die Ruder klatschen, die Segel sausen, der Kiel schwirrt lustig durch das Meer von Kunst, Stadt- neuigkeiten, Politik, Krankheits- und Gesundheits- umständen, Religion und Carnevalsbällen.
Nachdem das Schweigen in der Gesellschaft, von welcher hier die Rede ist, etliche Minuten gedauert hatte, und die verschiednen Affecte der Schweigen- den in die heiße Sehnsucht, ein menschliches Wort zu vernehmen, übergegangen waren, sagte das Fräu- lein zu Münchhausen plötzlich, wie von einem guten Geiste erleuchtet: Es pflegt doch immer im Sommer schöneres Wetter zu seyn, als im Winter.
Nach dieser Explosion athmeten Alle frei auf und fühlten sich von dem Zauber erlöset, der über ihnen gelastet zu haben schien, nachdem von unsrem Nationaltragöden so viel die Rede gewesen war. Münchhausen aber küßte dem Fräu- lein die Hand und versetzte: Sie haben da eine tiefsinnige Wahrheit ausgesprochen, meine Gnädigste, und ich kenne außer Ihnen nur noch eine Dame, welche diese großartige Naturbetrachtung fest im schönen Gemüthe ergriffen hat, und sie einem Dichter zu äußern pflegt, jederzeit, wo er das Glück hat, ihr zu nahn. Vergebens, daß der Dichter Manches
die Ruder klatſchen, die Segel ſauſen, der Kiel ſchwirrt luſtig durch das Meer von Kunſt, Stadt- neuigkeiten, Politik, Krankheits- und Geſundheits- umſtänden, Religion und Carnevalsbällen.
Nachdem das Schweigen in der Geſellſchaft, von welcher hier die Rede iſt, etliche Minuten gedauert hatte, und die verſchiednen Affecte der Schweigen- den in die heiße Sehnſucht, ein menſchliches Wort zu vernehmen, übergegangen waren, ſagte das Fräu- lein zu Münchhauſen plötzlich, wie von einem guten Geiſte erleuchtet: Es pflegt doch immer im Sommer ſchöneres Wetter zu ſeyn, als im Winter.
Nach dieſer Exploſion athmeten Alle frei auf und fühlten ſich von dem Zauber erlöſet, der über ihnen gelaſtet zu haben ſchien, nachdem von unſrem Nationaltragöden ſo viel die Rede geweſen war. Münchhauſen aber küßte dem Fräu- lein die Hand und verſetzte: Sie haben da eine tiefſinnige Wahrheit ausgeſprochen, meine Gnädigſte, und ich kenne außer Ihnen nur noch eine Dame, welche dieſe großartige Naturbetrachtung feſt im ſchönen Gemüthe ergriffen hat, und ſie einem Dichter zu äußern pflegt, jederzeit, wo er das Glück hat, ihr zu nahn. Vergebens, daß der Dichter Manches
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[72/0080]
die Ruder klatſchen, die Segel ſauſen, der Kiel
ſchwirrt luſtig durch das Meer von Kunſt, Stadt-
neuigkeiten, Politik, Krankheits- und Geſundheits-
umſtänden, Religion und Carnevalsbällen.
Nachdem das Schweigen in der Geſellſchaft, von
welcher hier die Rede iſt, etliche Minuten gedauert
hatte, und die verſchiednen Affecte der Schweigen-
den in die heiße Sehnſucht, ein menſchliches Wort
zu vernehmen, übergegangen waren, ſagte das Fräu-
lein zu Münchhauſen plötzlich, wie von einem
guten Geiſte erleuchtet: Es pflegt doch immer im
Sommer ſchöneres Wetter zu ſeyn, als im Winter.
Nach dieſer Exploſion athmeten Alle frei auf
und fühlten ſich von dem Zauber erlöſet, der
über ihnen gelaſtet zu haben ſchien, nachdem
von unſrem Nationaltragöden ſo viel die Rede
geweſen war. Münchhauſen aber küßte dem Fräu-
lein die Hand und verſetzte: Sie haben da eine
tiefſinnige Wahrheit ausgeſprochen, meine Gnädigſte,
und ich kenne außer Ihnen nur noch eine Dame,
welche dieſe großartige Naturbetrachtung feſt im
ſchönen Gemüthe ergriffen hat, und ſie einem Dichter
zu äußern pflegt, jederzeit, wo er das Glück hat,
ihr zu nahn. Vergebens, daß der Dichter Manches
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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/80>, abgerufen am 27.11.2024.
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