Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

lederner Bände auf dem Boden umher. Er nahm
verschiedene Convolute unbeantwortet gebliebener
Mahnbriefe auf und bedeckte damit die Gerichts-
tafel. An deren Rändern rings herum stellte er
den Abbe de la Plüche, Schelmufsky's Reisen, das
curieuse Welttheater und die asiatische Banise sammt
dem Leben der weltberüchtigten Frau Neuberin als
richterliche Hand- und Hülfsbibliothek auf. Das
Costume ließ sich schwerer entdecken, doch war er
auch in dieser Beziehung zuletzt glücklich. Denn
als er von der der Dachwand entgegengesetzten
einen Bettschirm mit Schäfern aus Geßners Idyl-
len hinweggethan hatte, sah er eine Reihe alter
Kleidungsstücke an den Nägeln hangen. Unter
diesen erblickte er einen schwarzen Domino, von
dem er sich erinnerte, ihn auf der Vermählungs-
redoute des letzten Fürsten von Hechelkram getragen
zu haben, eine Sammettoque, in der seine Gemahlin
einst einen englischen Herzog bezaubert hatte, und
eine abgelegte Spitzenfraise, deren Geschichte ihm
entfallen war. Er nahm diese drei Stücke, welche
ihm Richtermantel, Barett und Kragen bedeuten
mußten, und hing sie an einem Pflocke der Gerichts-
tafel gegenüber auf.


lederner Bände auf dem Boden umher. Er nahm
verſchiedene Convolute unbeantwortet gebliebener
Mahnbriefe auf und bedeckte damit die Gerichts-
tafel. An deren Rändern rings herum ſtellte er
den Abbé de la Plüche, Schelmufsky’s Reiſen, das
curieuſe Welttheater und die aſiatiſche Baniſe ſammt
dem Leben der weltberüchtigten Frau Neuberin als
richterliche Hand- und Hülfsbibliothek auf. Das
Coſtume ließ ſich ſchwerer entdecken, doch war er
auch in dieſer Beziehung zuletzt glücklich. Denn
als er von der der Dachwand entgegengeſetzten
einen Bettſchirm mit Schäfern aus Geßners Idyl-
len hinweggethan hatte, ſah er eine Reihe alter
Kleidungsſtücke an den Nägeln hangen. Unter
dieſen erblickte er einen ſchwarzen Domino, von
dem er ſich erinnerte, ihn auf der Vermählungs-
redoute des letzten Fürſten von Hechelkram getragen
zu haben, eine Sammettoque, in der ſeine Gemahlin
einſt einen engliſchen Herzog bezaubert hatte, und
eine abgelegte Spitzenfraiſe, deren Geſchichte ihm
entfallen war. Er nahm dieſe drei Stücke, welche
ihm Richtermantel, Barett und Kragen bedeuten
mußten, und hing ſie an einem Pflocke der Gerichts-
tafel gegenüber auf.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0105" n="87"/>
lederner Bände auf dem Boden umher. Er nahm<lb/>
ver&#x017F;chiedene Convolute unbeantwortet gebliebener<lb/>
Mahnbriefe auf und bedeckte damit die Gerichts-<lb/>
tafel. An deren Rändern rings herum &#x017F;tellte er<lb/>
den Abb<hi rendition="#aq">é</hi> de la Plüche, Schelmufsky&#x2019;s Rei&#x017F;en, das<lb/>
curieu&#x017F;e Welttheater und die a&#x017F;iati&#x017F;che Bani&#x017F;e &#x017F;ammt<lb/>
dem Leben der weltberüchtigten Frau Neuberin als<lb/>
richterliche Hand- und Hülfsbibliothek auf. Das<lb/>
Co&#x017F;tume ließ &#x017F;ich &#x017F;chwerer entdecken, doch war er<lb/>
auch in die&#x017F;er Beziehung zuletzt glücklich. Denn<lb/>
als er von der der Dachwand entgegenge&#x017F;etzten<lb/>
einen Bett&#x017F;chirm mit Schäfern aus Geßners Idyl-<lb/>
len hinweggethan hatte, &#x017F;ah er eine Reihe alter<lb/>
Kleidungs&#x017F;tücke an den Nägeln hangen. Unter<lb/>
die&#x017F;en erblickte er einen &#x017F;chwarzen Domino, von<lb/>
dem er &#x017F;ich erinnerte, ihn auf der Vermählungs-<lb/>
redoute des letzten Für&#x017F;ten von Hechelkram getragen<lb/>
zu haben, eine Sammettoque, in der &#x017F;eine Gemahlin<lb/>
ein&#x017F;t einen engli&#x017F;chen Herzog bezaubert hatte, und<lb/>
eine abgelegte Spitzenfrai&#x017F;e, deren Ge&#x017F;chichte ihm<lb/>
entfallen war. Er nahm die&#x017F;e drei Stücke, welche<lb/>
ihm Richtermantel, Barett und Kragen bedeuten<lb/>
mußten, und hing &#x017F;ie an einem Pflocke der Gerichts-<lb/>
tafel gegenüber auf.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[87/0105] lederner Bände auf dem Boden umher. Er nahm verſchiedene Convolute unbeantwortet gebliebener Mahnbriefe auf und bedeckte damit die Gerichts- tafel. An deren Rändern rings herum ſtellte er den Abbé de la Plüche, Schelmufsky’s Reiſen, das curieuſe Welttheater und die aſiatiſche Baniſe ſammt dem Leben der weltberüchtigten Frau Neuberin als richterliche Hand- und Hülfsbibliothek auf. Das Coſtume ließ ſich ſchwerer entdecken, doch war er auch in dieſer Beziehung zuletzt glücklich. Denn als er von der der Dachwand entgegengeſetzten einen Bettſchirm mit Schäfern aus Geßners Idyl- len hinweggethan hatte, ſah er eine Reihe alter Kleidungsſtücke an den Nägeln hangen. Unter dieſen erblickte er einen ſchwarzen Domino, von dem er ſich erinnerte, ihn auf der Vermählungs- redoute des letzten Fürſten von Hechelkram getragen zu haben, eine Sammettoque, in der ſeine Gemahlin einſt einen engliſchen Herzog bezaubert hatte, und eine abgelegte Spitzenfraiſe, deren Geſchichte ihm entfallen war. Er nahm dieſe drei Stücke, welche ihm Richtermantel, Barett und Kragen bedeuten mußten, und hing ſie an einem Pflocke der Gerichts- tafel gegenüber auf.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839/105
Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839/105>, abgerufen am 22.12.2024.