Diesen Menschensohn, genannt Jesus der Christ, habe ich Zeitlebens lieb gehabt, aber ganz in der Stille; nicht wie Regan und Goneril ihren Vater liebten, sondern gleichsam a la Cordelia, oder da ich generis masculini bin, a la Cordelius. Ich wurde deßhalb für einen bösen Christen und Atheisten gehalten, welches ich mir wohl gefallen lassen konnte, da ich die Liebe der Regan's, Goneril's, der Edmunde und Cornwall's an ihren Früchten erkannte.
Ich besitze an zeitlichen Gütern drei Stücke, nämlich meinen sterblichen Leichnam, eine natürliche Tochter und einen alten von mir durchaus zerlesenen Juvenal, Göttinger Ausgabe von Vandenhoeck vom Jahre 1742. Ueber meinen Leichnam eröffne ich die Succession der Ascendenten, vermache ihn näm- lich der Mutter Erde, und mag er zusehen, wie er darin zu seiner Auferstehung kommen will; vor der Hand wünsche ich, zu schlummern. Meine natürliche Tochter vermache ich ihrer Nätherei, wel- che ich sie habe mit allen Feinheiten dieser Kunst erlernen lassen. Um meinen Juvenal sollen die Hauptstädte der Welt würfeln, und welche die niedrigsten Augen wirft, ihn haben und behalten als immerwährendes Fideicommiß.
22*
Dieſen Menſchenſohn, genannt Jeſus der Chriſt, habe ich Zeitlebens lieb gehabt, aber ganz in der Stille; nicht wie Regan und Goneril ihren Vater liebten, ſondern gleichſam à la Cordelia, oder da ich generis masculini bin, à la Cordelius. Ich wurde deßhalb für einen böſen Chriſten und Atheiſten gehalten, welches ich mir wohl gefallen laſſen konnte, da ich die Liebe der Regan’s, Goneril’s, der Edmunde und Cornwall’s an ihren Früchten erkannte.
Ich beſitze an zeitlichen Gütern drei Stücke, nämlich meinen ſterblichen Leichnam, eine natürliche Tochter und einen alten von mir durchaus zerleſenen Juvenal, Göttinger Ausgabe von Vandenhoeck vom Jahre 1742. Ueber meinen Leichnam eröffne ich die Succeſſion der Aſcendenten, vermache ihn näm- lich der Mutter Erde, und mag er zuſehen, wie er darin zu ſeiner Auferſtehung kommen will; vor der Hand wünſche ich, zu ſchlummern. Meine natürliche Tochter vermache ich ihrer Nätherei, wel- che ich ſie habe mit allen Feinheiten dieſer Kunſt erlernen laſſen. Um meinen Juvenal ſollen die Hauptſtädte der Welt würfeln, und welche die niedrigſten Augen wirft, ihn haben und behalten als immerwährendes Fideicommiß.
22*
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0357"n="339"/>
Dieſen Menſchenſohn, genannt Jeſus der Chriſt,<lb/>
habe ich Zeitlebens lieb gehabt, aber ganz in der<lb/>
Stille; nicht wie Regan und Goneril ihren Vater<lb/>
liebten, ſondern gleichſam <hirendition="#aq">à la Cordelia,</hi> oder da<lb/>
ich <hirendition="#aq">generis masculini</hi> bin, <hirendition="#aq">à la Cordelius.</hi> Ich<lb/>
wurde deßhalb für einen böſen Chriſten und Atheiſten<lb/>
gehalten, welches ich mir wohl gefallen laſſen konnte,<lb/>
da ich die Liebe der Regan’s, Goneril’s, der Edmunde<lb/>
und Cornwall’s an ihren Früchten erkannte.</p><lb/><p>Ich beſitze an zeitlichen Gütern drei Stücke,<lb/>
nämlich meinen ſterblichen Leichnam, eine natürliche<lb/>
Tochter und einen alten von mir durchaus zerleſenen<lb/>
Juvenal, Göttinger Ausgabe von Vandenhoeck vom<lb/>
Jahre 1742. Ueber meinen Leichnam eröffne ich<lb/>
die Succeſſion der Aſcendenten, vermache ihn näm-<lb/>
lich der Mutter Erde, und mag er zuſehen, wie<lb/>
er darin zu ſeiner Auferſtehung kommen will; vor<lb/>
der Hand wünſche ich, zu ſchlummern. Meine<lb/>
natürliche Tochter vermache ich ihrer Nätherei, wel-<lb/>
che ich ſie habe mit allen Feinheiten dieſer Kunſt<lb/>
erlernen laſſen. Um meinen Juvenal ſollen die<lb/>
Hauptſtädte der Welt würfeln, und welche die<lb/>
niedrigſten Augen wirft, ihn haben und behalten<lb/>
als immerwährendes Fideicommiß.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">22*</fw><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[339/0357]
Dieſen Menſchenſohn, genannt Jeſus der Chriſt,
habe ich Zeitlebens lieb gehabt, aber ganz in der
Stille; nicht wie Regan und Goneril ihren Vater
liebten, ſondern gleichſam à la Cordelia, oder da
ich generis masculini bin, à la Cordelius. Ich
wurde deßhalb für einen böſen Chriſten und Atheiſten
gehalten, welches ich mir wohl gefallen laſſen konnte,
da ich die Liebe der Regan’s, Goneril’s, der Edmunde
und Cornwall’s an ihren Früchten erkannte.
Ich beſitze an zeitlichen Gütern drei Stücke,
nämlich meinen ſterblichen Leichnam, eine natürliche
Tochter und einen alten von mir durchaus zerleſenen
Juvenal, Göttinger Ausgabe von Vandenhoeck vom
Jahre 1742. Ueber meinen Leichnam eröffne ich
die Succeſſion der Aſcendenten, vermache ihn näm-
lich der Mutter Erde, und mag er zuſehen, wie
er darin zu ſeiner Auferſtehung kommen will; vor
der Hand wünſche ich, zu ſchlummern. Meine
natürliche Tochter vermache ich ihrer Nätherei, wel-
che ich ſie habe mit allen Feinheiten dieſer Kunſt
erlernen laſſen. Um meinen Juvenal ſollen die
Hauptſtädte der Welt würfeln, und welche die
niedrigſten Augen wirft, ihn haben und behalten
als immerwährendes Fideicommiß.
22*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839/357>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.