Er richtete sich empor und schüttelte sich wie vor Fieberfrost in dem häßlichen kalten Dunst da droben auf der Bergeshalde. Seine dunkelen Lo- cken hingen ihm tief wie Wolken in das Gesicht. Dumpf sagte er: Nimm dieses Geld, Jochem, bezahle damit, was du etwa schuldig bist und deine Zehrung. Erwarte mich in der Stadt bei dem Diaconus. Morgen, oder vielleicht noch heute Abend komme ich hin. Jetzt gehe ich nach dem Oberhofe, um dem Mädchen Adieu zu sagen.
Adieu? fragte der Alte, der aus dem Himmel seiner Freude gestürzt war.
Ich werde das Mädchen, mit welchem ich mich verlobte, nicht heirathen, sagte Oswald, bemüht, seiner Stimme Festigkeit zu geben. Sie ging aber bei den letzten Worten in ein gebrochenes Zittern über. Er schritt schnell über den Abhang des Ber- ges nach der Börde hinunter.
Der alte Jochem sah ihm nach. Er beschaute das Geld, welches ihm der Graf gegeben hatte, dann sah er die Stelle an, wo die Klagen seines Herrn erschollen waren, dann nahm er seinen Hut in die Hand und drehte ihn, Kopf und Krämpe achtsam betrachtend, hin und her. Er setzte den
28*
Er richtete ſich empor und ſchüttelte ſich wie vor Fieberfroſt in dem häßlichen kalten Dunſt da droben auf der Bergeshalde. Seine dunkelen Lo- cken hingen ihm tief wie Wolken in das Geſicht. Dumpf ſagte er: Nimm dieſes Geld, Jochem, bezahle damit, was du etwa ſchuldig biſt und deine Zehrung. Erwarte mich in der Stadt bei dem Diaconus. Morgen, oder vielleicht noch heute Abend komme ich hin. Jetzt gehe ich nach dem Oberhofe, um dem Mädchen Adieu zu ſagen.
Adieu? fragte der Alte, der aus dem Himmel ſeiner Freude geſtürzt war.
Ich werde das Mädchen, mit welchem ich mich verlobte, nicht heirathen, ſagte Oswald, bemüht, ſeiner Stimme Feſtigkeit zu geben. Sie ging aber bei den letzten Worten in ein gebrochenes Zittern über. Er ſchritt ſchnell über den Abhang des Ber- ges nach der Börde hinunter.
Der alte Jochem ſah ihm nach. Er beſchaute das Geld, welches ihm der Graf gegeben hatte, dann ſah er die Stelle an, wo die Klagen ſeines Herrn erſchollen waren, dann nahm er ſeinen Hut in die Hand und drehte ihn, Kopf und Krämpe achtſam betrachtend, hin und her. Er ſetzte den
28*
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0449"n="435"/><p>Er richtete ſich empor und ſchüttelte ſich wie<lb/>
vor Fieberfroſt in dem häßlichen kalten Dunſt da<lb/>
droben auf der Bergeshalde. Seine dunkelen Lo-<lb/>
cken hingen ihm tief wie Wolken in das Geſicht.<lb/>
Dumpf ſagte er: Nimm dieſes Geld, Jochem,<lb/>
bezahle damit, was du etwa ſchuldig biſt und deine<lb/>
Zehrung. Erwarte mich in der Stadt bei dem<lb/>
Diaconus. Morgen, oder vielleicht noch heute<lb/>
Abend komme ich hin. Jetzt gehe ich nach dem<lb/>
Oberhofe, um dem Mädchen Adieu zu ſagen.</p><lb/><p>Adieu? fragte der Alte, der aus dem Himmel<lb/>ſeiner Freude geſtürzt war.</p><lb/><p>Ich werde das Mädchen, mit welchem ich mich<lb/>
verlobte, nicht heirathen, ſagte Oswald, bemüht,<lb/>ſeiner Stimme Feſtigkeit zu geben. Sie ging aber<lb/>
bei den letzten Worten in ein gebrochenes Zittern<lb/>
über. Er ſchritt ſchnell über den Abhang des Ber-<lb/>
ges nach der Börde hinunter.</p><lb/><p>Der alte Jochem ſah ihm nach. Er beſchaute<lb/>
das Geld, welches ihm der Graf gegeben hatte,<lb/>
dann ſah er die Stelle an, wo die Klagen ſeines<lb/>
Herrn erſchollen waren, dann nahm er ſeinen Hut<lb/>
in die Hand und drehte ihn, Kopf und Krämpe<lb/>
achtſam betrachtend, hin und her. Er ſetzte den<lb/><fwplace="bottom"type="sig">28*</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[435/0449]
Er richtete ſich empor und ſchüttelte ſich wie
vor Fieberfroſt in dem häßlichen kalten Dunſt da
droben auf der Bergeshalde. Seine dunkelen Lo-
cken hingen ihm tief wie Wolken in das Geſicht.
Dumpf ſagte er: Nimm dieſes Geld, Jochem,
bezahle damit, was du etwa ſchuldig biſt und deine
Zehrung. Erwarte mich in der Stadt bei dem
Diaconus. Morgen, oder vielleicht noch heute
Abend komme ich hin. Jetzt gehe ich nach dem
Oberhofe, um dem Mädchen Adieu zu ſagen.
Adieu? fragte der Alte, der aus dem Himmel
ſeiner Freude geſtürzt war.
Ich werde das Mädchen, mit welchem ich mich
verlobte, nicht heirathen, ſagte Oswald, bemüht,
ſeiner Stimme Feſtigkeit zu geben. Sie ging aber
bei den letzten Worten in ein gebrochenes Zittern
über. Er ſchritt ſchnell über den Abhang des Ber-
ges nach der Börde hinunter.
Der alte Jochem ſah ihm nach. Er beſchaute
das Geld, welches ihm der Graf gegeben hatte,
dann ſah er die Stelle an, wo die Klagen ſeines
Herrn erſchollen waren, dann nahm er ſeinen Hut
in die Hand und drehte ihn, Kopf und Krämpe
achtſam betrachtend, hin und her. Er ſetzte den
28*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 435. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/449>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.