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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839.

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darauf gegeben, alles dieses Schwärmen, Phanta-
siren, Fabuliren, Vagabondiren uneigennützig zu
treiben, und obgleich ich der Freiherr von Münch-
hausen heiße, dieses Ehrenwort habe ich gehalten.
Die Casse manches Narren stand mir zu Gebote
und blieb unberührt von mir; höchstens erlog ich
mir hin und wieder Obdach und freie Beköstigung,
wenn ich sonst nicht wußte, wohin mein Haupt
legen und was beißen oder brechen?

Waren Sie stäts so uneigennützig? fragte der
Schriftsteller mit scharfem Accent.

Nein, rief Münchhausen plötzlich wieder klein-
laut, ich will mich gegen Sie nicht besser machen,
als ich bin. Einmal habe ich einer einfältigen
Gans Liebe vorgelogen, um zu ihres Vaters Geld
und Gut zu gelangen und da mußte ich zuletzt er-
fahren, daß kein Geld und Gut vorhanden sei.
Diese eigennützige Lüge ohne Erfolg brachte nun
eine ganz gräuliche und ekelhafte Nachwirkung in
mir hervor. Denn es giebt kein abscheulicheres
Gefühl für einen Charakter, wie ich bin, als Witz
und Phantasie umsonst ausgespendet zu haben.
Und da gab ich mir eben das Ehrenwort, fortan
in der reinen unselbstischen Erfindung zu schwelgen.


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darauf gegeben, alles dieſes Schwärmen, Phanta-
ſiren, Fabuliren, Vagabondiren uneigennützig zu
treiben, und obgleich ich der Freiherr von Münch-
hauſen heiße, dieſes Ehrenwort habe ich gehalten.
Die Caſſe manches Narren ſtand mir zu Gebote
und blieb unberührt von mir; höchſtens erlog ich
mir hin und wieder Obdach und freie Beköſtigung,
wenn ich ſonſt nicht wußte, wohin mein Haupt
legen und was beißen oder brechen?

Waren Sie ſtäts ſo uneigennützig? fragte der
Schriftſteller mit ſcharfem Accent.

Nein, rief Münchhauſen plötzlich wieder klein-
laut, ich will mich gegen Sie nicht beſſer machen,
als ich bin. Einmal habe ich einer einfältigen
Gans Liebe vorgelogen, um zu ihres Vaters Geld
und Gut zu gelangen und da mußte ich zuletzt er-
fahren, daß kein Geld und Gut vorhanden ſei.
Dieſe eigennützige Lüge ohne Erfolg brachte nun
eine ganz gräuliche und ekelhafte Nachwirkung in
mir hervor. Denn es giebt kein abſcheulicheres
Gefühl für einen Charakter, wie ich bin, als Witz
und Phantaſie umſonſt ausgeſpendet zu haben.
Und da gab ich mir eben das Ehrenwort, fortan
in der reinen unſelbſtiſchen Erfindung zu ſchwelgen.


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[275/0289] darauf gegeben, alles dieſes Schwärmen, Phanta- ſiren, Fabuliren, Vagabondiren uneigennützig zu treiben, und obgleich ich der Freiherr von Münch- hauſen heiße, dieſes Ehrenwort habe ich gehalten. Die Caſſe manches Narren ſtand mir zu Gebote und blieb unberührt von mir; höchſtens erlog ich mir hin und wieder Obdach und freie Beköſtigung, wenn ich ſonſt nicht wußte, wohin mein Haupt legen und was beißen oder brechen? Waren Sie ſtäts ſo uneigennützig? fragte der Schriftſteller mit ſcharfem Accent. Nein, rief Münchhauſen plötzlich wieder klein- laut, ich will mich gegen Sie nicht beſſer machen, als ich bin. Einmal habe ich einer einfältigen Gans Liebe vorgelogen, um zu ihres Vaters Geld und Gut zu gelangen und da mußte ich zuletzt er- fahren, daß kein Geld und Gut vorhanden ſei. Dieſe eigennützige Lüge ohne Erfolg brachte nun eine ganz gräuliche und ekelhafte Nachwirkung in mir hervor. Denn es giebt kein abſcheulicheres Gefühl für einen Charakter, wie ich bin, als Witz und Phantaſie umſonſt ausgeſpendet zu haben. Und da gab ich mir eben das Ehrenwort, fortan in der reinen unſelbſtiſchen Erfindung zu ſchwelgen. 18*

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/289>, abgerufen am 22.11.2024.