ten ausklauben, vorlegen, und er wollte sie dann nach der ratio nunquam scripta des Luftrechtes entscheiden.
Er schloß die Polterkammer im ersten Dämmer auf. An der schrägen Dachwandung, wo gebrochene Lichter sich zwischen den Ritzen der Ziegeln und Schindeln hindurch stahlen, stand ein ehemaliger L'hombretisch mit eingelegten Holzfiguren auf drei Beinen, den ernannte er zur Gerichtstafel. Er mußte, um zu ihm zu gelangen, einige Reihen leerer Champagnerflaschen, drei alte zerbrochene japanische Vasen, ein messingnes Papageienbauer und ein ver- bogenes Jagdhorn wegräumen; Zeugen und Denk- mäler einstiger glücklicher Tage. Hierauf ließ sich der Tisch bequem in die Mitte der Polterkammer bringen und mit Hülfe eines Gueridons von ver- gilbtem Alabaster, der sich dort auch irgendwo fand, auf einen sicheren vierten Fuß stellen. In einer andern Ecke stand ein orangeplüschener Großvater- stuhl, den schob er als Richterstuhl hinter die Ge- richtstafel. Nun fehlten nur noch die Acten, die Bücher und das Richtercostüm, um dem Ganzen das gehörige ehrwürdige Ansehen zu geben. Acten und Bücher fanden sich leicht, denn es lagen da ganze Bündel alter Papiere und Haufen schweins-
ten ausklauben, vorlegen, und er wollte ſie dann nach der ratio nunquam ſcripta des Luftrechtes entſcheiden.
Er ſchloß die Polterkammer im erſten Dämmer auf. An der ſchrägen Dachwandung, wo gebrochene Lichter ſich zwiſchen den Ritzen der Ziegeln und Schindeln hindurch ſtahlen, ſtand ein ehemaliger L’hombretiſch mit eingelegten Holzfiguren auf drei Beinen, den ernannte er zur Gerichtstafel. Er mußte, um zu ihm zu gelangen, einige Reihen leerer Champagnerflaſchen, drei alte zerbrochene japaniſche Vaſen, ein meſſingnes Papageienbauer und ein ver- bogenes Jagdhorn wegräumen; Zeugen und Denk- mäler einſtiger glücklicher Tage. Hierauf ließ ſich der Tiſch bequem in die Mitte der Polterkammer bringen und mit Hülfe eines Gueridons von ver- gilbtem Alabaſter, der ſich dort auch irgendwo fand, auf einen ſicheren vierten Fuß ſtellen. In einer andern Ecke ſtand ein orangeplüſchener Großvater- ſtuhl, den ſchob er als Richterſtuhl hinter die Ge- richtstafel. Nun fehlten nur noch die Acten, die Bücher und das Richtercoſtüm, um dem Ganzen das gehörige ehrwürdige Anſehen zu geben. Acten und Bücher fanden ſich leicht, denn es lagen da ganze Bündel alter Papiere und Haufen ſchweins-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0104"n="86"/>
ten ausklauben, vorlegen, und er wollte ſie dann nach<lb/>
der ratio nunquam ſcripta des Luftrechtes entſcheiden.</p><lb/><p>Er ſchloß die Polterkammer im erſten Dämmer<lb/>
auf. An der ſchrägen Dachwandung, wo gebrochene<lb/>
Lichter ſich zwiſchen den Ritzen der Ziegeln und<lb/>
Schindeln hindurch ſtahlen, ſtand ein ehemaliger<lb/>
L’hombretiſch mit eingelegten Holzfiguren auf drei<lb/>
Beinen, den ernannte er zur Gerichtstafel. Er<lb/>
mußte, um zu ihm zu gelangen, einige Reihen leerer<lb/>
Champagnerflaſchen, drei alte zerbrochene japaniſche<lb/>
Vaſen, ein meſſingnes Papageienbauer und ein ver-<lb/>
bogenes Jagdhorn wegräumen; Zeugen und Denk-<lb/>
mäler einſtiger glücklicher Tage. Hierauf ließ ſich<lb/>
der Tiſch bequem in die Mitte der Polterkammer<lb/>
bringen und mit Hülfe eines Gueridons von ver-<lb/>
gilbtem Alabaſter, der ſich dort auch irgendwo fand,<lb/>
auf einen ſicheren vierten Fuß ſtellen. In einer<lb/>
andern Ecke ſtand ein orangeplüſchener Großvater-<lb/>ſtuhl, den ſchob er als Richterſtuhl hinter die Ge-<lb/>
richtstafel. Nun fehlten nur noch die Acten, die<lb/>
Bücher und das Richtercoſtüm, um dem Ganzen<lb/>
das gehörige ehrwürdige Anſehen zu geben. Acten<lb/>
und Bücher fanden ſich leicht, denn es lagen da<lb/>
ganze Bündel alter Papiere und Haufen ſchweins-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[86/0104]
ten ausklauben, vorlegen, und er wollte ſie dann nach
der ratio nunquam ſcripta des Luftrechtes entſcheiden.
Er ſchloß die Polterkammer im erſten Dämmer
auf. An der ſchrägen Dachwandung, wo gebrochene
Lichter ſich zwiſchen den Ritzen der Ziegeln und
Schindeln hindurch ſtahlen, ſtand ein ehemaliger
L’hombretiſch mit eingelegten Holzfiguren auf drei
Beinen, den ernannte er zur Gerichtstafel. Er
mußte, um zu ihm zu gelangen, einige Reihen leerer
Champagnerflaſchen, drei alte zerbrochene japaniſche
Vaſen, ein meſſingnes Papageienbauer und ein ver-
bogenes Jagdhorn wegräumen; Zeugen und Denk-
mäler einſtiger glücklicher Tage. Hierauf ließ ſich
der Tiſch bequem in die Mitte der Polterkammer
bringen und mit Hülfe eines Gueridons von ver-
gilbtem Alabaſter, der ſich dort auch irgendwo fand,
auf einen ſicheren vierten Fuß ſtellen. In einer
andern Ecke ſtand ein orangeplüſchener Großvater-
ſtuhl, den ſchob er als Richterſtuhl hinter die Ge-
richtstafel. Nun fehlten nur noch die Acten, die
Bücher und das Richtercoſtüm, um dem Ganzen
das gehörige ehrwürdige Anſehen zu geben. Acten
und Bücher fanden ſich leicht, denn es lagen da
ganze Bündel alter Papiere und Haufen ſchweins-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839/104>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.