Die Fliege hat sechs Beinichen, Summ! Summ! Die Fliege hat den Käfer lieb, Der Käfer ist ein Herzensdieb; Summ! Summ! Brumm! Brumm! Brumm! Brumm!
Herrliche Poesie! Nahrung für Gemüth und Gefühl! meckerten die Ziegen. -- Reines Gefühl, mit keinem Gedanken belastet! Echt lyrisch! mur- melten die Böcke. -- Solon und Plato traten in den Kreis vor das Brautpaar und redeten nach einander. Sie hielten ihm in eindringlichen Wor- ten die Schändlichkeit seines früheren Lebenswan- dels vor, dann führten sie aus, daß die Göttin der Tugend eine gute alte Mama sei, immer zum Verzeihen bereit, dann kamen sie auf Lilien und Rosen, Feigen, Felsritzen und Astlöcher. Im ersten Theile machten sie das Brautpaar herunter, im zweiten erhoben sie es, in der Nutzanwendung wußten sie selbst nicht mehr, was sie wollten -- ihre Sermone hätten gleich als Muster von Ca- sualreden abgedruckt werden können.
Ich glaubte zu bemerken, daß das Brautpaar auf die Reden nicht achte, sondern nur Leib und Flügel einzuüben scheine, theilte diese Beobachtung
Die Fliege hat ſechs Beinichen, Summ! Summ! Die Fliege hat den Käfer lieb, Der Käfer iſt ein Herzensdieb; Summ! Summ! Brumm! Brumm! Brumm! Brumm!
Herrliche Poeſie! Nahrung für Gemüth und Gefühl! meckerten die Ziegen. — Reines Gefühl, mit keinem Gedanken belaſtet! Echt lyriſch! mur- melten die Böcke. — Solon und Plato traten in den Kreis vor das Brautpaar und redeten nach einander. Sie hielten ihm in eindringlichen Wor- ten die Schändlichkeit ſeines früheren Lebenswan- dels vor, dann führten ſie aus, daß die Göttin der Tugend eine gute alte Mama ſei, immer zum Verzeihen bereit, dann kamen ſie auf Lilien und Roſen, Feigen, Felsritzen und Aſtlöcher. Im erſten Theile machten ſie das Brautpaar herunter, im zweiten erhoben ſie es, in der Nutzanwendung wußten ſie ſelbſt nicht mehr, was ſie wollten — ihre Sermone hätten gleich als Muſter von Ca- ſualreden abgedruckt werden können.
Ich glaubte zu bemerken, daß das Brautpaar auf die Reden nicht achte, ſondern nur Leib und Flügel einzuüben ſcheine, theilte dieſe Beobachtung
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><lgtype="poem"><pbfacs="#f0189"n="171"/><l>Die Fliege hat ſechs Beinichen,</l><lb/><l>Summ! Summ!</l><lb/><l>Die Fliege hat den Käfer lieb,</l><lb/><l>Der Käfer iſt ein Herzensdieb;</l><lb/><l>Summ! Summ! Brumm! Brumm! Brumm!</l><lb/><l>Brumm!</l></lg><lb/><p>Herrliche Poeſie! Nahrung für Gemüth und<lb/>
Gefühl! meckerten die Ziegen. — Reines Gefühl,<lb/>
mit keinem Gedanken belaſtet! Echt lyriſch! mur-<lb/>
melten die Böcke. — Solon und Plato traten in<lb/>
den Kreis vor das Brautpaar und redeten nach<lb/>
einander. Sie hielten ihm in eindringlichen Wor-<lb/>
ten die Schändlichkeit ſeines früheren Lebenswan-<lb/>
dels vor, dann führten ſie aus, daß die Göttin<lb/>
der Tugend eine gute alte Mama ſei, immer zum<lb/>
Verzeihen bereit, dann kamen ſie auf Lilien und<lb/>
Roſen, Feigen, Felsritzen und Aſtlöcher. Im<lb/>
erſten Theile machten ſie das Brautpaar herunter,<lb/>
im zweiten erhoben ſie es, in der Nutzanwendung<lb/>
wußten ſie ſelbſt nicht mehr, was ſie wollten —<lb/>
ihre Sermone hätten gleich als Muſter von Ca-<lb/>ſualreden abgedruckt werden können.</p><lb/><p>Ich glaubte zu bemerken, daß das Brautpaar<lb/>
auf die Reden nicht achte, ſondern nur Leib und<lb/>
Flügel einzuüben ſcheine, theilte dieſe Beobachtung<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[171/0189]
Die Fliege hat ſechs Beinichen,
Summ! Summ!
Die Fliege hat den Käfer lieb,
Der Käfer iſt ein Herzensdieb;
Summ! Summ! Brumm! Brumm! Brumm!
Brumm!
Herrliche Poeſie! Nahrung für Gemüth und
Gefühl! meckerten die Ziegen. — Reines Gefühl,
mit keinem Gedanken belaſtet! Echt lyriſch! mur-
melten die Böcke. — Solon und Plato traten in
den Kreis vor das Brautpaar und redeten nach
einander. Sie hielten ihm in eindringlichen Wor-
ten die Schändlichkeit ſeines früheren Lebenswan-
dels vor, dann führten ſie aus, daß die Göttin
der Tugend eine gute alte Mama ſei, immer zum
Verzeihen bereit, dann kamen ſie auf Lilien und
Roſen, Feigen, Felsritzen und Aſtlöcher. Im
erſten Theile machten ſie das Brautpaar herunter,
im zweiten erhoben ſie es, in der Nutzanwendung
wußten ſie ſelbſt nicht mehr, was ſie wollten —
ihre Sermone hätten gleich als Muſter von Ca-
ſualreden abgedruckt werden können.
Ich glaubte zu bemerken, daß das Brautpaar
auf die Reden nicht achte, ſondern nur Leib und
Flügel einzuüben ſcheine, theilte dieſe Beobachtung
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839/189>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.