gerichtet, meine Gedanken haderten mit dem Himmel.
Auf einmal, wie ich diese Wiese schon vor mir liegen sah, war mir, als würde da drüben in den Büschen etwas gesprochen, worauf ich mich und Alles um mich her verwandelt fühlte. Ich kann dir das Wort, oder den Laut nicht beschreiben, mein Geliebter! Der Gesang der Nachtigall klingt heiser gegen seine Süßigkeit und das Rollen des Donners ist, mit ihm verglichen, nur ein schwaches Flüstern. Es war gewiß das Geheimste und Zwin- gendste, was es zwischen Himmel und Erde geben kann. Auch auf mich übte es eine unwiderstehliche Gewalt, da es in meinen fassungslosen Geist, in das Getümmel meiner Sinne fiel und kein Ge- danke des Heils ihm in mir entgegentrat. Meine Augen schlossen sich und doch sah ich den Weg vor meinen Füßen, den die Füße, wie von unsichtba- ren, weichen Händen gelenkt, wandeln mußten. Ich schlief und schlief doch nicht, es war ein un- beschreiblicher Zustand, in dem ich endlich unter jener Laube auf weichem Moose niedersank. Es sprach und sang Alles um mich her, in mir fühlte ich den Wogenschlag der jubelndsten Wonne, jeder
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gerichtet, meine Gedanken haderten mit dem Himmel.
Auf einmal, wie ich dieſe Wieſe ſchon vor mir liegen ſah, war mir, als würde da drüben in den Büſchen etwas geſprochen, worauf ich mich und Alles um mich her verwandelt fühlte. Ich kann dir das Wort, oder den Laut nicht beſchreiben, mein Geliebter! Der Geſang der Nachtigall klingt heiſer gegen ſeine Süßigkeit und das Rollen des Donners iſt, mit ihm verglichen, nur ein ſchwaches Flüſtern. Es war gewiß das Geheimſte und Zwin- gendſte, was es zwiſchen Himmel und Erde geben kann. Auch auf mich übte es eine unwiderſtehliche Gewalt, da es in meinen faſſungsloſen Geiſt, in das Getümmel meiner Sinne fiel und kein Ge- danke des Heils ihm in mir entgegentrat. Meine Augen ſchloſſen ſich und doch ſah ich den Weg vor meinen Füßen, den die Füße, wie von unſichtba- ren, weichen Händen gelenkt, wandeln mußten. Ich ſchlief und ſchlief doch nicht, es war ein un- beſchreiblicher Zuſtand, in dem ich endlich unter jener Laube auf weichem Mooſe niederſank. Es ſprach und ſang Alles um mich her, in mir fühlte ich den Wogenſchlag der jubelndſten Wonne, jeder
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gerichtet, meine Gedanken haderten mit dem
Himmel.
Auf einmal, wie ich dieſe Wieſe ſchon vor mir
liegen ſah, war mir, als würde da drüben in den
Büſchen etwas geſprochen, worauf ich mich und
Alles um mich her verwandelt fühlte. Ich kann
dir das Wort, oder den Laut nicht beſchreiben,
mein Geliebter! Der Geſang der Nachtigall klingt
heiſer gegen ſeine Süßigkeit und das Rollen des
Donners iſt, mit ihm verglichen, nur ein ſchwaches
Flüſtern. Es war gewiß das Geheimſte und Zwin-
gendſte, was es zwiſchen Himmel und Erde geben
kann. Auch auf mich übte es eine unwiderſtehliche
Gewalt, da es in meinen faſſungsloſen Geiſt, in
das Getümmel meiner Sinne fiel und kein Ge-
danke des Heils ihm in mir entgegentrat. Meine
Augen ſchloſſen ſich und doch ſah ich den Weg vor
meinen Füßen, den die Füße, wie von unſichtba-
ren, weichen Händen gelenkt, wandeln mußten.
Ich ſchlief und ſchlief doch nicht, es war ein un-
beſchreiblicher Zuſtand, in dem ich endlich unter
jener Laube auf weichem Mooſe niederſank. Es
ſprach und ſang Alles um mich her, in mir fühlte
ich den Wogenſchlag der jubelndſten Wonne, jeder
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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/193>, abgerufen am 21.11.2024.
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