Bist du wohl schon, Lisbeth, an einem klaren Sonnenmorgen durch einen schönen Wald gegangen, zu dem der blaue Himmel durch die grünen Kro- nen einblickte, wo dich der Othem der Bäume wie ein Hauch Gottes anwehte und dein Fuß von den Spitzen der Gräser tausend blitzende Perlen streifte?
Wohl bin ich das, Oswald, erst noch neu- lich, als ich durch das Gebirg nach den Zinsen und Gülten ging. Es ist gar herrlich im grünen, fri- schen Wald; ich könnte Tagelang hindurchwandern, ohne einem Menschen zu begegnen, und fürchtete mich nicht. Der Rasen ist der Mantel Gottes, man ist von tausend Englein beschirmt, man stehe oder sitze darauf. Jetzt ein Hügel und dann eine Ecke; ich lief und lief, weil ich immer dachte, dahinter schwebe der Wundervogel mit blauen und rothen Schwingen
Die Wunder im Speſſart.
Waldmährchen.
Biſt du wohl ſchon, Lisbeth, an einem klaren Sonnenmorgen durch einen ſchönen Wald gegangen, zu dem der blaue Himmel durch die grünen Kro- nen einblickte, wo dich der Othem der Bäume wie ein Hauch Gottes anwehte und dein Fuß von den Spitzen der Gräſer tauſend blitzende Perlen ſtreifte?
Wohl bin ich das, Oswald, erſt noch neu- lich, als ich durch das Gebirg nach den Zinſen und Gülten ging. Es iſt gar herrlich im grünen, fri- ſchen Wald; ich könnte Tagelang hindurchwandern, ohne einem Menſchen zu begegnen, und fürchtete mich nicht. Der Raſen iſt der Mantel Gottes, man iſt von tauſend Englein beſchirmt, man ſtehe oder ſitze darauf. Jetzt ein Hügel und dann eine Ecke; ich lief und lief, weil ich immer dachte, dahinter ſchwebe der Wundervogel mit blauen und rothen Schwingen
<TEI><text><body><pbfacs="#f0155"n="141"/><divn="1"><head><hirendition="#g">Die Wunder im Speſſart</hi>.</head><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="2"><head><hirendition="#g">Waldmährchen</hi>.</head><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Biſt du wohl ſchon, Lisbeth, an einem klaren<lb/>
Sonnenmorgen durch einen ſchönen Wald gegangen,<lb/>
zu dem der blaue Himmel durch die grünen Kro-<lb/>
nen einblickte, wo dich der Othem der Bäume wie<lb/>
ein Hauch Gottes anwehte und dein Fuß von den<lb/>
Spitzen der Gräſer tauſend blitzende Perlen ſtreifte?</p><lb/><p>Wohl bin ich das, Oswald, erſt noch neu-<lb/>
lich, als ich durch das Gebirg nach den Zinſen und<lb/>
Gülten ging. Es iſt gar herrlich im grünen, fri-<lb/>ſchen Wald; ich könnte Tagelang hindurchwandern,<lb/>
ohne einem Menſchen zu begegnen, und fürchtete mich<lb/>
nicht. Der Raſen iſt der Mantel Gottes, man iſt<lb/>
von tauſend Englein beſchirmt, man ſtehe oder ſitze<lb/>
darauf. Jetzt ein Hügel und dann eine Ecke; ich<lb/>
lief und lief, weil ich immer dachte, dahinter ſchwebe<lb/>
der Wundervogel mit blauen und rothen Schwingen<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[141/0155]
Die Wunder im Speſſart.
Waldmährchen.
Biſt du wohl ſchon, Lisbeth, an einem klaren
Sonnenmorgen durch einen ſchönen Wald gegangen,
zu dem der blaue Himmel durch die grünen Kro-
nen einblickte, wo dich der Othem der Bäume wie
ein Hauch Gottes anwehte und dein Fuß von den
Spitzen der Gräſer tauſend blitzende Perlen ſtreifte?
Wohl bin ich das, Oswald, erſt noch neu-
lich, als ich durch das Gebirg nach den Zinſen und
Gülten ging. Es iſt gar herrlich im grünen, fri-
ſchen Wald; ich könnte Tagelang hindurchwandern,
ohne einem Menſchen zu begegnen, und fürchtete mich
nicht. Der Raſen iſt der Mantel Gottes, man iſt
von tauſend Englein beſchirmt, man ſtehe oder ſitze
darauf. Jetzt ein Hügel und dann eine Ecke; ich
lief und lief, weil ich immer dachte, dahinter ſchwebe
der Wundervogel mit blauen und rothen Schwingen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/155>, abgerufen am 09.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.