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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839.

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sich nicht zu lange von ihrem Vergnügen abzumüssi-
gen, in die dunkele Stube hinein: Sind Sie hier?
Sie werden gebeten zum Tanze zu kommen! er-
schrak aber heftig, als ihr aus der Ecke des Zim-
mers ein inniges Schluchzen antwortete. Bestürzt
rannte sie hinab, fand unten ihre Gefährtin, und
beide Mädchen kehrten darauf mit einem Lichte
zurück.

Nun hatten sie einen Anblick, der selbst diese
rohen Geschöpfe erschütterte. Denn an der Stelle,
wo noch vor einer Viertelstunde eine Jubelnde und
Frohlockende gestanden, lag nun eine Zerbrochene.
Lisbeth war an dem Tische niedergesunken in ihre
Kniee, ihre Arme hingen schlaff herab, schlaff ruhte
der Leib in den Hüften, die blonden Locken hatten
sich gelöst und umflossen das gebeugte und wei-
nende Gesicht. Das Gold war ihrer Schürze ent-
fallen und hatte sich, eine blanke Saat, um sie
ausgestreut, nicht weit von ihr lag die ausge-
löschte Lampe.

Die Mädchen standen eine Weile verlegen
und stumm. Sie wußten mit diesem Bilde des
tiefsten Schmerzes nichts anzufangen. Eine
erhob die Lampe, zündete sie wieder an, und

ſich nicht zu lange von ihrem Vergnügen abzumüſſi-
gen, in die dunkele Stube hinein: Sind Sie hier?
Sie werden gebeten zum Tanze zu kommen! er-
ſchrak aber heftig, als ihr aus der Ecke des Zim-
mers ein inniges Schluchzen antwortete. Beſtürzt
rannte ſie hinab, fand unten ihre Gefährtin, und
beide Mädchen kehrten darauf mit einem Lichte
zurück.

Nun hatten ſie einen Anblick, der ſelbſt dieſe
rohen Geſchöpfe erſchütterte. Denn an der Stelle,
wo noch vor einer Viertelſtunde eine Jubelnde und
Frohlockende geſtanden, lag nun eine Zerbrochene.
Lisbeth war an dem Tiſche niedergeſunken in ihre
Kniee, ihre Arme hingen ſchlaff herab, ſchlaff ruhte
der Leib in den Hüften, die blonden Locken hatten
ſich gelöſt und umfloſſen das gebeugte und wei-
nende Geſicht. Das Gold war ihrer Schürze ent-
fallen und hatte ſich, eine blanke Saat, um ſie
ausgeſtreut, nicht weit von ihr lag die ausge-
löſchte Lampe.

Die Mädchen ſtanden eine Weile verlegen
und ſtumm. Sie wußten mit dieſem Bilde des
tiefſten Schmerzes nichts anzufangen. Eine
erhob die Lampe, zündete ſie wieder an, und

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[133/0147] ſich nicht zu lange von ihrem Vergnügen abzumüſſi- gen, in die dunkele Stube hinein: Sind Sie hier? Sie werden gebeten zum Tanze zu kommen! er- ſchrak aber heftig, als ihr aus der Ecke des Zim- mers ein inniges Schluchzen antwortete. Beſtürzt rannte ſie hinab, fand unten ihre Gefährtin, und beide Mädchen kehrten darauf mit einem Lichte zurück. Nun hatten ſie einen Anblick, der ſelbſt dieſe rohen Geſchöpfe erſchütterte. Denn an der Stelle, wo noch vor einer Viertelſtunde eine Jubelnde und Frohlockende geſtanden, lag nun eine Zerbrochene. Lisbeth war an dem Tiſche niedergeſunken in ihre Kniee, ihre Arme hingen ſchlaff herab, ſchlaff ruhte der Leib in den Hüften, die blonden Locken hatten ſich gelöſt und umfloſſen das gebeugte und wei- nende Geſicht. Das Gold war ihrer Schürze ent- fallen und hatte ſich, eine blanke Saat, um ſie ausgeſtreut, nicht weit von ihr lag die ausge- löſchte Lampe. Die Mädchen ſtanden eine Weile verlegen und ſtumm. Sie wußten mit dieſem Bilde des tiefſten Schmerzes nichts anzufangen. Eine erhob die Lampe, zündete ſie wieder an, und

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/147>, abgerufen am 21.11.2024.