die Stirn, sein schönes Antlitz zuckte vor Schmerz, er riß an seinen braunen Locken, er nagte an sei- ner Lippe. Der Alte, der sich in seinen jungen Herrn nicht zu finden wußte, stellte sich, die Kniee nach vorn gebogen, die Hände nnd Arme auf seine Schenkel gestemmt, hin und sah ihm traurig zu. Mit Ihnen ist etwas vorgegangen, mein Herr Graf, sagte er ehrlich und sanft.
Da trat Oswald rasch zu ihm. Er drückte den Kopf des Alten heftig gegen seine Brust und rief im herzzerreißendsten Tone: Ja! Ja! mit mir ist etwas vorgegangen! Leise weinend sagte er ihm in's Ohr: Ich habe eine Braut, Jochem! --
Aber hier brachen die Gefühle des alten trocke- nen Menschen mit einem Ungestüm aus, der nicht zu beschreiben ist. Jubelnd und schreiend stieß er seinen jungen Herrn wie einen niederen Knaben von sich zurück, sprang in dem Nebel auf dem braunen Haideplatze schwerfällig und ungeschickt wie ein alter treuer Hund, der den Herrn wie- dersieht, umher, klatschte in die Hände und rief: Juchhe! Juchhe! Ach, das Glück, das ausbün- dige Glück! Ach, so sollen meine alten Augen denn noch den Tag erleben, wo ich meinem Herrn
Immermann's Münchhausen. 3. Th. 28
die Stirn, ſein ſchönes Antlitz zuckte vor Schmerz, er riß an ſeinen braunen Locken, er nagte an ſei- ner Lippe. Der Alte, der ſich in ſeinen jungen Herrn nicht zu finden wußte, ſtellte ſich, die Kniee nach vorn gebogen, die Hände nnd Arme auf ſeine Schenkel geſtemmt, hin und ſah ihm traurig zu. Mit Ihnen iſt etwas vorgegangen, mein Herr Graf, ſagte er ehrlich und ſanft.
Da trat Oswald raſch zu ihm. Er drückte den Kopf des Alten heftig gegen ſeine Bruſt und rief im herzzerreißendſten Tone: Ja! Ja! mit mir iſt etwas vorgegangen! Leiſe weinend ſagte er ihm in’s Ohr: Ich habe eine Braut, Jochem! —
Aber hier brachen die Gefühle des alten trocke- nen Menſchen mit einem Ungeſtüm aus, der nicht zu beſchreiben iſt. Jubelnd und ſchreiend ſtieß er ſeinen jungen Herrn wie einen niederen Knaben von ſich zurück, ſprang in dem Nebel auf dem braunen Haideplatze ſchwerfällig und ungeſchickt wie ein alter treuer Hund, der den Herrn wie- derſieht, umher, klatſchte in die Hände und rief: Juchhe! Juchhe! Ach, das Glück, das ausbün- dige Glück! Ach, ſo ſollen meine alten Augen denn noch den Tag erleben, wo ich meinem Herrn
Immermann’s Münchhauſen. 3. Th. 28
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die Stirn, ſein ſchönes Antlitz zuckte vor Schmerz,
er riß an ſeinen braunen Locken, er nagte an ſei-
ner Lippe. Der Alte, der ſich in ſeinen jungen
Herrn nicht zu finden wußte, ſtellte ſich, die Kniee
nach vorn gebogen, die Hände nnd Arme auf ſeine
Schenkel geſtemmt, hin und ſah ihm traurig zu.
Mit Ihnen iſt etwas vorgegangen, mein Herr
Graf, ſagte er ehrlich und ſanft.
Da trat Oswald raſch zu ihm. Er drückte
den Kopf des Alten heftig gegen ſeine Bruſt und
rief im herzzerreißendſten Tone: Ja! Ja! mit mir
iſt etwas vorgegangen! Leiſe weinend ſagte er ihm
in’s Ohr: Ich habe eine Braut, Jochem! —
Aber hier brachen die Gefühle des alten trocke-
nen Menſchen mit einem Ungeſtüm aus, der nicht
zu beſchreiben iſt. Jubelnd und ſchreiend ſtieß er
ſeinen jungen Herrn wie einen niederen Knaben
von ſich zurück, ſprang in dem Nebel auf dem
braunen Haideplatze ſchwerfällig und ungeſchickt
wie ein alter treuer Hund, der den Herrn wie-
derſieht, umher, klatſchte in die Hände und rief:
Juchhe! Juchhe! Ach, das Glück, das ausbün-
dige Glück! Ach, ſo ſollen meine alten Augen
denn noch den Tag erleben, wo ich meinem Herrn
Immermann’s Münchhauſen. 3. Th. 28
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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 433. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/447>, abgerufen am 22.11.2024.
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