Der Oberhof gehört nun recht eigentlich zu den alten Freischöffengütern. Nach dem Bauern- glauben war es Karl der Große, der die Gerichte einsetzte, und das Gewaffen, was in dem Hofe aufbewahrt wird, gilt für das Richtschwert, welches der Kaiser zum Zeichen der Investitur dem ersten Besitzer gegeben habe. Der Hofschulze, der ein gar schlauer Vogel ist, hat, sein Ansehen zu stei- gern, sich diesen Glauben zu Nutze gemacht, und spielt nun eine Art von Freigrafen. Er soll nicht selten mit den Schöffen der umliegenden großen Höfe am Freistuhl zusammenkommen. Ja man spricht, daß durch ihn in die leeren Possen wieder ein Gehalt gebracht worden sei, daß sie über manche Sachen wirklich ihre geheimen Urtheile fällen. So viel ist wenigstens gewiß, daß die Gerichte sich selbst über die wenigen Streitigkeiten wundern, die aus jener Gegend vor sie gebracht werden, obgleich unser Land sonst die Heimath der Prozeßkrämer ist.
Aber wie ist das möglich, da ihnen ja jede Macht der Ausführung fehlt? fragte der Jäger, den diese seltsame Entdeckung ganz träumerisch bewegte.
Der Oberhof gehört nun recht eigentlich zu den alten Freiſchöffengütern. Nach dem Bauern- glauben war es Karl der Große, der die Gerichte einſetzte, und das Gewaffen, was in dem Hofe aufbewahrt wird, gilt für das Richtſchwert, welches der Kaiſer zum Zeichen der Inveſtitur dem erſten Beſitzer gegeben habe. Der Hofſchulze, der ein gar ſchlauer Vogel iſt, hat, ſein Anſehen zu ſtei- gern, ſich dieſen Glauben zu Nutze gemacht, und ſpielt nun eine Art von Freigrafen. Er ſoll nicht ſelten mit den Schöffen der umliegenden großen Höfe am Freiſtuhl zuſammenkommen. Ja man ſpricht, daß durch ihn in die leeren Poſſen wieder ein Gehalt gebracht worden ſei, daß ſie über manche Sachen wirklich ihre geheimen Urtheile fällen. So viel iſt wenigſtens gewiß, daß die Gerichte ſich ſelbſt über die wenigen Streitigkeiten wundern, die aus jener Gegend vor ſie gebracht werden, obgleich unſer Land ſonſt die Heimath der Prozeßkrämer iſt.
Aber wie iſt das möglich, da ihnen ja jede Macht der Ausführung fehlt? fragte der Jäger, den dieſe ſeltſame Entdeckung ganz träumeriſch bewegte.
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Der Oberhof gehört nun recht eigentlich zu
den alten Freiſchöffengütern. Nach dem Bauern-
glauben war es Karl der Große, der die Gerichte
einſetzte, und das Gewaffen, was in dem Hofe
aufbewahrt wird, gilt für das Richtſchwert, welches
der Kaiſer zum Zeichen der Inveſtitur dem erſten
Beſitzer gegeben habe. Der Hofſchulze, der ein
gar ſchlauer Vogel iſt, hat, ſein Anſehen zu ſtei-
gern, ſich dieſen Glauben zu Nutze gemacht, und
ſpielt nun eine Art von Freigrafen. Er ſoll nicht
ſelten mit den Schöffen der umliegenden großen
Höfe am Freiſtuhl zuſammenkommen. Ja man
ſpricht, daß durch ihn in die leeren Poſſen wieder
ein Gehalt gebracht worden ſei, daß ſie über
manche Sachen wirklich ihre geheimen Urtheile
fällen. So viel iſt wenigſtens gewiß, daß die
Gerichte ſich ſelbſt über die wenigen Streitigkeiten
wundern, die aus jener Gegend vor ſie gebracht
werden, obgleich unſer Land ſonſt die Heimath
der Prozeßkrämer iſt.
Aber wie iſt das möglich, da ihnen ja jede
Macht der Ausführung fehlt? fragte der Jäger,
den dieſe ſeltſame Entdeckung ganz träumeriſch
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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 447. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/455>, abgerufen am 23.11.2024.
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