dünkt, es hieß Knippelsdorf, oder so ungefähr, kennen lernte. Die Gegend um Knippelsdorf ist etwas unfruchtbar, nur bei großen Ueberschwem- mungen werden die Felder grün, dann giebt es große Festlichkeiten, wobei sich die Leute in Grütze satt essen. Aber hübsche Kiefern haben sie da, und Windhafer, so viel ihr Herz begehrt. Die Achse war mir am Wagen gebrochen; ich mußte ein Paar Stunden im Kruge sitzen, bis der Stellmacher sie, nämlich die Achse, reparirt hatte. Dieser Aufenthalt zeigte mir "Knippelsdorfer Zu- stände." Es war Neun Uhr Morgens, und ein schöner heißer Julius, indessen schien der Tag durch die runden Fenster der Krugstube nicht absonderlich hell, sie waren gar zu verschmaucht. In der Stube gingen die Hühner spazieren, unei- gennützig, denn zu essen gab es da nichts, wie ich erfuhr, als ich nachfragte. Zu trinken konnte ich bekommen, wenn ich bis zum folgenden Tage blei- ben wollte, da würden sie Dünnbier von Zahne holen, sagten sie. Es roch abscheulich in der Stube, aber auf Reinlichkeit hielten sie doch, denn eine Magd im Neglige mit fliegendem Haar wischte gehörig den langen Tisch ab, und nachher mit
dünkt, es hieß Knippelsdorf, oder ſo ungefähr, kennen lernte. Die Gegend um Knippelsdorf iſt etwas unfruchtbar, nur bei großen Ueberſchwem- mungen werden die Felder grün, dann giebt es große Feſtlichkeiten, wobei ſich die Leute in Grütze ſatt eſſen. Aber hübſche Kiefern haben ſie da, und Windhafer, ſo viel ihr Herz begehrt. Die Achſe war mir am Wagen gebrochen; ich mußte ein Paar Stunden im Kruge ſitzen, bis der Stellmacher ſie, nämlich die Achſe, reparirt hatte. Dieſer Aufenthalt zeigte mir „Knippelsdorfer Zu- ſtände.“ Es war Neun Uhr Morgens, und ein ſchöner heißer Julius, indeſſen ſchien der Tag durch die runden Fenſter der Krugſtube nicht abſonderlich hell, ſie waren gar zu verſchmaucht. In der Stube gingen die Hühner ſpazieren, unei- gennützig, denn zu eſſen gab es da nichts, wie ich erfuhr, als ich nachfragte. Zu trinken konnte ich bekommen, wenn ich bis zum folgenden Tage blei- ben wollte, da würden ſie Dünnbier von Zahne holen, ſagten ſie. Es roch abſcheulich in der Stube, aber auf Reinlichkeit hielten ſie doch, denn eine Magd im Negligè mit fliegendem Haar wiſchte gehörig den langen Tiſch ab, und nachher mit
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0069"n="61"/>
dünkt, es hieß Knippelsdorf, oder ſo ungefähr,<lb/>
kennen lernte. Die Gegend um Knippelsdorf iſt<lb/>
etwas unfruchtbar, nur bei großen Ueberſchwem-<lb/>
mungen werden die Felder grün, dann giebt es<lb/>
große Feſtlichkeiten, wobei ſich die Leute in Grütze<lb/>ſatt eſſen. Aber hübſche Kiefern haben ſie da,<lb/>
und Windhafer, ſo viel ihr Herz begehrt. Die<lb/>
Achſe war mir am Wagen gebrochen; ich mußte<lb/>
ein Paar Stunden im Kruge ſitzen, bis der<lb/>
Stellmacher ſie, nämlich die Achſe, reparirt hatte.<lb/>
Dieſer Aufenthalt zeigte mir „Knippelsdorfer Zu-<lb/>ſtände.“ Es war Neun Uhr Morgens, und ein<lb/>ſchöner heißer Julius, indeſſen ſchien der Tag<lb/>
durch die runden Fenſter der Krugſtube nicht<lb/>
abſonderlich hell, ſie waren gar zu verſchmaucht.<lb/>
In der Stube gingen die Hühner ſpazieren, unei-<lb/>
gennützig, denn zu eſſen gab es da nichts, wie ich<lb/>
erfuhr, als ich nachfragte. Zu trinken konnte ich<lb/>
bekommen, wenn ich bis zum folgenden Tage blei-<lb/>
ben wollte, da würden ſie Dünnbier von Zahne<lb/>
holen, ſagten ſie. Es roch abſcheulich in der<lb/>
Stube, aber auf Reinlichkeit hielten ſie doch, denn<lb/>
eine Magd im Neglig<hirendition="#aq">è</hi> mit fliegendem Haar wiſchte<lb/>
gehörig den langen Tiſch ab, und nachher mit<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[61/0069]
dünkt, es hieß Knippelsdorf, oder ſo ungefähr,
kennen lernte. Die Gegend um Knippelsdorf iſt
etwas unfruchtbar, nur bei großen Ueberſchwem-
mungen werden die Felder grün, dann giebt es
große Feſtlichkeiten, wobei ſich die Leute in Grütze
ſatt eſſen. Aber hübſche Kiefern haben ſie da,
und Windhafer, ſo viel ihr Herz begehrt. Die
Achſe war mir am Wagen gebrochen; ich mußte
ein Paar Stunden im Kruge ſitzen, bis der
Stellmacher ſie, nämlich die Achſe, reparirt hatte.
Dieſer Aufenthalt zeigte mir „Knippelsdorfer Zu-
ſtände.“ Es war Neun Uhr Morgens, und ein
ſchöner heißer Julius, indeſſen ſchien der Tag
durch die runden Fenſter der Krugſtube nicht
abſonderlich hell, ſie waren gar zu verſchmaucht.
In der Stube gingen die Hühner ſpazieren, unei-
gennützig, denn zu eſſen gab es da nichts, wie ich
erfuhr, als ich nachfragte. Zu trinken konnte ich
bekommen, wenn ich bis zum folgenden Tage blei-
ben wollte, da würden ſie Dünnbier von Zahne
holen, ſagten ſie. Es roch abſcheulich in der
Stube, aber auf Reinlichkeit hielten ſie doch, denn
eine Magd im Negligè mit fliegendem Haar wiſchte
gehörig den langen Tiſch ab, und nachher mit
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/69>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.