende wunderſame Auskunft. Daß hier auf unſerer rothen Erde der geweihte Boden der Freigerichte, welche

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/453
Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 445. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/453>, abgerufen am 17.05.2024.