Nein, versetzte der einäugige Spielmann, indem er das unversehrt gebliebene Auge tückisch unter den dünnen Brauen zusammenkniff, hier wird mir nichts gereicht, das weiß ich wohl, Hofschulze. Ihr laßt mich durch den Hund vom Hofe herunter hetzen, wenn ich hier anstimmen will: Auf! Auf, Ihr Brüder, und seid stark! oder das Mantellied, oder: Das Canape ist mein Vergnügen. Ja, so thut Ihr, und wenn es nach Euch ginge, wäre ich längst vor Hunger zusammengeschnurrt, wie eine Back- pflaume. Dieses verrichtet Ihr an mir, obgleich Ihr wohl wißt, daß Ihr derjenige seid, welcher einstmals mir Haus und Hof abfeimte und mich zu diesem Leierkasten darniedergebracht hat.
Der Hofschulze warf einen Blick auf den eisen- beschlagenen Koffer, worin sein Richtschwert lag, dann trat er dem einäugigen Spielmann einen Schritt näher, sah ihn lange groß und gelassen an, und fragte ihn darauf: Wer ist Schuld, daß der Oberhof nach meinem Tode in die fremde Freund- schaft übergeht und nicht bei meinem Saamen bleibt?
Ich, antwortete der Spielmann, und drehte am Leierkasten, daß dieser einige Mißtöne von sich gab.
Nein, verſetzte der einäugige Spielmann, indem er das unverſehrt gebliebene Auge tückiſch unter den dünnen Brauen zuſammenkniff, hier wird mir nichts gereicht, das weiß ich wohl, Hofſchulze. Ihr laßt mich durch den Hund vom Hofe herunter hetzen, wenn ich hier anſtimmen will: Auf! Auf, Ihr Brüder, und ſeid ſtark! oder das Mantellied, oder: Das Canapé iſt mein Vergnügen. Ja, ſo thut Ihr, und wenn es nach Euch ginge, wäre ich längſt vor Hunger zuſammengeſchnurrt, wie eine Back- pflaume. Dieſes verrichtet Ihr an mir, obgleich Ihr wohl wißt, daß Ihr derjenige ſeid, welcher einſtmals mir Haus und Hof abfeimte und mich zu dieſem Leierkaſten darniedergebracht hat.
Der Hofſchulze warf einen Blick auf den eiſen- beſchlagenen Koffer, worin ſein Richtſchwert lag, dann trat er dem einäugigen Spielmann einen Schritt näher, ſah ihn lange groß und gelaſſen an, und fragte ihn darauf: Wer iſt Schuld, daß der Oberhof nach meinem Tode in die fremde Freund- ſchaft übergeht und nicht bei meinem Saamen bleibt?
Ich, antwortete der Spielmann, und drehte am Leierkaſten, daß dieſer einige Mißtöne von ſich gab.
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Nein, verſetzte der einäugige Spielmann, indem
er das unverſehrt gebliebene Auge tückiſch unter den
dünnen Brauen zuſammenkniff, hier wird mir nichts
gereicht, das weiß ich wohl, Hofſchulze. Ihr laßt
mich durch den Hund vom Hofe herunter hetzen,
wenn ich hier anſtimmen will: Auf! Auf, Ihr
Brüder, und ſeid ſtark! oder das Mantellied, oder:
Das Canapé iſt mein Vergnügen. Ja, ſo thut
Ihr, und wenn es nach Euch ginge, wäre ich längſt
vor Hunger zuſammengeſchnurrt, wie eine Back-
pflaume. Dieſes verrichtet Ihr an mir, obgleich
Ihr wohl wißt, daß Ihr derjenige ſeid, welcher
einſtmals mir Haus und Hof abfeimte und mich
zu dieſem Leierkaſten darniedergebracht hat.
Der Hofſchulze warf einen Blick auf den eiſen-
beſchlagenen Koffer, worin ſein Richtſchwert lag,
dann trat er dem einäugigen Spielmann einen
Schritt näher, ſah ihn lange groß und gelaſſen an,
und fragte ihn darauf: Wer iſt Schuld, daß der
Oberhof nach meinem Tode in die fremde Freund-
ſchaft übergeht und nicht bei meinem Saamen
bleibt?
Ich, antwortete der Spielmann, und drehte am
Leierkaſten, daß dieſer einige Mißtöne von ſich gab.
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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/26>, abgerufen am 21.11.2024.
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