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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838.

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dünkt, es hieß Knippelsdorf, oder so ungefähr,
kennen lernte. Die Gegend um Knippelsdorf ist
etwas unfruchtbar, nur bei großen Ueberschwem-
mungen werden die Felder grün, dann giebt es
große Festlichkeiten, wobei sich die Leute in Grütze
satt essen. Aber hübsche Kiefern haben sie da,
und Windhafer, so viel ihr Herz begehrt. Die
Achse war mir am Wagen gebrochen; ich mußte
ein Paar Stunden im Kruge sitzen, bis der
Stellmacher sie, nämlich die Achse, reparirt hatte.
Dieser Aufenthalt zeigte mir "Knippelsdorfer Zu-
stände." Es war Neun Uhr Morgens, und ein
schöner heißer Julius, indessen schien der Tag
durch die runden Fenster der Krugstube nicht
absonderlich hell, sie waren gar zu verschmaucht.
In der Stube gingen die Hühner spazieren, unei-
gennützig, denn zu essen gab es da nichts, wie ich
erfuhr, als ich nachfragte. Zu trinken konnte ich
bekommen, wenn ich bis zum folgenden Tage blei-
ben wollte, da würden sie Dünnbier von Zahne
holen, sagten sie. Es roch abscheulich in der
Stube, aber auf Reinlichkeit hielten sie doch, denn
eine Magd im Neglige mit fliegendem Haar wischte
gehörig den langen Tisch ab, und nachher mit

dünkt, es hieß Knippelsdorf, oder ſo ungefähr,
kennen lernte. Die Gegend um Knippelsdorf iſt
etwas unfruchtbar, nur bei großen Ueberſchwem-
mungen werden die Felder grün, dann giebt es
große Feſtlichkeiten, wobei ſich die Leute in Grütze
ſatt eſſen. Aber hübſche Kiefern haben ſie da,
und Windhafer, ſo viel ihr Herz begehrt. Die
Achſe war mir am Wagen gebrochen; ich mußte
ein Paar Stunden im Kruge ſitzen, bis der
Stellmacher ſie, nämlich die Achſe, reparirt hatte.
Dieſer Aufenthalt zeigte mir „Knippelsdorfer Zu-
ſtände.“ Es war Neun Uhr Morgens, und ein
ſchöner heißer Julius, indeſſen ſchien der Tag
durch die runden Fenſter der Krugſtube nicht
abſonderlich hell, ſie waren gar zu verſchmaucht.
In der Stube gingen die Hühner ſpazieren, unei-
gennützig, denn zu eſſen gab es da nichts, wie ich
erfuhr, als ich nachfragte. Zu trinken konnte ich
bekommen, wenn ich bis zum folgenden Tage blei-
ben wollte, da würden ſie Dünnbier von Zahne
holen, ſagten ſie. Es roch abſcheulich in der
Stube, aber auf Reinlichkeit hielten ſie doch, denn
eine Magd im Negligè mit fliegendem Haar wiſchte
gehörig den langen Tiſch ab, und nachher mit

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[61/0069] dünkt, es hieß Knippelsdorf, oder ſo ungefähr, kennen lernte. Die Gegend um Knippelsdorf iſt etwas unfruchtbar, nur bei großen Ueberſchwem- mungen werden die Felder grün, dann giebt es große Feſtlichkeiten, wobei ſich die Leute in Grütze ſatt eſſen. Aber hübſche Kiefern haben ſie da, und Windhafer, ſo viel ihr Herz begehrt. Die Achſe war mir am Wagen gebrochen; ich mußte ein Paar Stunden im Kruge ſitzen, bis der Stellmacher ſie, nämlich die Achſe, reparirt hatte. Dieſer Aufenthalt zeigte mir „Knippelsdorfer Zu- ſtände.“ Es war Neun Uhr Morgens, und ein ſchöner heißer Julius, indeſſen ſchien der Tag durch die runden Fenſter der Krugſtube nicht abſonderlich hell, ſie waren gar zu verſchmaucht. In der Stube gingen die Hühner ſpazieren, unei- gennützig, denn zu eſſen gab es da nichts, wie ich erfuhr, als ich nachfragte. Zu trinken konnte ich bekommen, wenn ich bis zum folgenden Tage blei- ben wollte, da würden ſie Dünnbier von Zahne holen, ſagten ſie. Es roch abſcheulich in der Stube, aber auf Reinlichkeit hielten ſie doch, denn eine Magd im Negligè mit fliegendem Haar wiſchte gehörig den langen Tiſch ab, und nachher mit

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/69>, abgerufen am 19.05.2024.