Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite
Gehört uns nun eigen,
Wird balde
Im Walde
Erkalten und schweigen.

In dem moosigen Felsblock murrte es leise aber
hörbar, es war, als ob der Stein sich regen wollte
und könnte es nicht, wie ein Scheintodter. Der
Schüler blickte auf die Fläche des Steins, ach! da
liefen die grünen und rothen Adern zu einem ural-
ten Antlitz zusammen, welches ihn aus müden Au-
gen so wehmüthig und hülfeflehend anschaute, daß
er sich erschüttert abwandte und bei den Bäumen,
Pflanzen und Vögeln Trost suchte.

Unter denen war auch Alles verwandelt. Wenn
er auf das kleine braune Moos trat, so ächzte es
und schrie über den unsanften Druck, und er sah,
wie es die behaarten Händchen rang und die gelben
oder grünen Häuptlein schüttelte. Die Stengel der
Pflanzen und die Stämme der Bäume befanden
sich in einer immerwährenden schraubenförmigen Be-
wegung, und zugleich ließ ihn die Rinde oder die
äußere Haut in das Innere blicken, worin feine
Geisterlein zartglänzende Tröpfchen in die Röhren
schütteten. Dann stieg das klare Naß von Röhre

Gehört uns nun eigen,
Wird balde
Im Walde
Erkalten und ſchweigen.

In dem mooſigen Felsblock murrte es leiſe aber
hörbar, es war, als ob der Stein ſich regen wollte
und könnte es nicht, wie ein Scheintodter. Der
Schüler blickte auf die Fläche des Steins, ach! da
liefen die grünen und rothen Adern zu einem ural-
ten Antlitz zuſammen, welches ihn aus müden Au-
gen ſo wehmüthig und hülfeflehend anſchaute, daß
er ſich erſchüttert abwandte und bei den Bäumen,
Pflanzen und Vögeln Troſt ſuchte.

Unter denen war auch Alles verwandelt. Wenn
er auf das kleine braune Moos trat, ſo ächzte es
und ſchrie über den unſanften Druck, und er ſah,
wie es die behaarten Händchen rang und die gelben
oder grünen Häuptlein ſchüttelte. Die Stengel der
Pflanzen und die Stämme der Bäume befanden
ſich in einer immerwährenden ſchraubenförmigen Be-
wegung, und zugleich ließ ihn die Rinde oder die
äußere Haut in das Innere blicken, worin feine
Geiſterlein zartglänzende Tröpfchen in die Röhren
ſchütteten. Dann ſtieg das klare Naß von Röhre

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0174" n="160"/>
            <l>Gehört uns nun eigen,</l><lb/>
            <l>Wird balde</l><lb/>
            <l>Im Walde</l><lb/>
            <l>Erkalten und &#x017F;chweigen.</l>
          </lg><lb/>
          <p>In dem moo&#x017F;igen Felsblock murrte es lei&#x017F;e aber<lb/>
hörbar, es war, als ob der Stein &#x017F;ich regen wollte<lb/>
und könnte es nicht, wie ein Scheintodter. Der<lb/>
Schüler blickte auf die Fläche des Steins, ach! da<lb/>
liefen die grünen und rothen Adern zu einem ural-<lb/>
ten Antlitz zu&#x017F;ammen, welches ihn aus müden Au-<lb/>
gen &#x017F;o wehmüthig und hülfeflehend an&#x017F;chaute, daß<lb/>
er &#x017F;ich er&#x017F;chüttert abwandte und bei den Bäumen,<lb/>
Pflanzen und Vögeln Tro&#x017F;t &#x017F;uchte.</p><lb/>
          <p>Unter denen war auch Alles verwandelt. Wenn<lb/>
er auf das kleine braune Moos trat, &#x017F;o ächzte es<lb/>
und &#x017F;chrie über den un&#x017F;anften Druck, und er &#x017F;ah,<lb/>
wie es die behaarten Händchen rang und die gelben<lb/>
oder grünen Häuptlein &#x017F;chüttelte. Die Stengel der<lb/>
Pflanzen und die Stämme der Bäume befanden<lb/>
&#x017F;ich in einer immerwährenden &#x017F;chraubenförmigen Be-<lb/>
wegung, und zugleich ließ ihn die Rinde oder die<lb/>
äußere Haut in das Innere blicken, worin feine<lb/>
Gei&#x017F;terlein zartglänzende Tröpfchen in die Röhren<lb/>
&#x017F;chütteten. Dann &#x017F;tieg das klare Naß von Röhre<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[160/0174] Gehört uns nun eigen, Wird balde Im Walde Erkalten und ſchweigen. In dem mooſigen Felsblock murrte es leiſe aber hörbar, es war, als ob der Stein ſich regen wollte und könnte es nicht, wie ein Scheintodter. Der Schüler blickte auf die Fläche des Steins, ach! da liefen die grünen und rothen Adern zu einem ural- ten Antlitz zuſammen, welches ihn aus müden Au- gen ſo wehmüthig und hülfeflehend anſchaute, daß er ſich erſchüttert abwandte und bei den Bäumen, Pflanzen und Vögeln Troſt ſuchte. Unter denen war auch Alles verwandelt. Wenn er auf das kleine braune Moos trat, ſo ächzte es und ſchrie über den unſanften Druck, und er ſah, wie es die behaarten Händchen rang und die gelben oder grünen Häuptlein ſchüttelte. Die Stengel der Pflanzen und die Stämme der Bäume befanden ſich in einer immerwährenden ſchraubenförmigen Be- wegung, und zugleich ließ ihn die Rinde oder die äußere Haut in das Innere blicken, worin feine Geiſterlein zartglänzende Tröpfchen in die Röhren ſchütteten. Dann ſtieg das klare Naß von Röhre

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/174
Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/174>, abgerufen am 24.11.2024.