Nitze! Nitze! schrie Karl Buttervogel berauscht. O meine vierzehn Berliner Herrn! Was würden meine vierzehn Berliner Herrn sagen, wenn sie mich jetzt sähen, mich glückseligen Esel und Kerl!
Karl Buttervogel war nicht gefühllos. Rieke in Stuttgart hatte wirklich sein ganzes Herz be- sessen, und wenn er ihr auch um die bessere Ver- köstigung im Schlosse untreu geworden war, so wissen wir aus seinem Tagebuche, welche Kämpfe ihn dieser Wandel gekostet hatte. Emerentien's Neigung war nun, die Wahrheit zu sagen, bisher mehr seiner Eitelkeit und seines Appetites Schmeich- lerin gewesen, erwiedert hatte er sie bis heute nicht. Aber als er das Fräulein so wunderbar geschmückt sah, ging in seinem Busen eine Um- wälzung vor. Ganz richtig hatte sie ihn geschätzt; es bedurfte starker Reize, um diesen Schmetterling zu vermögen, seine Flügel zum Fluge der Liebe zu entfalten. Das rothe Kleid, die grünen Schuhe, die gelbe Schärpe, der Paradiesvogel, der ganze bunte Putz -- -- alles das machte ihn wirblicht und er schwor bei der Asche seiner Väter, daß er noch nie eine so prachtvolle Person, wie sein stum- mes Wort über sie lautete, gesehen habe. Nach
Nitze! Nitze! ſchrie Karl Buttervogel berauſcht. O meine vierzehn Berliner Herrn! Was würden meine vierzehn Berliner Herrn ſagen, wenn ſie mich jetzt ſähen, mich glückſeligen Eſel und Kerl!
Karl Buttervogel war nicht gefühllos. Rieke in Stuttgart hatte wirklich ſein ganzes Herz be- ſeſſen, und wenn er ihr auch um die beſſere Ver- köſtigung im Schloſſe untreu geworden war, ſo wiſſen wir aus ſeinem Tagebuche, welche Kämpfe ihn dieſer Wandel gekoſtet hatte. Emerentien’s Neigung war nun, die Wahrheit zu ſagen, bisher mehr ſeiner Eitelkeit und ſeines Appetites Schmeich- lerin geweſen, erwiedert hatte er ſie bis heute nicht. Aber als er das Fräulein ſo wunderbar geſchmückt ſah, ging in ſeinem Buſen eine Um- wälzung vor. Ganz richtig hatte ſie ihn geſchätzt; es bedurfte ſtarker Reize, um dieſen Schmetterling zu vermögen, ſeine Flügel zum Fluge der Liebe zu entfalten. Das rothe Kleid, die grünen Schuhe, die gelbe Schärpe, der Paradiesvogel, der ganze bunte Putz — — alles das machte ihn wirblicht und er ſchwor bei der Aſche ſeiner Väter, daß er noch nie eine ſo prachtvolle Perſon, wie ſein ſtum- mes Wort über ſie lautete, geſehen habe. Nach
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Nitze! Nitze! ſchrie Karl Buttervogel berauſcht.
O meine vierzehn Berliner Herrn! Was würden
meine vierzehn Berliner Herrn ſagen, wenn ſie
mich jetzt ſähen, mich glückſeligen Eſel und Kerl!
Karl Buttervogel war nicht gefühllos. Rieke
in Stuttgart hatte wirklich ſein ganzes Herz be-
ſeſſen, und wenn er ihr auch um die beſſere Ver-
köſtigung im Schloſſe untreu geworden war, ſo
wiſſen wir aus ſeinem Tagebuche, welche Kämpfe
ihn dieſer Wandel gekoſtet hatte. Emerentien’s
Neigung war nun, die Wahrheit zu ſagen, bisher
mehr ſeiner Eitelkeit und ſeines Appetites Schmeich-
lerin geweſen, erwiedert hatte er ſie bis heute
nicht. Aber als er das Fräulein ſo wunderbar
geſchmückt ſah, ging in ſeinem Buſen eine Um-
wälzung vor. Ganz richtig hatte ſie ihn geſchätzt;
es bedurfte ſtarker Reize, um dieſen Schmetterling
zu vermögen, ſeine Flügel zum Fluge der Liebe
zu entfalten. Das rothe Kleid, die grünen Schuhe,
die gelbe Schärpe, der Paradiesvogel, der ganze
bunte Putz — — alles das machte ihn wirblicht
und er ſchwor bei der Aſche ſeiner Väter, daß er
noch nie eine ſo prachtvolle Perſon, wie ſein ſtum-
mes Wort über ſie lautete, geſehen habe. Nach
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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/299>, abgerufen am 22.11.2024.
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