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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839.

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redete durcheinander und die Scene schien sich zu
einem Blutvergießen anzulassen, wenn die aufge-
botene Hülfe wirklich herbeikam. In diesem Ge-
wirre hatte sich der Schriftsteller dem Kopfende
des Bettes genähert und der Freiherr flüsterte ihm
aus seinem Schlummer unhörbar für die Anderen
zu: Es hilft nicht, das letzte Mittel muß gebraucht
werden, brauchen Sie es! -- Als nun das Getöse
am heftigsten tobte und der Bürgermeister schon
rief: Da kommen ja die Bauern! zog der Schrift-
steller rasch einen Brief mit großem Siegel aus
der Tasche und sprach mit lauter Stimme: Im
Namen des Hofes, in dessen geheimen Diensten
ich zu stehen die Ehre habe, bitte ich um Ruhe
und Gehör.

Der Lärmen verstummte, das Siegel wurde
besehen, von Semilasso und von dem Bürgermei-
ster in seiner bedeutenden Eigenschaft anerkannt,
von den Anderen nicht bezweifelt. Der Bürger-
meister rief den Bauern, die inzwischen vor dem
Schlosse angekommen waren, zu, sie sollten unten
warten, der Schriftsteller aber eröffnete der gan-
zen Versammlung, daß dieser Mann, an den sich
so viele Forderungen und Erwartungen knüpften,

Immermann's Münchhausen. 3. Th. 22

redete durcheinander und die Scene ſchien ſich zu
einem Blutvergießen anzulaſſen, wenn die aufge-
botene Hülfe wirklich herbeikam. In dieſem Ge-
wirre hatte ſich der Schriftſteller dem Kopfende
des Bettes genähert und der Freiherr flüſterte ihm
aus ſeinem Schlummer unhörbar für die Anderen
zu: Es hilft nicht, das letzte Mittel muß gebraucht
werden, brauchen Sie es! — Als nun das Getöſe
am heftigſten tobte und der Bürgermeiſter ſchon
rief: Da kommen ja die Bauern! zog der Schrift-
ſteller raſch einen Brief mit großem Siegel aus
der Taſche und ſprach mit lauter Stimme: Im
Namen des Hofes, in deſſen geheimen Dienſten
ich zu ſtehen die Ehre habe, bitte ich um Ruhe
und Gehör.

Der Lärmen verſtummte, das Siegel wurde
beſehen, von Semilaſſo und von dem Bürgermei-
ſter in ſeiner bedeutenden Eigenſchaft anerkannt,
von den Anderen nicht bezweifelt. Der Bürger-
meiſter rief den Bauern, die inzwiſchen vor dem
Schloſſe angekommen waren, zu, ſie ſollten unten
warten, der Schriftſteller aber eröffnete der gan-
zen Verſammlung, daß dieſer Mann, an den ſich
ſo viele Forderungen und Erwartungen knüpften,

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[337/0351] redete durcheinander und die Scene ſchien ſich zu einem Blutvergießen anzulaſſen, wenn die aufge- botene Hülfe wirklich herbeikam. In dieſem Ge- wirre hatte ſich der Schriftſteller dem Kopfende des Bettes genähert und der Freiherr flüſterte ihm aus ſeinem Schlummer unhörbar für die Anderen zu: Es hilft nicht, das letzte Mittel muß gebraucht werden, brauchen Sie es! — Als nun das Getöſe am heftigſten tobte und der Bürgermeiſter ſchon rief: Da kommen ja die Bauern! zog der Schrift- ſteller raſch einen Brief mit großem Siegel aus der Taſche und ſprach mit lauter Stimme: Im Namen des Hofes, in deſſen geheimen Dienſten ich zu ſtehen die Ehre habe, bitte ich um Ruhe und Gehör. Der Lärmen verſtummte, das Siegel wurde beſehen, von Semilaſſo und von dem Bürgermei- ſter in ſeiner bedeutenden Eigenſchaft anerkannt, von den Anderen nicht bezweifelt. Der Bürger- meiſter rief den Bauern, die inzwiſchen vor dem Schloſſe angekommen waren, zu, ſie ſollten unten warten, der Schriftſteller aber eröffnete der gan- zen Verſammlung, daß dieſer Mann, an den ſich ſo viele Forderungen und Erwartungen knüpften, Immermann’s Münchhauſen. 3. Th. 22

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/351>, abgerufen am 22.11.2024.