Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

gen fort, d. h. Herr und Diener saßen im Wagen,
und ich lief neben her -- Ihr mögt mir es glauben
oder nicht, es liegt mir nichts daran, aber wahr
muß wahr bleiben -- ich habe die Paar hundert
Meilen zu Fuß zurückgelegt, ausgenommen eine kurze
Strecke des adriatischen Meers, die wir auf einer scla-
vonischen Schebecke durchschnitten. Ja, neben hollän-
dischen Schwärmern läßt sich schon zu Fuß fortkommen!

Bald genug aber sehnte ich mich auf den He-
likon zurück. Denn die Herrschaft von Altnie-
derland ist die härteste, die es giebt. Ich wurde
behandelt wie eine Colonie, für mein Futter
mußte ich selbst sorgen, auf der sclavonischen
Schebecke bekam ich, Gott verdamme mich, nichts
zu genießen als den Duft von Hyacinthenzwie-
beln, die Myn Heer van Streef gekauft hatte,
und welche neben meinem Verschlage lagen. Dazu
die Einseitigkeit einer Reise nach dem Bleistift-
strich! Denn nach diesem machte mein Herr
auch seine Rückfahrt. Die meisten Merkwürdig-
keiten der Oerter lernt man oft nur zur Hälfte
kennen. So z. B. habe ich in Frankfurt das
Incompetenzgebäude nicht zu sehen bekommen, weil
unser Strich durch die Judengasse ging.


gen fort, d. h. Herr und Diener ſaßen im Wagen,
und ich lief neben her — Ihr mögt mir es glauben
oder nicht, es liegt mir nichts daran, aber wahr
muß wahr bleiben — ich habe die Paar hundert
Meilen zu Fuß zurückgelegt, ausgenommen eine kurze
Strecke des adriatiſchen Meers, die wir auf einer ſcla-
voniſchen Schebecke durchſchnitten. Ja, neben hollän-
diſchen Schwärmern läßt ſich ſchon zu Fuß fortkommen!

Bald genug aber ſehnte ich mich auf den He-
likon zurück. Denn die Herrſchaft von Altnie-
derland iſt die härteſte, die es giebt. Ich wurde
behandelt wie eine Colonie, für mein Futter
mußte ich ſelbſt ſorgen, auf der ſclavoniſchen
Schebecke bekam ich, Gott verdamme mich, nichts
zu genießen als den Duft von Hyacinthenzwie-
beln, die Myn Heer van Streef gekauft hatte,
und welche neben meinem Verſchlage lagen. Dazu
die Einſeitigkeit einer Reiſe nach dem Bleiſtift-
ſtrich! Denn nach dieſem machte mein Herr
auch ſeine Rückfahrt. Die meiſten Merkwürdig-
keiten der Oerter lernt man oft nur zur Hälfte
kennen. So z. B. habe ich in Frankfurt das
Incompetenzgebäude nicht zu ſehen bekommen, weil
unſer Strich durch die Judengaſſe ging.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0203" n="185"/>
gen fort, d. h. Herr und Diener &#x017F;aßen im Wagen,<lb/>
und ich lief neben her &#x2014; Ihr mögt mir es glauben<lb/>
oder nicht, es liegt mir nichts daran, aber wahr<lb/>
muß wahr bleiben &#x2014; ich habe die Paar hundert<lb/>
Meilen zu Fuß zurückgelegt, ausgenommen eine kurze<lb/>
Strecke des adriati&#x017F;chen Meers, die wir auf einer &#x017F;cla-<lb/>
voni&#x017F;chen Schebecke durch&#x017F;chnitten. Ja, neben hollän-<lb/>
di&#x017F;chen Schwärmern läßt &#x017F;ich &#x017F;chon zu Fuß fortkommen!</p><lb/>
          <p>Bald genug aber &#x017F;ehnte ich mich auf den He-<lb/>
likon zurück. Denn die Herr&#x017F;chaft von Altnie-<lb/>
derland i&#x017F;t die härte&#x017F;te, die es giebt. Ich wurde<lb/>
behandelt wie eine Colonie, für mein Futter<lb/>
mußte ich &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;orgen, auf der &#x017F;clavoni&#x017F;chen<lb/>
Schebecke bekam ich, Gott verdamme mich, nichts<lb/>
zu genießen als den Duft von Hyacinthenzwie-<lb/>
beln, die Myn Heer van Streef gekauft hatte,<lb/>
und welche neben meinem Ver&#x017F;chlage lagen. Dazu<lb/>
die Ein&#x017F;eitigkeit einer Rei&#x017F;e nach dem Blei&#x017F;tift-<lb/>
&#x017F;trich! Denn nach die&#x017F;em machte mein Herr<lb/>
auch &#x017F;eine Rückfahrt. Die mei&#x017F;ten Merkwürdig-<lb/>
keiten der Oerter lernt man oft nur zur Hälfte<lb/>
kennen. So z. B. habe ich in Frankfurt das<lb/>
Incompetenzgebäude nicht zu &#x017F;ehen bekommen, weil<lb/>
un&#x017F;er Strich durch die Judenga&#x017F;&#x017F;e ging.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[185/0203] gen fort, d. h. Herr und Diener ſaßen im Wagen, und ich lief neben her — Ihr mögt mir es glauben oder nicht, es liegt mir nichts daran, aber wahr muß wahr bleiben — ich habe die Paar hundert Meilen zu Fuß zurückgelegt, ausgenommen eine kurze Strecke des adriatiſchen Meers, die wir auf einer ſcla- voniſchen Schebecke durchſchnitten. Ja, neben hollän- diſchen Schwärmern läßt ſich ſchon zu Fuß fortkommen! Bald genug aber ſehnte ich mich auf den He- likon zurück. Denn die Herrſchaft von Altnie- derland iſt die härteſte, die es giebt. Ich wurde behandelt wie eine Colonie, für mein Futter mußte ich ſelbſt ſorgen, auf der ſclavoniſchen Schebecke bekam ich, Gott verdamme mich, nichts zu genießen als den Duft von Hyacinthenzwie- beln, die Myn Heer van Streef gekauft hatte, und welche neben meinem Verſchlage lagen. Dazu die Einſeitigkeit einer Reiſe nach dem Bleiſtift- ſtrich! Denn nach dieſem machte mein Herr auch ſeine Rückfahrt. Die meiſten Merkwürdig- keiten der Oerter lernt man oft nur zur Hälfte kennen. So z. B. habe ich in Frankfurt das Incompetenzgebäude nicht zu ſehen bekommen, weil unſer Strich durch die Judengaſſe ging.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839/203
Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839/203>, abgerufen am 22.12.2024.