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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839.

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auf den Grund. Leider entdeckten da meine For-
schungen gewisse Schattenseiten an dem sonst so
liebenswürdigen und vollkommenen Zustande der
helikonischen Ziegenheerde.

Die wohlthätigen und rechtschaffenen Mütter
hatten nämlich einen Verein "zur Linderung des
Elendes leidender Naturwesen" gestiftet. Dieser
Verein war aus den Trümmern eines früheren,
untergegangenen entstanden, welcher auf die Ver-
feinerung ihrer Pelze abgezielt hatte. Ein reisen-
der Waldesel war nämlich einstmals über den He-
likon gekommen, hatte aus der Hippokrene gesoffen
und darauf von dem wundervollen Gespinnste der
Tübetziege phantasirt, aus welchem in Kaschmir
die herrlichen und kostbaren Shals gewebt werden.
Der phantasirende Esel hatte weder Tübetziegen
noch Kaschmirshals selbst gesehen, sondern im Walde
einen armenischen Kaufmann davon reden hören,
der zwar mit den Shals bekannt war, die Ziegen
aber auch nie in Augenschein genommen hatte,
sondern nur von seinem verstorbenen Bruder gehört
haben wollte, es gebe dergleichen. Die Phantasie
des Esels entzündete aber die Phantasie der Müt-
ter und befruchtete ihren Geist mit dem Ideale

auf den Grund. Leider entdeckten da meine For-
ſchungen gewiſſe Schattenſeiten an dem ſonſt ſo
liebenswürdigen und vollkommenen Zuſtande der
helikoniſchen Ziegenheerde.

Die wohlthätigen und rechtſchaffenen Mütter
hatten nämlich einen Verein „zur Linderung des
Elendes leidender Naturweſen“ geſtiftet. Dieſer
Verein war aus den Trümmern eines früheren,
untergegangenen entſtanden, welcher auf die Ver-
feinerung ihrer Pelze abgezielt hatte. Ein reiſen-
der Waldeſel war nämlich einſtmals über den He-
likon gekommen, hatte aus der Hippokrene geſoffen
und darauf von dem wundervollen Geſpinnſte der
Tübetziege phantaſirt, aus welchem in Kaſchmir
die herrlichen und koſtbaren Shals gewebt werden.
Der phantaſirende Eſel hatte weder Tübetziegen
noch Kaſchmirſhals ſelbſt geſehen, ſondern im Walde
einen armeniſchen Kaufmann davon reden hören,
der zwar mit den Shals bekannt war, die Ziegen
aber auch nie in Augenſchein genommen hatte,
ſondern nur von ſeinem verſtorbenen Bruder gehört
haben wollte, es gebe dergleichen. Die Phantaſie
des Eſels entzündete aber die Phantaſie der Müt-
ter und befruchtete ihren Geiſt mit dem Ideale

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[150/0168] auf den Grund. Leider entdeckten da meine For- ſchungen gewiſſe Schattenſeiten an dem ſonſt ſo liebenswürdigen und vollkommenen Zuſtande der helikoniſchen Ziegenheerde. Die wohlthätigen und rechtſchaffenen Mütter hatten nämlich einen Verein „zur Linderung des Elendes leidender Naturweſen“ geſtiftet. Dieſer Verein war aus den Trümmern eines früheren, untergegangenen entſtanden, welcher auf die Ver- feinerung ihrer Pelze abgezielt hatte. Ein reiſen- der Waldeſel war nämlich einſtmals über den He- likon gekommen, hatte aus der Hippokrene geſoffen und darauf von dem wundervollen Geſpinnſte der Tübetziege phantaſirt, aus welchem in Kaſchmir die herrlichen und koſtbaren Shals gewebt werden. Der phantaſirende Eſel hatte weder Tübetziegen noch Kaſchmirſhals ſelbſt geſehen, ſondern im Walde einen armeniſchen Kaufmann davon reden hören, der zwar mit den Shals bekannt war, die Ziegen aber auch nie in Augenſchein genommen hatte, ſondern nur von ſeinem verſtorbenen Bruder gehört haben wollte, es gebe dergleichen. Die Phantaſie des Eſels entzündete aber die Phantaſie der Müt- ter und befruchtete ihren Geiſt mit dem Ideale

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839/168>, abgerufen am 22.12.2024.