Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

geschaffen, könnten Sie sich an eine Erscheinung
hingeben, so wäre Ihnen vielleicht geholfen. Sie
waren stäts ein Dichter von Gesinnung, leider
aber ohne alles Gefühl und ohne Liebe.

Der Schriftsteller schüttelte dem Freiherrn die
Hand, lachte und sagte: Ich hatte schon gemeint,
daß Ihr ernsthaft mit mir anbinden wolltet, nun
sehe ich aber, daß Ihr Spaß macht, alter Spötter.
Ihr habt den Ton meiner öffentlichen Beurtheiler
ziemlich lustig copirt. Jetzt bestehen allerhand Leute
hauptsächlich darauf, daß ich mehr Liebe haben
solle. Sie fordern es aber so entsetzlich grob, daß
die Liebe, welche ein scheues, feines Kind ist, sich
weinend versteckt, oder schleicht, sie ahnen nicht, wohin?

In diesem Augenblicke sah er durch das Fen-
ster und erschrak. Denn er erblickte den alten
Baron in der Ferne, der mit dem Bürgermeister
herbeikam. Wir schwatzen hier Allotria! rief er hastig,
und da naht schon das Corps Ihrer Angreifer!
Rasch einen Plan der Vertheidigung und des Rück-
zuges aus diesem Castelle ersonnen. Wie wäre es --

Wenn wir improvisirten! fiel Münchhausen ein
und warf die rothe Uniform ab benebst dem Hute. --
So gelingt Alles am besten. Das ganze Leben

geſchaffen, könnten Sie ſich an eine Erſcheinung
hingeben, ſo wäre Ihnen vielleicht geholfen. Sie
waren ſtäts ein Dichter von Geſinnung, leider
aber ohne alles Gefühl und ohne Liebe.

Der Schriftſteller ſchüttelte dem Freiherrn die
Hand, lachte und ſagte: Ich hatte ſchon gemeint,
daß Ihr ernſthaft mit mir anbinden wolltet, nun
ſehe ich aber, daß Ihr Spaß macht, alter Spötter.
Ihr habt den Ton meiner öffentlichen Beurtheiler
ziemlich luſtig copirt. Jetzt beſtehen allerhand Leute
hauptſächlich darauf, daß ich mehr Liebe haben
ſolle. Sie fordern es aber ſo entſetzlich grob, daß
die Liebe, welche ein ſcheues, feines Kind iſt, ſich
weinend verſteckt, oder ſchleicht, ſie ahnen nicht, wohin?

In dieſem Augenblicke ſah er durch das Fen-
ſter und erſchrak. Denn er erblickte den alten
Baron in der Ferne, der mit dem Bürgermeiſter
herbeikam. Wir ſchwatzen hier Allotria! rief er haſtig,
und da naht ſchon das Corps Ihrer Angreifer!
Raſch einen Plan der Vertheidigung und des Rück-
zuges aus dieſem Caſtelle erſonnen. Wie wäre es —

Wenn wir improviſirten! fiel Münchhauſen ein
und warf die rothe Uniform ab benebſt dem Hute. —
So gelingt Alles am beſten. Das ganze Leben

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0294" n="280"/>
ge&#x017F;chaffen, könnten Sie &#x017F;ich an eine Er&#x017F;cheinung<lb/>
hingeben, &#x017F;o wäre Ihnen vielleicht geholfen. Sie<lb/>
waren &#x017F;täts ein Dichter von Ge&#x017F;innung, leider<lb/>
aber ohne alles Gefühl und ohne Liebe.</p><lb/>
          <p>Der Schrift&#x017F;teller &#x017F;chüttelte dem Freiherrn die<lb/>
Hand, lachte und &#x017F;agte: Ich hatte &#x017F;chon gemeint,<lb/>
daß Ihr ern&#x017F;thaft mit mir anbinden wolltet, nun<lb/>
&#x017F;ehe ich aber, daß Ihr Spaß macht, alter Spötter.<lb/>
Ihr habt den Ton meiner öffentlichen Beurtheiler<lb/>
ziemlich lu&#x017F;tig copirt. Jetzt be&#x017F;tehen allerhand Leute<lb/>
haupt&#x017F;ächlich darauf, daß ich mehr Liebe haben<lb/>
&#x017F;olle. Sie fordern es aber &#x017F;o ent&#x017F;etzlich grob, daß<lb/>
die Liebe, welche ein &#x017F;cheues, feines Kind i&#x017F;t, &#x017F;ich<lb/>
weinend ver&#x017F;teckt, oder &#x017F;chleicht, &#x017F;ie ahnen nicht, wohin?</p><lb/>
          <p>In die&#x017F;em Augenblicke &#x017F;ah er durch das Fen-<lb/>
&#x017F;ter und er&#x017F;chrak. Denn er erblickte den alten<lb/>
Baron in der Ferne, der mit dem Bürgermei&#x017F;ter<lb/>
herbeikam. Wir &#x017F;chwatzen hier Allotria! rief er ha&#x017F;tig,<lb/>
und da naht &#x017F;chon das Corps Ihrer Angreifer!<lb/>
Ra&#x017F;ch einen Plan der Vertheidigung und des Rück-<lb/>
zuges aus die&#x017F;em Ca&#x017F;telle er&#x017F;onnen. Wie wäre es &#x2014;</p><lb/>
          <p>Wenn wir improvi&#x017F;irten! fiel Münchhau&#x017F;en ein<lb/>
und warf die rothe Uniform ab beneb&#x017F;t dem Hute. &#x2014;<lb/>
So gelingt Alles am be&#x017F;ten. Das ganze Leben<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[280/0294] geſchaffen, könnten Sie ſich an eine Erſcheinung hingeben, ſo wäre Ihnen vielleicht geholfen. Sie waren ſtäts ein Dichter von Geſinnung, leider aber ohne alles Gefühl und ohne Liebe. Der Schriftſteller ſchüttelte dem Freiherrn die Hand, lachte und ſagte: Ich hatte ſchon gemeint, daß Ihr ernſthaft mit mir anbinden wolltet, nun ſehe ich aber, daß Ihr Spaß macht, alter Spötter. Ihr habt den Ton meiner öffentlichen Beurtheiler ziemlich luſtig copirt. Jetzt beſtehen allerhand Leute hauptſächlich darauf, daß ich mehr Liebe haben ſolle. Sie fordern es aber ſo entſetzlich grob, daß die Liebe, welche ein ſcheues, feines Kind iſt, ſich weinend verſteckt, oder ſchleicht, ſie ahnen nicht, wohin? In dieſem Augenblicke ſah er durch das Fen- ſter und erſchrak. Denn er erblickte den alten Baron in der Ferne, der mit dem Bürgermeiſter herbeikam. Wir ſchwatzen hier Allotria! rief er haſtig, und da naht ſchon das Corps Ihrer Angreifer! Raſch einen Plan der Vertheidigung und des Rück- zuges aus dieſem Caſtelle erſonnen. Wie wäre es — Wenn wir improviſirten! fiel Münchhauſen ein und warf die rothe Uniform ab benebſt dem Hute. — So gelingt Alles am beſten. Das ganze Leben

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/294
Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/294>, abgerufen am 22.11.2024.