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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839.

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hatte die Lampe in der Hand, und in dem Schürz-
chen die Goldstücke, mit denen sie ihr kindliches
Spiel treiben wollte. Bei seinem plötzlichen Ein-
tritte erschrak sie, faßte sich jedoch und blieb ruhig
am Tischchen stehen.

Etwa eine Viertelstunde mochte er mit ihr in
einem Gespräche gewesen seyn, welches sie anfangs
gar nicht verstand, als Jemand, der unter dem
offenen Fenster vorbeiging, einen Schrei, ein Klin-
gen, wie von fallendem Gelde und ein Geräusch
hörte, wie wenn Einer zu Boden stürzt und dabei
ein Geräth hart berührt. Zugleich erlosch der
Schein. Der Mann blieb stehen und gleich darauf
kam der Hofschulze aus dem Hause. -- Was gab
es da droben? fragte ihn Jener. -- Eben nichts,
versetzte der Alte. Junge Frauenzimmer sind
schreckhaft, wenn man ihnen die Sache in aller
Manier bei dem rechten Namen nennt. Besser Leid
tragen, als Schmach tragen. Er ging in den Baum-
garten und gab der ersten Brautjungfer den Auf-
trag, hinaufzugehen.

Das Mädchen verstand ihn in dem Getöse nicht
recht und meinte, sie solle Lisbeth zum Tanze her-
unterholen. Sie sprang rasch hinauf und rief, um

hatte die Lampe in der Hand, und in dem Schürz-
chen die Goldſtücke, mit denen ſie ihr kindliches
Spiel treiben wollte. Bei ſeinem plötzlichen Ein-
tritte erſchrak ſie, faßte ſich jedoch und blieb ruhig
am Tiſchchen ſtehen.

Etwa eine Viertelſtunde mochte er mit ihr in
einem Geſpräche geweſen ſeyn, welches ſie anfangs
gar nicht verſtand, als Jemand, der unter dem
offenen Fenſter vorbeiging, einen Schrei, ein Klin-
gen, wie von fallendem Gelde und ein Geräuſch
hörte, wie wenn Einer zu Boden ſtürzt und dabei
ein Geräth hart berührt. Zugleich erloſch der
Schein. Der Mann blieb ſtehen und gleich darauf
kam der Hofſchulze aus dem Hauſe. — Was gab
es da droben? fragte ihn Jener. — Eben nichts,
verſetzte der Alte. Junge Frauenzimmer ſind
ſchreckhaft, wenn man ihnen die Sache in aller
Manier bei dem rechten Namen nennt. Beſſer Leid
tragen, als Schmach tragen. Er ging in den Baum-
garten und gab der erſten Brautjungfer den Auf-
trag, hinaufzugehen.

Das Mädchen verſtand ihn in dem Getöſe nicht
recht und meinte, ſie ſolle Lisbeth zum Tanze her-
unterholen. Sie ſprang raſch hinauf und rief, um

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[132/0146] hatte die Lampe in der Hand, und in dem Schürz- chen die Goldſtücke, mit denen ſie ihr kindliches Spiel treiben wollte. Bei ſeinem plötzlichen Ein- tritte erſchrak ſie, faßte ſich jedoch und blieb ruhig am Tiſchchen ſtehen. Etwa eine Viertelſtunde mochte er mit ihr in einem Geſpräche geweſen ſeyn, welches ſie anfangs gar nicht verſtand, als Jemand, der unter dem offenen Fenſter vorbeiging, einen Schrei, ein Klin- gen, wie von fallendem Gelde und ein Geräuſch hörte, wie wenn Einer zu Boden ſtürzt und dabei ein Geräth hart berührt. Zugleich erloſch der Schein. Der Mann blieb ſtehen und gleich darauf kam der Hofſchulze aus dem Hauſe. — Was gab es da droben? fragte ihn Jener. — Eben nichts, verſetzte der Alte. Junge Frauenzimmer ſind ſchreckhaft, wenn man ihnen die Sache in aller Manier bei dem rechten Namen nennt. Beſſer Leid tragen, als Schmach tragen. Er ging in den Baum- garten und gab der erſten Brautjungfer den Auf- trag, hinaufzugehen. Das Mädchen verſtand ihn in dem Getöſe nicht recht und meinte, ſie ſolle Lisbeth zum Tanze her- unterholen. Sie ſprang raſch hinauf und rief, um

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/146>, abgerufen am 21.11.2024.