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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839.

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walde vor und in diesem dienstlichen Charakter ge-
lang es ihm, mit Geschäftsleuten mannichfaltige
Verbindungen anzuknüpfen, die ihm bisweilen auf
Spaziergängen am Strome unter Klippen und
Trümmern, oder byzantinischen Portalen und Wein-
hügeln vorbei zu schönen Aufschlüssen über Stempel-
sachen verhalfen, oder ihn mit dem Mechanismus der
Sicherheitspolizei bekannt machten. Dann und wann
hatte er selbst den Trost, seinen Gram über die nicht
zu erlangen gewesene Lithographirung der Formu-
lare in den vertrauten Busen eines Friedensrich-
ters auszuschütten, der ähnliche Gebresten über
die Kurzsichtigkeit seiner Vorgesetzten ihm verstoh-
len entdeckt und ihm dadurch eine Zuversicht auf-
geregt hatte. So konnte er denn eher die Be-
schwerden dieser Reise ertragen. Er ließ das junge
Ehepaar, wie er sich ausdruckte, umherrasen nach
Belieben, und fing an, sich in der Fremde mehr
zu Hause zu fühlen. War er auf sein eigenes
Selbst angewiesen, so las er in dem Buche, wel-
ches er mitgenommen hatte, nämlich im würtem-
bergischen Gesetzbuche. Er war, nachdem er sich
so eingerichtet hatte, jetzt zuweilen recht munter.
Nur darüber empfand er Kummer, daß in keiner

walde vor und in dieſem dienſtlichen Charakter ge-
lang es ihm, mit Geſchäftsleuten mannichfaltige
Verbindungen anzuknüpfen, die ihm bisweilen auf
Spaziergängen am Strome unter Klippen und
Trümmern, oder byzantiniſchen Portalen und Wein-
hügeln vorbei zu ſchönen Aufſchlüſſen über Stempel-
ſachen verhalfen, oder ihn mit dem Mechanismus der
Sicherheitspolizei bekannt machten. Dann und wann
hatte er ſelbſt den Troſt, ſeinen Gram über die nicht
zu erlangen geweſene Lithographirung der Formu-
lare in den vertrauten Buſen eines Friedensrich-
ters auszuſchütten, der ähnliche Gebreſten über
die Kurzſichtigkeit ſeiner Vorgeſetzten ihm verſtoh-
len entdeckt und ihm dadurch eine Zuverſicht auf-
geregt hatte. So konnte er denn eher die Be-
ſchwerden dieſer Reiſe ertragen. Er ließ das junge
Ehepaar, wie er ſich ausdruckte, umherraſen nach
Belieben, und fing an, ſich in der Fremde mehr
zu Hauſe zu fühlen. War er auf ſein eigenes
Selbſt angewieſen, ſo las er in dem Buche, wel-
ches er mitgenommen hatte, nämlich im würtem-
bergiſchen Geſetzbuche. Er war, nachdem er ſich
ſo eingerichtet hatte, jetzt zuweilen recht munter.
Nur darüber empfand er Kummer, daß in keiner

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[412/0426] walde vor und in dieſem dienſtlichen Charakter ge- lang es ihm, mit Geſchäftsleuten mannichfaltige Verbindungen anzuknüpfen, die ihm bisweilen auf Spaziergängen am Strome unter Klippen und Trümmern, oder byzantiniſchen Portalen und Wein- hügeln vorbei zu ſchönen Aufſchlüſſen über Stempel- ſachen verhalfen, oder ihn mit dem Mechanismus der Sicherheitspolizei bekannt machten. Dann und wann hatte er ſelbſt den Troſt, ſeinen Gram über die nicht zu erlangen geweſene Lithographirung der Formu- lare in den vertrauten Buſen eines Friedensrich- ters auszuſchütten, der ähnliche Gebreſten über die Kurzſichtigkeit ſeiner Vorgeſetzten ihm verſtoh- len entdeckt und ihm dadurch eine Zuverſicht auf- geregt hatte. So konnte er denn eher die Be- ſchwerden dieſer Reiſe ertragen. Er ließ das junge Ehepaar, wie er ſich ausdruckte, umherraſen nach Belieben, und fing an, ſich in der Fremde mehr zu Hauſe zu fühlen. War er auf ſein eigenes Selbſt angewieſen, ſo las er in dem Buche, wel- ches er mitgenommen hatte, nämlich im würtem- bergiſchen Geſetzbuche. Er war, nachdem er ſich ſo eingerichtet hatte, jetzt zuweilen recht munter. Nur darüber empfand er Kummer, daß in keiner

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 412. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/426>, abgerufen am 24.11.2024.