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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839.

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Dazwischen schnitt er lustige Grimassen, pfiff
die Anfänge von Opernarien, oder declamirte große
Rauscheworte aus Tragödien. Sein buntes,
abentheuerliches, wildes Leben war ihm während
des Schlafes in der Schlacht vor der Seele vor-
übergegangen, er fühlte sich von sich begeistert, er
war in einer komischen Extase. Das Leben bei Hofe,
seine wunderbare Doppelstellung zwischen den Hüh-
neraugen des alten und dem geistigen Bedürfnisse
des jungen Herrn sah ihn aristophanisch schillernd
an, er blickte in eine ganze Welt von Schnurren
und diplomatischen Faxen hinein.

In diesem Rausche vernahm er nicht, daß Je-
mand mit entschiedenem Schritte die Treppe her-
aufkam, die Thüre öffnete und sich hinter ihn
stellte. Er saß, das Haupt tief auf die Brief-
bogen gebückt, so daß ihm der Fremde nicht in
das Gesicht sehen konnte. Nachdem dieser einige
Augenblicke so stillschweigend gestanden hatte, wäh-
rend Münchhausen immer emsig fortschrieb, sagte
der Fremde: Verzeihen Sie meine Dreistigkeit,
ich suche den Herrn Baron --

Münchhausen fuhr empor, unwillkührlich fiel
sein Blick in den gegenüberhangenden Spiegel; er

Dazwiſchen ſchnitt er luſtige Grimaſſen, pfiff
die Anfänge von Opernarien, oder declamirte große
Rauſcheworte aus Tragödien. Sein buntes,
abentheuerliches, wildes Leben war ihm während
des Schlafes in der Schlacht vor der Seele vor-
übergegangen, er fühlte ſich von ſich begeiſtert, er
war in einer komiſchen Extaſe. Das Leben bei Hofe,
ſeine wunderbare Doppelſtellung zwiſchen den Hüh-
neraugen des alten und dem geiſtigen Bedürfniſſe
des jungen Herrn ſah ihn ariſtophaniſch ſchillernd
an, er blickte in eine ganze Welt von Schnurren
und diplomatiſchen Faxen hinein.

In dieſem Rauſche vernahm er nicht, daß Je-
mand mit entſchiedenem Schritte die Treppe her-
aufkam, die Thüre öffnete und ſich hinter ihn
ſtellte. Er ſaß, das Haupt tief auf die Brief-
bogen gebückt, ſo daß ihm der Fremde nicht in
das Geſicht ſehen konnte. Nachdem dieſer einige
Augenblicke ſo ſtillſchweigend geſtanden hatte, wäh-
rend Münchhauſen immer emſig fortſchrieb, ſagte
der Fremde: Verzeihen Sie meine Dreiſtigkeit,
ich ſuche den Herrn Baron —

Münchhauſen fuhr empor, unwillkührlich fiel
ſein Blick in den gegenüberhangenden Spiegel; er

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[361/0375] Dazwiſchen ſchnitt er luſtige Grimaſſen, pfiff die Anfänge von Opernarien, oder declamirte große Rauſcheworte aus Tragödien. Sein buntes, abentheuerliches, wildes Leben war ihm während des Schlafes in der Schlacht vor der Seele vor- übergegangen, er fühlte ſich von ſich begeiſtert, er war in einer komiſchen Extaſe. Das Leben bei Hofe, ſeine wunderbare Doppelſtellung zwiſchen den Hüh- neraugen des alten und dem geiſtigen Bedürfniſſe des jungen Herrn ſah ihn ariſtophaniſch ſchillernd an, er blickte in eine ganze Welt von Schnurren und diplomatiſchen Faxen hinein. In dieſem Rauſche vernahm er nicht, daß Je- mand mit entſchiedenem Schritte die Treppe her- aufkam, die Thüre öffnete und ſich hinter ihn ſtellte. Er ſaß, das Haupt tief auf die Brief- bogen gebückt, ſo daß ihm der Fremde nicht in das Geſicht ſehen konnte. Nachdem dieſer einige Augenblicke ſo ſtillſchweigend geſtanden hatte, wäh- rend Münchhauſen immer emſig fortſchrieb, ſagte der Fremde: Verzeihen Sie meine Dreiſtigkeit, ich ſuche den Herrn Baron — Münchhauſen fuhr empor, unwillkührlich fiel ſein Blick in den gegenüberhangenden Spiegel; er

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 361. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/375>, abgerufen am 22.11.2024.